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»...Du...«, schrie sie. »...du solltest doch auf ihn aufpassen!«

Die Polizeistreife, die der vor dem Latimer postierte Wachtmeister gerufen hatte, hatte Dierdre mehrfach verpaßt. Jetzt gab Polizistin Audrey Brierley ihrem Kollegen ein Zeichen und sagte: »Da drüben...«

Zu diesem Zeitpunkt hatte Dierdre bereits aufgehört zu schreien, stand einfach nur traurig und resigniert da und wartete auf sie. Sie setzten sie sehr sanft in den Wagen und brachten sie nach Hause.

Nachdem Tim und Avery gekommen waren, rückte Troy seinen Stuhl demonstrativ einen Meter weit ab. Dann setzte er sich mit vorsorglich übereinandergeschlagenen Beinen und versprühte Wellen an Macho-Inbrunst. Sein Atem ging betont flach. Man hätte meinen können, die Atmosphäre wäre voller weiblicher Sporen, so daß ein unvorsichtiger Schluck davon ihn möglicherweise von einem erstklassigen Fußballspieler in ein kicherndes mädchenhaftes Wrack verwandeln könnte.

Avery, der diesen Antagonismus spürte, reagierte typischerweise übertrieben hilfsbereit, wenn nicht sogar schmeichlerisch. Tim dagegen verschob seinen Stuhl in aller Ruhe so, daß er dem Sergeanten den Rücken zudrehte und ihn während der ganzen Befragung ignorierte. Sie bejahten Barnabys Eröffnungsfrage und erklärten, daß sie tatsächlich gegen halb gekommen, in den Vereinsraum gegangen wären und dort, in Gesellschaft von Nicholas, der ein Bitter Lemon trank, ein Glas Condrieu geleert hätten. Dann wären sie in die Garderobe hinuntergegangen, die Tim stets als »ein Gewirr aus Überschwang und falschem gutem Willen« bezeichnete. Sie hätten die Klinge nicht angefaßt und auch niemand anders dabei beobachtet. Um zehn vor acht wären sie in ihre Kabine gegangen und anschließend dort geblieben.

»Aber Sie sind doch sicher zur Pause herausgekommen?«

».. .Also... nein...«, antwortete Avery.

»Nicht einmal, um etwas zu trinken?«

»Wir haben unseren eigenen Wein. Tim würde niemals diese Känguruhpisse trinken.«

»Dann habe ich vermutlich etwas falsch verstanden...?« Barnabys Tonfall klang sehr mild.

»Oh! Ich war mal kurz auf der Toilette«, fiel Tim ein. »Als die Luft rein war.«

»Ja. Tolle Beleuchtung.«

»Unser Schwanenlied.«

»Waren Sie auf der Schauspielertoilette oder auf der öffentlichen?«

»Auf der für die Schauspieler. Im Vereinsraum standen sie schon Schlange.«

»Können Sie sich irgendeinen Grund vorstellen«, fuhr Barnaby fort, »weshalb Esslyn umgebracht wurde?«

Avery fing an, wie ein junger Vogel zu flattern, der vom Boden abheben will. Schicksalsergeben sah er Troy an und erhielt als Antwort einen Blick voll von derart giftigem Mißfallen, daß er ganze fünf Minuten brauchte, um sich davon zu erholen. Er plapperte nervös drauflos. »Esslyn war kein angenehmer Mensch. Er hat von jedem erwartet, sich die ganze Zeit seinen Wünschen zu beugen, und die meisten von uns haben das auch getan. Außer Harold natürlich. Ich selbst mochte ihn...«

»Oh, um Himmels willen, Avery!« unterbrach Tim. »Wir sind doch beide fein raus. Wir waren in der Kabine. Also ist es nicht nötig, hier den verdammten Kriecher zu spielen.«

»Ohhh...« Avery wirkte erst verwirrt und dann erleichtert. »Das hätte ich nicht gedacht. >Uff!<, wie es so schön heißt...« Er wischte sich die Stirn mit einem grünen Paisleytaschentuch ab. »Also, wenn der Fall so läuft, dann macht es mir nichts aus zuzugeben, daß ich Esslyn für einen absoluten Idioten gehalten habe. Und der Meinung ist auch jeder andere hier gewesen.«

Tim lachte und spürte die Klinge von Troys Aufmerksamkeit in seinem Kreuz.

Barnaby hakte nach: »Einige vielleicht mehr als andere?«

»Nun... die Leute waren nicht immer konsequent genug, um es auch zu zeigen.«

»Oder unvorsichtig genug.«

»Pardon?« Avery wirkte verwirrt, aber willig, wie ein junger Hund, der den Trick zwar noch nicht so ganz begriffen hat, aber dennoch bereit ist, ihn auszuführen.

»Er meint«, erläuterte Tim trocken, »daß es vermutlich schon eine ganze Weile geplant war.«

Troy ärgerte sich über die Schnelligkeit, mit der Tim diese Erklärung hervorbrachte. Seine eigenen Gedankengänge waren bei weitem noch nicht so weit gediehen, doch er wußte, daß auch er irgendwann zu diesem Schluß gelangt wäre. Schwule sind ja schon schlimm genug, dachte er und klopfte mit seinem Kugelschreiber auf die Seiten des Schreibblockes, aber dann auch noch schlaue...

»Haben Sie vielleicht eine Vermutung, wer dafür verantwortlich sein könnte?«

»Natürlich nicht«, sagte Tim.

»Avery?«

»Oh...« Als wäre er unerwartet dazu aufgefordert worden, eine Rede zu halten, erhob sich Avery halb aus seinem Stuhl und sank dann wieder in diesen zurück. »Ja, also... ich dachte an Kitty. Ich meine, sie kann es einfach nicht genossen haben, mit Esslyn verheiratet gewesen zu sein. Er war doppelt so alt wie sie und etwa so amüsant wie eine Nacht mit den Tonton Macontes. Und natürlich hätte es Ärger gegeben, sobald das Baby gekommen wäre.«

»Ach? Wieso denn das?«

»Esslyn war immer so eifersüchtig. Er konnte es nicht ertragen, nicht im Mittelpunkt zu stehen, und Babys brauchen nun mal eine Menge Aufmerksamkeit. Wenigstens«, fügte er, für Barnabys Geschmack etwas zu wehmütig, hinzu »soweit ich weiß.«

»Wußten Sie, daß sie eine Affäre hatte?«

»Nicholas hat es uns erzählt.« Avery wurde rot und sah seinen Partner eher aufsässig an. »Und ich zumindest kann ihr das nicht übelnehmen.«

Keinem von beiden fiel im Moment noch etwas ein, was Barnaby hätte weiterhelfen können. Er ließ sie daher gehen. Als sich die Tür geschlossen hatte, wandte er sich seinem Sergeanten zu und erkundigte sich bei ihm: »Nun, Troy, was halten Sie davon?«

Troy war klar, daß hier seine Meinung über Homosexuelle nicht zur Debatte stand. Vergangenes Jahr, bei einem Fall im Badger’s Drift, hatte es ein besonders abstoßendes Exemplar dieser Spezies gegeben, dennoch wurde Troys Vorschlag, wie man die Aktivitäten dieser Männer beschneiden könnte, sehr frostig entgegengenommen. Sein Chef war in dieser Sache etwas komisch. In vieler Hinsicht hart wie Stahl. Härter als die stählernen Männer, die glaubten, nichts könnte sie brechen, und die dann doch erwischt wurden und nun hinter Gittern ihre Zeit absaßen. Auf der anderen Seite hatte er diese seltsamen Schwächen. Er würde solche Dinge nie verdammen, obwohl jedermann wußte, daß Schwule übel waren. Vielleicht ist es sein Alter, dachte Troy. Du mußt einfach nachsichtig mit ihm sein.

»Nun, Sir - mir fällt kein plausibler Grund dafür ein, weshalb einer von den warmen Brüdern in den Fall verwickelt sein sollte. Es sei denn, der Tote wäre schwul gewesen, und seine Frau mußte sich deshalb herumtreiben. Aber nach allem, was ich gehört habe, schien der Tote ja eine ganze Menge Schneckchen in Trab zu halten.«

Barnaby nickte. »Ja. Ich glaube nicht, daß seine Heterosexualität anzuzweifeln ist.«

»Und diese Everards - nun ja... nichts weiter als kleine schleimige Duckmäuser.«

»Das scheint die allgemeine Einstellung zu sein. Gut -dann wollen wir uns mal Nicholas anhören.«

Der Sergeant hielt auf seinem Weg nach draußen kurz inne. »Was soll ich diesem fetten Opa sagen? Jedesmal, wenn ich da reingehe und es ist nicht für ihn, macht er sich fast naß.«