»Ich nehme an, Sie können reden, während Sie mit diesem verzwickten Gerät herumspielen, Kitty?«
»Natürlich«, antwortete Kitty und hantierte mit Wasser, Kaffee, Chromspiralen und diversen Destillierkolben. »Um es kurz zu machen, Rosa war gerade hier und hat mich angegriffen.«
»Einfach nur so?« fragte der Chefinspektor und hielt Troy mit einem Kopfschütteln davon ab, loszurennen und eine übereilte Verhaftung vorzunehmen.
»Einfach so.« Sie stellte das Gerät auf eine heruntergedrehte Gasflamme, trottete zum Ofen und schmiegte sich daran. »Daran kann ich mich immer so schön aufwärmen. Sonst kriege ich noch eine Gänsehaut.« Sie schlang das blaue Négligé ganz eng um sich. Daraufhin war keine Gänsehaut mehr zu sehen, sondern zwei weitaus größere Erhebungen.
»Sie haben keine Ahnung, warum es dazu gekommen ist?«
»Eifersucht. Was sonst? Sie hat Esslyn umgebracht, weil sie es einfach nicht ertragen konnte, mit anzusehen, daß er glücklich war. Und dann ist sie hergekommen, um mir auch noch den Rest zu geben.«
»Aber die beiden waren doch schon seit mehr als zwei Jahren geschieden. Wenn sie es nicht ausgehalten hätte, ihn glücklich zu sehen, dann hätte sie doch gewiß schon längst etwas unternommen.«
»Ah...« Kitty schüttelte eine Zigarette aus einem Päckchen. Troys Nüstern blähten sich vor freudiger Erwartung. »Bisher gab es ja auch noch kein Baby.«
»Vielleicht ist es besser, Sie erzählen uns mal alles von Anfang an.«
»Gut.« Kitty zündete ihre Zigarette an, nahm einen tiefen Zug, hustete und begann: »Es klingt unglaublich, das ist mir selbst klar, aber sie hat die gottverdammte Dreistigkeit besessen, hierherzukommen und mich zu fragen, ob ich das Baby nach der Geburt ihr und dem alten Ernie überlassen würde.«
»Und was haben Sie dazu gesagt?«
»Ich habe im Grunde genommen gar nichts gesagt. Um ehrlich zu sein, fand ich es so lustig, daß ich lachen mußte. Und als ich damit einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören. Sie wissen ja, wie das ist...« Sie zwinkerte Troy zu, dem schon allein der Geruch der angezündeten Chesterfield derartige Qualen verursachte, daß er unter dieser zusätzlichen Anfechtung beinahe zusammengebrochen wäre.
»Und was war daran so lustig?«
»Daß es gar kein Baby gibt.«
Es trat eine Pause ein, in der der Apparat gurgelte, blubberte und zischte. Dann entgegnete Barnaby: »Nur um das mal richtigzustellen, Kitty. Wollen Sie damit sagen, Sie hatten eine Fehlgeburt? Oder hat es überhaupt nie ein Kind gegeben?«
»Es hat nie eines gegeben.«
»Und ich nehme an, Esslyn wußte das nicht?«
»Mal ehrlich. Glauben Sie wirklich, er hätte mich geheiratet, wenn er gewußt hätte, daß ich nicht schwanger bin?« Das Lächeln war beinahe sinnlich vor lauter Zufriedenheit. Es besagte: Bin ich nicht schlau? Wünschst du dir nicht, genauso schlau wie ich zu sein?
Dieses gerissene kleine Miststück, dachte Troy. Er sah Kitty an und war zwischen Bewunderung und Abscheu hin und her gerissen. Er kannte diese Sorte und ihre Charaktermerkmale (er hatte schließlich oft genug die weniger erfolgreichen Schwestern aufgegriffen, die an den Bushaltestellen herumhingen und ihre Tricks versuchten), ohne zu bemerken, wie viel solche Frauen mit ihm gemeinsam hatten. Daher nötigte ihm ihre Dreistigkeit und ihre Entschlossenheit widerwillig einigen Respekt ab. Andererseits hatte sie aber auch ganz entschieden einen Affen aus einem Angehörigen seines Geschlechts gemacht, womit er überhaupt nicht zurechtkommen konnte. Nein, das paßte ihm nun wirklich nicht in den Kram.
»Und was hatten Sie vor«, erkundigte sich Barnaby, »wenn Ihr Zustand - oder besser gesagt, der Nichtzustand - offensichtlich geworden wäre?«
»Oh - ich dachte an einen kleinen Sturz die Treppe hinunter. Nichts Schwerwiegendes. Der arme kleine Liebling«, murmelte sie, und ihr bekümmertes Seufzen wurde durch das fiese Feixen entstellt, »hatte keine Chance.«
»Also konnte Ihnen der Tod Ihres Mannes gar nicht gelegener kommen.«
»Genau.« Kitty goß den Kaffee in drei hohe Becher aus schillerndem Milchglas. »Männer, die hart arbeiten, mögen doch viel Zucker, oder? Für die Energiezufuhr.«
»Für mich keinen, danke.«
Troy bat um zwei Stück Zucker und viel Milch.
Barnaby nahm den Kaffee und nippte daran. Trotz der barocken Extravaganz der schimmernden Rohre dieser verschnörkelten Maschine schmeckte der Kaffee absolut scheußlich. Sogar noch schlimmer als das Gebräu, das Joyce produzierte, was schon etwas heißen wollte. Aus irgendwelchen seltsamen Gründen empfand er das in dieser Situation als gar nicht einmal so unangenehm. Er war gerade dabei, die Unterhaltung wieder an dem Punkt aufzunehmen, an dem sie unterbrochen worden waren, als Kitty ihm zuvorkam.
»Und wenn Sie heraus gefunden haben, wer diese schmutzige Tat begangen hat, dann werde ich zu ihm gehen und mich persönlich bei ihm bedanken.«
Als Kitty ihren Kaffee trank, sah sie Barnaby über den Rand ihres Bechers an. Ihr Blick war so frech, daß Barnaby sich fragte, ob ihr überhaupt klar war, in was für einer prekären Situation sie sich befand. Er schaute sie ebenfalls an, wobei sein Blick das Wetter draußen eher sommerlich heiter erscheinen ließ.
»Scheinbar waren Sie uns gegenüber sehr offen, Kitty, und Ihre Weigerung, eine Trauer aufzufahren, die Sie gar nicht empfinden, spricht ja durchaus für Sie. Aber wenn Sie glauben, Sie könnten den Mörder Ihres Mannes decken oder in irgendeiner Weise unsere Ermittlungen behindern, nur weil die Welt ohne Esslyn besser dran sein mag, dann möchte ich Ihnen empfehlen, alles lieber noch einmal zu überdenken. Sonst werden Sie bald eine Menge ernsthafter Schwierigkeiten bekommen.«
»Das würde ich doch niemals tun, Tom«, bekräftigte Kitty nüchtern und drückte ihre Zigarette auf der Herdplatte aus. »Ehrlich nicht.«
»Gut, dann wäre das ja geklärt. Und jetzt kommen wir doch bitte wieder auf die Sache mit Rosa zurück. Sie wollte also das Baby haben, und daraufhin haben Sie losgekichert. Was ist dann passiert?«
»Es war wirklich verrückt. Von der Tür her zog es ganz furchtbar«, sagte sie und wies mit dem Kopf Richtung Eingangshalle, »und ich hatte nur mein Nachthemdchen an und fror. Also ging ich zur Tür und schloß sie. Aber als ich mich wieder zu ihr umgedreht habe, hat sie mich angestarrt, mit richtig hervortretenden Augen. Dann fing sie an zu zittern und sah aus, als würde sie gleich zusammenbrechen. Deshalb habe ich mir gedacht, ihr ein Glas Wasser zu bringen... ich wußte ja nicht, was ich machen sollte... solche Sachen passieren einem nun mal nicht jeden Tag, oder? Also bin ich zum Spülbecken gegangen, was bedeutet, daß ich quer durch die ganze Küche laufen mußte, und als ich gerade an ihr vorbeigekommen bin, hat sie sich auf mich gestürzt. Ich habe angefangen, schrecklich zu schreien und zu kreischen... und sie ist fortgelaufen.«
»Einen Augenblick. War das in dem Moment, als Sergeant Troy gegen die Tür gehämmert hat?«
»Troy heißt er also? Wie romantisch. Nein - das war ja gerade das Seltsame. Sie hat schon in dem Moment die Flucht ergriffen, in dem ich angefangen habe zu schreien. Ehe wir überhaupt wußten, daß Sie da waren.«