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»Lassen Sie es ihn versuchen. Komm, steh auf, Kleiner.«

Dennis kam schwankend auf die Füße - er lächelte immer noch. Sein ohnehin immer blasses Gesicht war jetzt weiß und wächsern.

»Sollen wir ihn ein bißchen sauber machen?«

»Verzeihung«, mischte sich Barnaby ein, »es darf nichts verändert werden.«

»Gut. Dann wollen wir mal.« Die Sanitäter verließen mit Dennis, der sich vertrauensvoll wie ein Kind an sie klammerte, das Zimmer. Barnaby folgte ihnen. Die Leute, deren schlimmste Erwartungen mehr als erfüllt wurden, spielten voll und ganz ihre Rolle - sie schnappten hörbar nach Luft und stießen entsetzte Schreie aus. Eine Frau sagte: »Und ich wollte schon nach Hause, um mir die Sechs-Uhr-Nachrichten anzusehen!«

»Könnten Sie bitte alles, was er am Leib trägt, in eine Plastiktüte stecken?« fragte Barnaby. »Ich schicke jemanden, der die Sachen abholt.«

»Alles klar.«

Barnaby kam in den Salon zurück, als Doktor Bullard das Kleid der Toten herunterzog und ein Thermometer schüttelte.

»Was denken Sie?«

»Oh, ich würde sagen, es ist ungefähr eine Stunde, höchstens anderthalb Stunden her.« Er versuchte den Schlitz im Kleid zuzuziehen. »Er hat offenbar eine Art Anfall geistiger Umnachtung gehabt.«

»Ich muß einen Mann ins Krankenhaus schicken. Ich möchte nicht, daß Dennis Rainbird allein bleibt.«

»Sie wissen sicher am besten, was in einem solchen Fall zu tun ist, Tom, aber ich kann Ihnen versichern, daß er nirgendwohin gehen wird, und er wird sich auch kein Leid antun.«

»Ich mache mir keine Sorgen, daß er sich etwas antut.« Er hörte, daß das Team der Spurensicherung ins Haus kam.

»Aber vielleicht sagt er irgend etwas, was uns weiterhelfen kann. Vielleicht hat er etwas gesehen. Er muß nach Hause gekommen sein, kurz nachdem es passiert ist.«

»Sie meinen ...? Oh, da habe ich wohl voreilige Schlüsse gezogen. Wie auch immer - ob Dennis oder nicht - wer immer das angerichtet hat, er muß total übergeschnappt sein.«

»Er?«

Der Doktor runzelte die Stirn. »So ist es doch immer, oder nicht? Bei einer brutalen Tat wie dieser.«

»Glauben Sie, daß eine Frau physisch dazu nicht in der Lage wäre?«

»Physisch vielleicht schon, wenn sie in Rage ist. Psychologisch und emotional - das ist etwas anderes. Es müßte schon eine ganz absonderliche Frau sein, die so etwas fertigbringt.«

Barnaby grinste. »Sie sind ein alter Chauvinist, George.«

»Das sagt meine Tochter auch immer. Wie dem auch sei«, er trat zur Seite, um dem Polizeifotografen Platz zu machen, »ich vermute, Mörder sind immer absonderlich.«

»Nicht unbedingt. Ich wünschte, sie wären es. Dann wäre es leichter, sie zu fangen.«

»Wurde die Leiche dort, wo sie jetzt ist, aufgefunden, Sir?« fragte der Fotograf.

»Ich glaube schon«, erwiderte Bullard.

Barnaby stimmte ihm zu. »Ich denke, er hat sie nur in den Arm genommen und festgehalten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er sie herumgeschleppt hat. Hier ist mehr Blut als sonst irgendwo.« Doktor Bullard schaute sich noch einmal kopfschüttelnd um. »Wer würde glauben, daß der menschliche Körper nur fünf Liter Blut enthält? Dabei hat sie längst nicht alles verloren.«

Barnaby betrachtete Mrs. Rainbirds massive Beine, die noch genauso plump und lebensecht aussahen wie vor ein paar Tagen. Ihre Füße waren nackt. Einer der kleinen goldenen, mit Straußenfedern verzierten Pantoffeln lag im Kamin - wie durch ein Wunder war er vom Blut verschont geblieben - der andere war nirgendwo zu sehen.

Immer mehr Menschen kamen in das Zimmer. Barnaby zog sich, froh, dem metallischen Gestank entkommen zu können, auf den Flur zurück und sprach mit dem Leiter der Spurensicherung. »Wird eine mobile Einheit eingerichtet und vor Ort arbeiten?«

»Ich habe bereits alles Nötige in die Wege geleitet. In einer Stunde dürften sie ankommen. Und außerdem hab’ ich der technischen Abteilung Bescheid gesagt - sie sollen ein Video für Sie machen.«

Barnaby nickte und suchte nach Troy. Vor dem Gartentor drängten zwei Polizisten die Menge zurück, die mittlerweile beträchtlich angewachsen war, und spannten ein Absperrungsband um den Garten. Obwohl Dennis Rainbird aus dem Haus geführt worden war und sein grausiger Anblick die makabersten Erwartungen erfüllt haben mußte, wurden Proteste über die Maßnahmen der Polizei laut. Troy, dessen Gesicht wieder eine normale Färbung angenommen hatte, kam über den Weg, der am Bungalow vorbeiführte, auf Barnaby zu.

»Wo, zum Teufel, waren Sie?«

»Ich hab’ mich nur dahinten ein wenig umgesehen, Sir, und etwas Ungewöhnliches gefunden.«

»Sie sollten es wirklich besser wissen, Troy, und nicht an einem Tatort herumtrampeln.«

»Ich bin nicht herumgetrampelt, ich war nur auf dem Betonweg. Kommen Sie, sehen Sie sich das an.« Er führte Barnaby zu einem kleinen Holzschuppen hinter dem Bungalow. Die Stufe davor und der Weg waren feucht. Barnaby suchte nach einem tropfenden Wasserhahn oder einem kaputten Gartenschlauch, entdeckte jedoch keins von beidem. »Es hat doch seit Tagen nicht geregnet, Sir«, meldete sich Troy wieder zu Wort.

»Nein.« Der Chief Inspector warf einen Blick durch das Schuppenfenster. Auf dem Boden neben einem Rasenmäher war eine große Wasserpfütze, aber nirgendwo befand sich ein Behälter, der ein Leck haben könnte. Natürlich wurden alle Nebengebäude später gründlich durchsucht, und es wäre reine Zeitverschwendung, in diesem Stadium fruchtlose Vermutungen anzustellen. Troy wirkte selbstgefällig und sah seinen Boß an wie ein Hund, der das Stöckchen zurückgebracht hatte und belohnt werden wollte.

Barnaby wurde ärgerlich. »Fühlen Sie sich inzwischen besser?« erkundigte er sich unfreundlich.

»Ich?« Der Sergeant schien gar nichts mehr zu begreifen. »Mir geht’s gut.«

Der hintere Teil des Gartens wurde von einer dichten Weißdornhecke begrenzt, und ein grünes Tor führte auf einen schmalen Weg, den auf der anderen Seite ein Gewirr von wilden Heckenrosen und Haselnußsträuchern säumte. Der Weg und die letzten Quadratmeter des Gartens waren von den oberen, dreckverkrusteten Fenstern des Nachbarhauses, Burnham Crescent Nummer sieben, einsehbar. Das hatte Mrs. Rainbird sicher nicht gefallen. Barnaby hörte Schritte und öffnete das grüne Gartentor.

»Guten Tag, Mr. Lacey.«

»Hoppla.« Michael Lacey blieb abrupt stehen und starrte die beiden Männer an. »Unsere Freunde und Helfer, die Schnüffler, springen aus den Hecken, um unschuldige Spaziergänger zu erschrecken.«

»Können Sie mir bitte sagen, wohin Sie gehen?«

»Ich nehme die Abkürzung zum Black Boy. Soweit mir bekannt ist, ist das keine kriminelle Handlung.«

»Ein bißchen früh für den Pub, meinen Sie nicht auch?«

»Mrs. Sweeney macht auf, wenn jemand an den Rolladen klopft, und dann gibt’s auch etwas zu trinken«, erwiderte Lacey und stürmte davon, noch ehe Barnaby etwas sagen konnte.

»Ich glaube das nicht«, murmelte Troy. »Er wollte gar nicht wissen, was wir hier tun. Er hat keine einzige Frage gestellt. Und vor dem Haus steht das halbe Dorf und glotzt sich die Augen aus. Gibt’s das, daß jemand so uninteressiert ist?«

»Desinteressiert. Er weiß nichts davon, daß sich die Leute auf der Straße drängen, wenn er direkt vom Holly Cottage kommt und durch den Wald gegangen ist.«

»Und warum macht er sich wie der Blitz davon?« Troy schürzte die Lippen, bevor er hinzusetzte: »Der Mörder kehrt an den Ort des Verbrechens zurück.«

»Kaum jemals, Sergeant«, entgegnete der Chief Inspector, »wenigstens nicht, wenn es kein Verbrechen innerhalb der Familie war. Soviel hätten Sie inzwischen schon gelernt haben müssen.«

»Aber es besteht doch ein Zusammenhang, oder, Sir?« erkundigte sich Troy. »Zwischen den beiden Mordfällen.«