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»Und wenn du die furchtbaren Bisse deines Versagens spürst und das Spotten eines unerreichbaren, unachtsamen Gottes - dann werde ich dir meinen Namen zuflüstern. Salieri: Schutzheiliger der Mittelmäßigen!«

In der Beleuchterkammer meinte Tim: »Die Wahrheit kommt ans Licht.« Avery lächelte, und Harold ging noch einmal in Gedanken seine Premierenansprache durch. Tom Barnaby witterte immer noch das Entgleisen ins Chaos. Er saß aufrecht und angespannt da. In der hintersten Reihe hatte Mr. Tibbs sich endgültig aus dem Theater entfernt und wandelte in einem dunklen Wald voll von Dämonen und heulenden Wölfen umher.

»Und in der Tiefe eurer Niedergeschlagenheit könnt ihr zu mir beten. Und ich werde euch vergeben. Vi saluto.«

Esslyn hob das Rasiermesser und zog es mit einem dramatischen Schwung über seine Kehle. Es hinterließ einen leuchtendroten Strich. Er stand einen Moment lang da und sah stirnrunzelnd die Klinge an, die unerwarteterweise blutrot war. Esslyn wankte nach vorne und zwang sich dann mit großer Anstrengung, auf den Füßen zu bleiben. Die Hüterin der Kuchen eilte beschwingt mit ihrem Frühstückstablett herbei. Salieri stolperte ihr einen Schritt entgegen. Sie starrte ihn an, ihr Mund verzog sich lautlos zu einer runden Öffnung, dann ließ sie das Tablett fallen und fing ihn auf, als er stürzte. Dann schrie sie laut. Gellende Schreie blanken Entsetzens. Wieder und immer wieder, während das Blut über ihre blütenweiße Schürze und das taubengraue Kleid auf die Bretter floß.

Auftritt der Ermittler

Barnaby war innerhalb von Sekunden von seinem Sitz hochgeschossen und auf die Bühne gelaufen. Troy folgte ihm auf den Fersen.

»Laßt den Vorhang runter!« Dierdre stierte ihn an und durch ihn hindurch. »Laßt ihn runter.«

Samtiger Plüsch raschelte, als Colin den Haltemechanismus freigab und das grausige Tableau vor den erstaunten und aufgeregten Blicken des Publikums verbarg. Barnaby sah seine Frau an. Sie stand da wie in Stein gemeißelt, mit ausdruckslosem Gesicht und fest geschlossenen Augen. Esslyn, dessen Leben verebbte, hing mit der Grazie eines sterbenden Schwans an ihrem Hals.

Troy ließ die Hände unter die Achseln des Mannes gleiten und ihn mit unendlich sinnloser Behutsamkeit auf den Boden sinken. Barnaby trat hinter dem Vorhang hervor. Er brauchte nicht zu sagen: »Dürfte ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?« Die Gespräche verstummten sofort wie durch einen Zauber.

»Ich fürchte, es hat einen Unfall gegeben«, erklärte er ruhig. »Würden Sie bitte noch einen Moment auf Ihren Sitzen bleiben? Ist ein Arzt anwesend?«

Keiner erwiderte etwas. Tim hatte die Hausbeleuchtung aufgedreht, und Barnaby bemerkte Harolds leeren Sitz und die schwingende Tür bei Reihe A. Auch Cullys Sitz war leer. Er trat wieder auf die Bühne, wo Sergeant Troy, dessen Hose mit den messerscharfen Bügelfalten voller Blut war, sich auf den Boden gekniet und seinen Kopf zur Seite geneigt hatte, so daß sein Ohr fast Esslyns Lippen berührte. Der Mund des Sergeants war zusammengekniffen und seine Stirn vor lauter Konzentration in Falten gezogen. Er nahm ein Ausatmen wahr - kalt und grenzenlos zart und er vernahm einen matten Laut. Die schmale rote Linie war jetzt ein klaffender Einschnitt, und Esslyns Augen wurden glasig. Im nächsten Augenblick hatte er sein Leben ausgehaucht. Das laute Krachen des Donners, lächerlich passend, war zu hören, und dann das Prasseln des Regens auf dem Dach. Troy stand auf.

»Hat er noch etwas gesagt?«

»So was wie >dunkel<, glaube ich, Sir.«

»Gut. Würden Sie bitte die Bühnentür sichern? Colin - der da drüben in dem karierten Hemd - wird Ihnen zeigen, wo sie ist. Niemand darf rein oder raus.«

Der Sergeant verschwand. Barnaby sah sich um. In den Kulissen neben einer Gruppe von Abschlußkläßlern, die sich aneinanderdrängten, um sich in dieser plötzlich fremden Landschaft gegenseitig zu trösten, hielt Ernest die Hand seiner Ehefrau. Der Chefinspektor ging zu ihnen hinüber.

»Ernest, ich brauche vorübergehend Ihre Hilfe. Würden Sie bitte ins Foyer gehen. Rufen Sie über das Münztelefon das Revier an und sagen Sie denen, was hier passiert ist. Lassen Sie niemanden raus. Es wird nicht lange dauern.«

»Ich würde es ja tun, Tom, aber ich kann Rosa doch jetzt nicht allein lassen.«

»Nein, nein, tu nur, was Tom sagt.« Rosa hatte ein Clownsgesicht, und ihre Schminke sah auf dem kreideweißen Untergrund grausam aus. »Mir geht es gut, wirklich.«

»Soll ich sie bitten, Hilfe zu schicken?«

»Die werden schon wissen, was sie zu tun haben.«

Ernest, der immer noch einen verunsicherten Eindruck machte, verließ die beiden. Die Kulissen waren jetzt voller Darsteller und die Bühne verwaist. Barnaby stellte zu seiner Erleichterung fest, daß die entsetzliche Starre von seiner Frau abgefallen war und sie sich in den Armen ihrer Tochter ausweinte. Colin kam zurück. Bamaby bat ihn um eine Kiste, eine Tragetasche und irgend etwas, womit sie die Leiche zudecken könnten. Colin zog einige Kabel und Elektrostecker aus einem Schuhkarton und reichte ihn Barnaby, der ihn über das Rasiermesser stellte, das neben Esslyns rechter Hand lag. Dann trieb man einen Vorhang auf, und Barnaby deckte damit den Körper des Toten zu, wobei er darauf achtete, nicht in die Blutlache zu treten, die sich immer noch ausweitete. Sie bildete einen großen birnenförmigen Flecken mit einer Ausbuchtung an der Seite, so daß sie aussah wie eine umgedrehte Karte von Afrika. Der Vorhang war schrecklich unpassend, mit Regenbogen, Ballons und Teddybären, die einen Riesenspaß miteinander hatten. Barnaby nahm den Schlüssel zur Herrengarderobe vom Brett und lief (dicht gefolgt von Harold) die Treppe hinunter, schloß ab und gab Colin den Schlüssel.

»Sie scheinen sich ja viel vorgenommen zu haben«, meinte Harold. Einzig sein Gesicht war zwischen all den anderen schockierten und abgespannten Gesichtern voller lebhafter Entrüstung.

»Wozu das alles, Tom... all das...«, stotterte Colin, und schwenkte den Schlüssel. »Ich meine, es ist zwar etwas Schreckliches geschehen, aber es war doch ein Unfall...«

»Vermutlich haben Sie recht«, antwortete Barnaby. »Aber bis ich mir ein klares Bild gemacht habe, ist es vernünftiger, einige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.«

»Ich muß schon sagen, daß ich nicht ganz verstehe, was hier vorgeht«, entgegnete Harold. »Dieser ganze Zirkus hier. Leute herumkommandieren, hier und da hereinplatzen, Räume abschließen. Für wen zum Teufel halten Sie sich eigentlich?«

»Ich werde mich gleich mit ein paar Worten ans Publikum wenden«, kündigte Barnaby an. »Den Leuten erklären, was los ist. Wir sollten sie nicht zu lange hier festhalten.«

»Sie werden hier keine Rede halten!« schrie Harold. »Die einzigen Worte, die das Publikum zu hören bekommt, werden meine sein. Das ist mein Theater. Ich trage hier die Verantwortung.«

»Wenn Sie sich da mal nicht irren, Harold«, antwortete Barnaby, und der veränderte Klang in seiner Stimme machte ihn für alle zu einem Fremden. »Bis auf weiteres trage ich hier die Verantwortung.«

Eine halbe Stunde verstrich. Die Verstärkung war eingetroffen. Bis auf eine Ausnahme hatte jeder aus dem Publikum Namen und Telefonnummern angegeben, und dann waren sie alle wesentlich aufgeregter losgezogen, als sie ins Theater gekommen waren, denn nun konnten sie eine Neuigkeit unter ihren Familien und Freunden verbreiten, was, wie ein älterer Mann bemerkte, während er seinen Mantel zuknöpfte, diesen Abend in mehr als nur einer Weise zu etwas Besonderem machte.

Einem der sechs besorgten Elternpaare, die draußen warteten, um ihre Abschlußkläßler abzuholen, erlaubte man, hereinzukommen und in der Damengarderobe als Anstandspaar zu fungieren, während man die Kinder rücksichtsvoll befragte. Die Autokennzeichen auf dem Parkplatz und in den umliegenden Straßen wurden notiert, und neben dem Haupteingang postierte man im strömenden Regen einen Wachtmeister. Ein weiterer hockte auf dem Thron von Kaiser Joseph auf der Bühne vor dem ausgebeulten Vorhang mit dem fröhlichen Muster.