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»Ich kann es kaum erwarten, euch endlich von hinten zu sehen.«

»Ach, Tom«, begann David zögernd. »Da ist noch etwas, was ich dir eigentlich sagen müßte. Es erschien mir nur so unpräzise, daß ich gestern nicht daran gedacht habe, es zu erwähnen, aber ich habe noch einmal darüber nachgedacht und... da ich gerade hier bin...«

»Na, dann mal los.«

»Es ist nichts Wichtiges. Ich hoffe also, du nimmst es mir nicht krumm.«

»Ich werde es dir extrem krumm nehmen, wenn du noch länger rumdruckst und es nicht endlich ausspuckst.«

»Ja. In Ordnung. Also, verstehst du, am Ende des Stücks nehme ich doch das Tablett mit den ganzen Rasiersachen. Aber bei der Premiere stimmte etwas damit nicht.«

»Ja?«

»Das war’s schon, fürchte ich. Ich sagte dir ja schon, daß es sehr unpräzise ist.«

»Sehr unpräzise, in der Tat.«

»Ich wußte ja gleich, daß du sauer sein wirst.«

»Aber ich bin doch gar nicht sauer«, widersprach Barnaby mit dem Grinsen eines Menschenfressers. »Alle üblichen Dinge waren sicherlich da, oder?«

»Ja. Die Seife lag auf dem Holzteller. Die Zinnschale mit dem heißen Wasser war auch da. Der Rasierpinsel. Das geschlossene Rasiermesser. Das Handtuch.«

»Waren die Requisiten anders angeordnet als sonst?« David schüttelte den Kopf. »Vielleicht eine andere Seife?«

»Nein. Sie wurde ja nie benutzt, und deshalb war es immer dasselbe Stück Seife, Imperial Leather, bei allen Proben.«

»In diesem Falle, David«, bemerkte Barnaby eher zu sich selbst, »stehe ich allerdings etwas ratlos da, weil ich nicht so ganz erkennen kann, was daran nicht gestimmt haben soll.«

»Ich weiß. Deshalb habe ich ja auch so lange gezögert, bis ich es erwähnt habe. Aber als ich das Tablett von dem Requisitentisch genommen habe, hatte ich ganz entschieden ein eigenartiges Gefühl, eben den Eindruck, da stimmt irgend etwas nicht.«

»Vielleicht lag etwas auf dem Tisch«, fragte Barnaby, um die Sache etwas zu beschleunigen, »in der falschen Position. Oder war da vielleicht sogar ein Gegenstand, der dort nicht hätte sein dürfen?«

David schüttelte den Kopf. »Nein. Es hatte etwas mit dem Tablett zu tun.«

»Gut.« Barnaby stand mit Nachdruck auf. »Denk noch mal darüber nach. Es könnte ja wichtig sein. Ruf mich an, wenn dir etwas einfällt.«

Colin streckte die Hand aus, und der Grad der Dankbarkeit, die er für Barnabys kleine ausweichende Notlüge empfand, zeigte sich in der Stärke seines festen Händedrucks. »Tut mir wirklich sehr leid, daß ich dir solche Umstände gemacht habe, Tom.«

Dann entfernten sie sich, und Barnaby stand in der Bürotür und beobachtete, wie David geradewegs loszog, den Blick nach vorn gerichtet, während Colin in einer Wolke aus Erleichterung neben ihm herschlich, die so dicht war, daß man sie förmlich hätte anfassen können. Als sie durch den Ausgang nach draußen gingen, erkundigte sich Colin, wobei er sich enorm in acht nahm, nicht einen allzu ungläubigen Tonfall anzuschlagen: »Aber wieso Dierdre?«

Und Barnaby hörte Davids Antwort. »Weil sie es mehr braucht als jeder andere. Und weil ich sie liebe.«

Dierdre lief den Weg zum Walker Memorial Hospital für psychiatrische Störungen hinauf, und der Hund trottete neben ihr her. Nachdem Barnaby ihr gesagt hatte, daß er im Polizeizwinger bliebe, bis sie käme und ihn holen würde, war Dierdre auf dem Weg ins Krankenhaus dort vorbeigegangen, um die Sache zu klären. Die nette blonde Polizistin war am Schalter und fragte, wie es ihr ginge. Dierdre erkundigte sich daraufhin nach dem Wachtmeister, der ihren Vater gerettet hatte, und dann liftete die Beamtin die Tresenklappe und meinte: »Hier durch«, ehe sie verschwand.

Dierdre murmelte: »Sehen Sie, das Problem ist...« und folgte ihr.

Der Zwinger bestand aus wirklich geräumigen Käfigen, in denen sich drei Hunde befanden. Zwei lagen auf dem Boden und dösten vor sich hin, doch der dritte sprang auf und bewegte sich erwartungsvoll vorwärts. Dierdre wiederholte: »Das Problem ist, sehen Sie...« und erblickte die fragende schwarze Nase und die weiche Schnauze, die sich gegen den Maschendraht preßte. Der Schwanz wedelte so heftig, daß er nur noch ein brauner Schatten zu sein schien. Polizistin Brierley machte sich daran, das Vorhängeschloß zu entfernen. Nun mußte sie es aber wirklich klarstellen. Hinterher versuchte Dierdre zu begreifen, wieso sie es nicht geschafft hatte, und sie beschloß, daß der Hund an allem schuld gewesen sei.

Wenn er gewinselt oder gebellt, gejault oder auf irgendeine andere Art reagiert hätte, wäre ihr Herz wahrscheinlich hart geblieben, doch so, wie er sich verhielt, konnte sie sich nicht gegen seine Zuneigung verschließen. Es war sein totales Vertrauen, gegen das sie nicht gefeit war. In seinen Augen lag kein bißchen Zweifel. Endlich war sie gekommen, nun würden sie gemeinsam fortgehen. Und schuldete sie dem Tier nicht ohnehin etwas? fragte sich Dierdre sachlich und rief sich die schreckliche Nacht ins Gedächtnis zurück, in der es der einzige Gefährte ihres Vaters gewesen war.

»Haben Sie seine Leine mitgebracht?«

»Oh... nein... ich komme geradewegs von den Barnabys. Ich bin noch gar nicht zu Hause gewesen.«

»Sie sollten ihn aber nicht ohne Leine mitnehmen.« Sie ließ das Schloß wieder zuschnappen. Dierdre sah den Hund an. Sein Ausdruck tiefster Enttäuschung war kaum auszuhalten.

»Es ist schon in Ordnung«, beteuerte sie hastig. »Er gehorcht sehr gut. Er ist ein braver Hund.«

Wachtmeisterin Brierley zuckte die Achseln. »Okay. Wenn Sie das sagen...«, meinte sie und öffnete den Käfig. Der Hund kam herausgerannt, sprang an Dierdre hoch und leckte ihre Hände ab. Sie unterschrieb ein Formular, und beide verließen das Revier, um in die High Street einzubiegen. Beim Schuster gab es Leinen und Halsbänder. Dierdre entschied sich für ein rotes mit einer kleinen Glocke. Als sie sich hinunterbeugte, um es dem Hund anzulegen, fragte der Mann hinter dem Schalter: »Möchten Sie nicht auch eine Marke für ihn haben? Für den Fall, daß er mal verlorengeht. Ich kann Ihnen rasch eine machen.«

»Oh, ja - bitte.« Schon jetzt, da sich der Hund gerade erst seit ein paar Minuten in ihrem Besitz befand, war ihr der Gedanke daran, er könne sich verlaufen, absolut unerträglich. Sie gab ihre Adresse und Telefonnummer an.

»Und sein Name?«

»Sein Name?« Sie dachte angestrengt nach, während der Mann mit seinem Bohrer darauf wartete, was er in die Marke eingravieren sollte. Ihr schossen alle möglichen gewöhnlichen Hundenamen durch den Kopf, aber keiner schien geeignet. Er war bestimmt kein Fido oder Rover. Nicht einmal ein Bello oder Bob. Dann erinnerte sie sich an die Tagesstätte, vor der sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, und in dem Moment hatte sie den Namen. »Sunny!« rief sie. »Er heißt Sunny.« Der Mann gravierte »Sonny«, fügte die anderen Details hinzu, und Dierdre befestigte die Marke an dem Halsband.

Nun, da sie durch den Haupteingang das Krankenhaus betrat, fragte sie sich, was sie mit ihm machen sollte. »Du kannst nicht mit hineinkommen«, erklärte sie ihm. »Du mußt draußen warten.« Er hörte ihr genau zu. Sie befestigte seine Leine an einem eisernen Schuhabstreifer und befahclass="underline" »... Hm ... Sitz...« Zu ihrer Überraschung senkte sich sein rötlicher Rumpf tatsächlich, und er saß. Sie tätschelte und lobte ihn: »Braver Hund.« Dann ging sie hinein.

Sie wurde sofort von einer Reihe labyrinthischer Gänge verschluckt, und schweren Herzens setzte sie sich in Bewegung. Als sie das allgemeine Krankenhaus angerufen hatte, um zu erfahren, wann sie ihren Vater besuchen könne, hatte man ihr gesagt, daß ihr Vater ins »Walker« gebracht worden wäre, woraufhin sie einen enormen Schrecken bekommen hatte. Dieses schwermütige, mit Ruß überzogene viktorianische Ziegelsteingebäude galt in der Gegend schon immer als Irrenanstalt, und als sie noch ein Kind gewesen war, hatte sie sich immer mit Gruseln vorgestellt, daß es von angeketteten Menschen in weißen Kitteln bewohnt würde, die verrückt spielten und wie die arme Mrs. Rochester schrien.