Выбрать главу

Barnaby senior schilderte seine Woche und einen Streit bei einem Treffen der Gesellschaft für Denkmalschutz - es ging dabei um einen viktorianischen Musikpavillon. Was für ein kriegerisches Völkchen die da unten sind, dachte Barnaby. Beim Umzug seiner Eltern hatte er sich eingebildet, daß sie den Rest ihres Lebens friedlich dösend in ihrem Wintergarten verbringen würden. Eine ziemlich wurmstichige Vorstellung vom Alter, wie er sich jetzt eingestehen mußte. Seine Eltern hatten nie zu der trägen Sorte gehört. Sein Vater erzählte begeistert, wie er endlich einen skrupellosen Gegner auf der Bocciabahn fertiggemacht hatte.

Barnaby hörte geduldig zu, dann sagte er, als fiele ihm das gerade ein: »Hör mal, wir sind mitten in der Cricket-Saison. Ich vermute, du sitzt den halben Tag vor dem Fernseher.«

»Natürlich. Ich hab’ mir sogar eins dieser Videogeräte ausgeliehen. Dann kann ich mir die schönsten Szenen immer wieder anschauen. Schrecklich das am Freitag, findest du nicht?«

Barnaby lächelte nachsichtig. Sein Vater müßte eigentlich wissen, daß er tagsüber nie zu Hause war, um sich Cricket-Spiele anzusehen, trotzdem setzte er immer voraus, daß sein Sohn ganz genau im Bilde sei.

»Was ist passiert?«

»Mensch - es gab kein Match. Junge. Es war nicht hell genug. Der Schiedsrichter überließ Allenby die Entscheidung, und der brach das Spiel ab. Elf Uhr vormittags. Alles stand bereit. Gurkensandwiches, eine schöne Kanne Pfefferminztee - wir hatten uns auf ein langes Spiel eingerichtet. Wir waren ganz schön sauer. Na ja, um ehrlich zu sein, deine Mutter hat es nicht so sehr gestört, aber mir hat es den Tag gründlich verdorben, das kann ich dir sagen.«

Nachdem er pflichtbewußt dieses Pech bedauert hatte, beendete Barnaby das Gespräch und kehrte zu seinem Sessel und einer frischen Tasse Tee zurück. »Die Leute fangen an, mir Lügen zu erzählen, Joyce«, sagte er.

»Ach ja, Lieber?« Sie strickte - das helle Seidenstück wuchs. »In dieser Sache in Badger’s Drift?«

»Hmm. Katherine Lacey wurde am Abend auf der Dorfstraße beobachtet, obwohl sie behauptete, nicht außer Haus gewesen zu sein. Judy Lessiter sagte, sie sei den ganzen Nachmittag bei der Arbeit gewesen, aber sie wurde zwischen drei und halb vier im Dorfladen gesehen. Trevor Lessiter sagte, er hätte sich ein Cricket-Spiel im Fernsehen angeschaut - ein >tolles Match< aber das Spiel wurde abgesagt. Und Phyllis Gadell ist sichtlich der Schreck in die Glieder gefahren, als sie uns sah, und redete sich mit einer albernen Geschichte ihrer nicht bezahlten Kraftfahrzeugsteuer heraus.«

»Lieber Gott, du scheinst eine ganze Menge Informationen zu haben, denen du nachgehen kannst.« Die Namen sagten Joyce Barnaby nicht das geringste, und sie wußte, daß Tom lediglich laut überlegte, um seine Gedanken zu ordnen. Trotzdem hörte sie ihm aufmerksam zu.

»Und Barbara Lessiter, die geschätzte Gattin des Doktors, hat etwas mit der Morgenpost bekommen, was sie blaß wie ein Leichentuch werden ließ.«

»Woher weißt du das?»

Barnaby schilderte die Szene. »Oh - wahrscheinlich war es eine letzte Mahnung. Ich könnte mir vorstellen, daß sie Kleider gekauft und eine große Rechnung bekommen hat.«

»Nein.« Barnaby schüttelte den Kopf. »Es muß was Schlimmeres gewesen sein. Und wo war sie an dem Abend, an dem Emily Simpson starb? Sie fuhr spazieren. Sehr vage, das Ganze.«

»Aber unschuldige Menschen haben nicht immer ein hieb-und stichfestes Alibi. Sie wissen nicht hundertprozentig genau, wann sie was gemacht haben. Das sagst du selbst oft. Was hat sie am Nachmittag getan?«

»Sie war in Causton einkaufen.«

»Da siehst du’s«, sagte Joyce unerschütterlich. »Sie hat sich finanziell übernommen.«

Barnaby bedachte sie mit einem Lächeln, leerte seine Tasse und stellte sie auf die Untertasse. Irgend etwas sagte ihm, daß es nicht so einfach war, wie seine Frau vermutete. Nichts in diesem Fall war so einfach, wie es schien.

8

Am nächsten Morgen, einen Tag vor der Neuaufnahme der gerichtlichen Untersuchung, ging Barnaby früh ins Büro und machte sich daran, die Protokolle der Befragungen, die Aussagen und Berichte im Schnelldurchgang zu lesen. Die Kernpunkte all dessen würden später auf Karteikarten übertragen und in einer drehbaren Hängeregistratur abgelegt (sie warteten immer noch auf einen Computer). Er bat um einen Kaffee und begann mit der Arbeit.

Er las schnell und gründlich, hielt bei kleinen Details inne und überflog die normalen Aussagen und die Informationen, die er schon kannte. Das Ergebnis der Befragung war im großen und ganzen so, wie er es erwartet hatte. Die einzigen Männer, die sich am Nachmittag des Siebzehnten nicht bei der Arbeit oder zu Hause bei ihren Frauen aufgehalten hatten, waren zwei Arbeitslose, die, wie sie sich gegenseitig bestätigen konnten, die fragliche Zeit in ihren nahe beieinanderliegenden Schrebergärten verbracht hatten. Der Vikar hatte in seinem Arbeitszimmer die nächste Sonntagspredigt vorbereitet. Diese Aussage wurde von der Haushälterin bestätigt, die währenddessen Marmelade in der Küche eingekocht hatte. Sie war hellstens empört, daß der Vikar, ein gebrechlicher, alter Kerl von dreiundsiebzig Jahren, überhaupt in einer Mordsache vernommen wurde. Am Abend hatten alle Männer entweder zu Hause bei ihren Familien oder im Black Boy gesessen. Die Polizistin Brierley brachte Barnaby den gewünschten Kaffee. Und er nahm ihn dankbar entgegen. Die Frauen von Badger’s Drift schienen auch ihren normalen Beschäftigungen nachgegangen zu sein. Einige hatten gearbeitet. Die Älteren waren zu Hause gewesen. Der Rest (mit Ausnahme von Mrs. Quine) hatte bei den Vorbereitungen in der Gemeindehalle geholfen. Die jungen Frauen, die die Gemeindehalle früh genug verlassen hatten, um sich im Farn vergnügen zu können, hatten ihre Kinder vom Schulbus abgeholt und waren mit ihnen nach Hause zur unschuldigen Teestunde gegangen. Am Abend waren einige mit drei Wagen nach Causton zum Gymnastikkurs gefahren, alle anderen waren daheim geblieben. Vorausgesetzt, daß das Pärchen im Wald zum Dorf gehörte, was Barnaby nach wie vor annahm, war der Kreis der Verdächtigen beträchtlich geschrumpft.

Er trank seinen Kaffee aus und registrierte erstaunt einen freundlich grinsenden Frosch mit Strohhut und Banjo auf dem Boden der Tasse, den die dunkle Flüssigkeit bedeckt hatte. Er wandte sich seufzend den Berichten der Spurensicherer zu, die die Funde des Tatorts ausgewertet hatten.

Auch hier gab es nichts Überraschendes. Das Speisekammerfenster war aufgebrochen worden, und man hatte Spuren des weißen Lacks auf dem Regal darunter gefunden. Leider hatte es an diesem Tag nicht geregnet, und weit und breit war nicht ein einziger Fußabdruck mit Sohlenprofil entdeckt worden. Keine Fingerabdrücke auf dem Telefontisch, selbst nicht am Telefonhörer - das war eigenartig, denn die letzte Person, die bekanntermaßen von Miss Simpsons Cottage aus telefoniert hatte, war Doktor Lessiter gewesen. Aus welchem Grund hätte er den Hörer abwischen sollen? Die Markierung in der Ausgabe des Julius Caesar hatte man analysiert - sie war mit einem Bleistift B 6 vorgenommen worden, eine nicht gerade häufig benutzte Sorte, aber auch nichts Außergewöhnliches. Den Stift hatte man nicht gefunden. Die Analysen hatten ergeben, daß sonstige Fingerabdrücke im Haus entweder von der Verstorbenen oder von Miss Lucy Bellringer stammten.

Er las den Bericht noch einmal, aber er hatte beim erstenmal kaum etwas übersehen. Nach der karierten Decke, die im Wald gelegen hatte, wurde noch gesucht, aber Barnaby hegte diesbezüglich keine großen Hoffnungen. Jemand, der so pedantisch alle Spuren verwischte, würde das Ding wohl kaum in den Kofferraum seines Autos oder auf dem Sofa liegen lassen. Natürlich war nicht allgemein bekannt, daß man Fasern der Decke sichergestellt hatte, und nicht alle wußten, daß Spermaflecken so verräterisch wie Fingerabdrücke waren. Vielleicht hatten sie doch noch Glück...