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Krieg der Ahnen 1

Richard A. Knaak

Die Quelle der Ewigkeit

Für Martin Fajkus

und meine Leser in der ganzen Welt

1

Der hohe, düstere Palast saß am Rand der Klippe und überschaute die gewaltigen, schwarzen Wassermassen, die unter ihm schäumten. Fast schien es, als wolle er sich in die dunklen Tiefen des Sees stürzen. Einst, als man die riesige Burg gebaut und mit Hilfe der Magie Stein und Wald zu einer Gestalt verschmolzen hatte, war sie ein Wunder gewesen, das jedes sie betrachtende Auge berührte. Ihre Türme waren Bäume, zwischen denen – zur Verstärkung – rauer Fels wucherte, und ihre stolzen Wipfel ragten weit in den Himmel hinein. Darin prangten große offene Fenster. Die Mauern erhoben sich aus vulkanischem Stein, zusammengehalten von Ranken und gigantischen Wurzeln. Der eigentliche Palast im Zentrum der Feste war vor langer Zeit durch die mystische Verbindung von mehr als hundert riesiger, uralter Bäume geschaffen worden. Man hatte sie gebogen, um das Skelett des runden Zentrums zu schaffen, über das die Steine und Ranken gelegt wurden.

Damals hatte die Burg die Herzen aller mit Staunen und einem Gefühl für Wunder erfüllt, doch jetzt erregte sie in manchen Seelen nur noch Furcht. Eine beunruhigende Aura umgab das Gebäude, und sie wurde durch diese stürmische Nacht noch verstärkt. Die Wenigen, deren Blick heute Abend die uralte Feste streifte, wendeten sich rasch ab.

Doch jene, die stattdessen auf den See unterhalb des Palastes sahen, fanden auch keinen Frieden. Die ebenholzschwarzen Wasser tobten in wildem, unnatürlichem Aufruhr. In der Ferne wuchsen brodelnde Wellen empor, als wollten sie gierig nach der Burg greifen. Sie fielen donnernd in sich zusammen … um sich von neuem zu erheben, wieder und wieder. Blitze zuckten über die weite Fläche, und ihr unheimliches Licht ließ das Wasser in Rot und Gold und dem Grün der Fäulnis glänzen. Donner grollte wie tausend Drachen, und jene, die an den Ufern des Sees lebten, fassten einander angstvoll an den Händen, drängten sich enger zusammen und fragten sich, was für eine Art Sturm hier entfesselt wurde.

Von den Mauern des Palastes starrten die dunklen Schattenrisse der Wächter misstrauisch in die Finsternis. Sie hielten nicht nur jenseits der Zinnen nach Seelen Ausschau, die so töricht sein mochten, sich der Burg zu nähern. Sie schauten auch von Zeit zu Zeit verstohlen hinter sich, und auch zum Hauptturm wanderte ihr Blick. Dort, so fühlten sie, waren unkontrollierbare Kräfte am Werk.

Und in jenem hohen Turm, in einer steinernen Kammer ohne Fenster, beugten sich große, schlanke Gestalten in schillernden, türkisfarbenen Gewändern, mit silbrigen Symbolen bestickt, über ein sechsseitiges Muster, das man auf den Boden geschrieben hatte. Im Zentrum des Musters loderten Zeichen einer uralten Sprache, als besäßen sie ein eigenes Leben.

Glitzernde, silberne Augen ohne Pupillen starrten unter Kapuzen hervor, während die Nachtelfen singend ihre Zaubersprüche woben. Dunkle, violette Haut überzog sich mit Schweiß, als die Magie innerhalb des Musters stärker wurde. Alle sahen müde aus, bereit, sich von der Erschöpfung übermannen zu lassen. Alle waren völlig entkräftet – bis auf einen. Und dieser betrachtete das von ihm initiierte Ritual nicht durch silberne Augen wie der Rest der Versammlung, sondern durch künstliche, schwarze Augäpfel, über die waagerechte, rubinrote Streifen verliefen. Trotz dieser magischen Augen bemerkte er jedes Detail, ihm entging nicht die kleinste Geste der anderen. Auf seinem langen, schmalen Gesicht, das selbst für einen Elf hager wirkte, lag, während er seine Untergebenen antrieb, ein Ausdruck von Erwartung und Gier.

Eine weitere Gestalt beobachtete all dies und sog jedes Wort, jede rituelle Bewegung in sich auf. Die Frau saß auf einem luxuriösen Sessel aus Elfenbein und Leder. Prächtiges, silbernes Haar umrahmte ihre perfekten Züge, während das seidene Kleid – das so golden war wie ihre Augen – ihre bezaubernde Figur betonte. Von Kopf bis Fuß die Vision einer Königin, lehnte sie sich in den Sessel zurück und kostete Wein aus einem goldenen Kelch. Ihre juwelenbesetzten Armreife klimperten, als sich ihre Hände bewegten, und der Rubin ihrer Tiara glitzerte im Licht der zauberischen Kräfte, die die anderen beschworen.

Ab und zu wandte sie leicht den Kopf, um die schwarzäugige Gestalt zu mustern, und über ihr Gesicht huschte ein Ausdruck von Argwohn. Doch als der Meister des Rituals einmal plötzlich zu ihr schaute, als spüre er ihren Blick, verschwand alles Misstrauen aus ihr und wurde durch ein träges Lächeln ersetzt.

Die Gesänge der Zauberer wogten fort.

Der schwarze See brodelte wild.

Es hatte einen Krieg gegeben, und der Krieg war vorüber.

Also, wusste Krasus, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Geschichtsschreiber die Geschehnisse aufzeichnen würden. Und diese Niederschriften würden wenig zu sagen haben über die zahllosen Leben, die vernichtet oder die einst blühenden Länder, die verwüstet worden waren, auf der gesamten sterblichen Welt, die beinahe ihr Ende gefunden hätte.

Selbst die Erinnerungen von Drachen sind unter solchen Umständen flüchtig, gestand die bleiche, in eine graue Robe gekleidete Gestalt sich selbst gegenüber ein. Krasus wusste das sehr gut, denn obwohl er den meisten Augen als ein langer, dünner, fast elfenhafter Mann mit falkenähnlichen Gesichtszügen, silbernem Haar und drei langen Narben, die sich über seine rechte Wange zogen, erschien, war er in Wirklichkeit sehr viel mehr als das. Die Meisten kannten ihn als Zauberer, aber ein paar ausgewählte Geschöpfe nannten ihn Korialstrasz – ein Name, den nur ein Drache tragen würde.

Krasus war als Drache geboren worden, als eine majestätische rote Echse, der jüngste Gemahl der großen Alexstrasza. Sie, der Aspekt des Lebens, war seine liebste Gefährtin … doch wieder einmal zog es ihn von ihr fort zu den kurzlebigen Völkern mit ihrer alltäglichen Not und ihrer ungewissen Zukunft.

In seiner versteckten, aus dem Fels gehauenen Wohnstätte, die er sich als neues Allerheiligstes erwählt hatte, blickte Krasus auf die Welt von Azeroth hinab. Der leuchtende, smaragdgrüne Kristall erlaubte ihm, jedes Land, jedes Wesen zu sehen, das er sich wünschte.

Und wohin der Drachenmagier auch blickte, er sah nur Verheerung.

Es schien, als seien nur wenige Jahre vergangen, seit man die grotesken, grünhäutigen Ungetüme namens Orcs besiegt hatte, die von einer jenseitigen Welt in das Land eingefallen waren. Nachdem die überlebenden Monster in Lagern zusammengepfercht worden waren, hatte Krasus geglaubt, die Welt sei bereit für den Frieden. Doch dieser Frieden war nur von kurzer Dauer gewesen. Die Allianz – die von den Menschen angeführte Koalition, zugleich die vorderste Linie des Widerstandes – hatte sofort begonnen zu zerbröckeln, und ihre Mitglieder hatten sich um die Herrschaft über ihre alten Bündnispartner gestritten. Teilweise war dies die Schuld von Drachen gewesen – oder besser gesagt, die Schuld des einen Drachen Deathwing –, doch vieles war auch einfach auf die Gier von Menschen, Zwergen und Elfen zurückgegangen.

Aber selbst diese Krise hätte man ohne größere Probleme meistern können, wäre nicht die Brennende Legion erschienen …

Heute betrachtete Krasus das ferne Kalimdor, das auf der anderen Seite des Meeres lag. Selbst jetzt noch glichen große Gebiete dort einem Land nach einem schrecklichen Vulkanausbruch. Kein Leben war in diesen Gegenden verblieben, keine Spuren von Zivilisation. Doch es war keine Naturgewalt gewesen, die das Land so verwüstet hatte. Die Brennende Legion hatte ihrem Gefolge nichts als Tod hinterlassen.

Die feurigen Dämonen, von einem Ort jenseits der Realität gekommen, hatten Magie gesucht und hatten Magie verschlungen. Zusammen mit ihrer monströsen Dienerschar, der Untoten Geißel, hatten sie die Welt in Trümmer legen wollen. Doch sie hatten nicht mit dem Unwahrscheinlichsten aller Bündnisse gerechnet …