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»Phyllis.« Henry rollte in die Eingangshalle, Katherine hielt sich dicht hinter ihm. »Was, um alles in der Welt, ist hier los? Was ist passiert?«

»Das wirst du noch früh genug erfahren.« Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, lief sie zur Tür. Troy rannte ihr nach. Barnaby drückte die Tür hinter ihnen zu und drehte sich zu Henry und Katherine um.

»Tut mir leid, daß ich Ihnen das sagen muß, Mr. Trace, aber Miss Cadell hat gerade ein Geständnis abgelegt - sie hat Ihre Frau ermordet.«

»Das ist nicht möglich!« rief Katherine verblüfft.

Henry schien es die Sprache verschlagen zu haben. Nach einer Weile fragte er leise: »Sind Sie sicher? Da muß ein Irrtum vorliegen. Ich kann das einfach nicht glauben.«

»Ich fürchte, es besteht kein Zweifel.« Barnaby öffnete die Haustür. »Wir haben sie verhaftet. Vielleicht möchten Sie sich mit einem Anwalt in Verbindung setzen.« Er verabschiedete sich und stieg zu Troy und Miss Cadell in den Wagen.

7

Barnaby saß hinter seinem Schreibtisch. Er schob die Tranquillada-Akte beiseite und konzentrierte sich auf seinen Kaffee. Vor ein paar Minuten hatte er mit dem Krankenhaus telefoniert und erfahren, daß sich Dennis Rainbirds Zustand nicht geändert hatte, er sich aber weiterhin ganz wohl fühlte. Das bezweifelte Barnaby. Das bezweifelte er sogar sehr. Sobald Dennis Rainbirds Erinnerungsvermögen zurückkäme, würde er sich nicht mehr wohl fühlen, bis der Mörder seiner Mutter gefaßt war. Barnaby war sicher, daß Dennis über all das, was seine Mutter über andere Leute in Erfahrung gebracht hatte, auch Bescheid wußte. Und was, außer einer andauernden Geistesverwirrung, konnte ihn jetzt noch davon abhalten, sein Wissen preiszugeben? Deshalb hatte Barnaby je eine Wache vor dem Krankenzimmer und neben dem Krankenbett postiert.

Barnaby hatte den Zeitungsartikel über die Voruntersuchung im Todesfall Bella Trace vor sich liegen. Jetzt kannte er die Wahrheit und erinnerte sich an seinen ersten Eindruck, daß irgend etwas nicht so recht zusammenpaßte. Er las den Artikel noch einmal Wort für Wort durch, in der Annahme, dieses Gefühl hätte sich inzwischen in Luft aufgelöst, aber er irrte sich. Ah, egal... das war jetzt nicht mehr wichtig.

Um ihn herum herrschte geschäftige Aktivität, und ständig klingelte irgendwo ein Telefon. Die Fleet Street interessierte sich ebenso wie der Sender BBC für die Vorgänge in Badger’s Drift. Obwohl bis jetzt noch kein Aufruf an die Bevölkerung ergangen war, meldeten sich etliche Leute, die natürlich erpicht darauf waren, eine wichtige Rolle bei einem derart dramatischen Ereignis zu spielen, und versorgten die Polizei mit Informationen und Angeboten.

Überall stapelte sich Papier. Jedes kleinste Detail wurde notiert, und alles, was bis jetzt noch nicht auf Karteikarten übertragen worden war, flatterte von Schreibtisch zu Schreibtisch. Analysen und Berichte aus dem Labor wurden an die Ermittler in der Baracke durchgegeben. Eine stark vergrößerte Karte des Dorfes und der Umgebung hing hinter Barnaby an der Wand. Auf den Fernsehbildschirmen war ein Lokalreporter zu sehen, der Mrs. Sweeney und Mr. Fenston interviewte, den Seniorpartner des Bestattungsinstituts (»Wir bieten Trost in der Stunde der Not«). Die Dorfbewohner gaben Polizisten Auskunft, wo sie sich zur Tatzeit, also zwischen drei und fünf Uhr nachmittags, aufgehalten hatten. Die in einem solchen Fall üblichen Routinearbeiten wurden gewissenhaft erledigt. Und obwohl Barnaby wußte, daß all die Dinge getan werden mußten, weigerte sich sein Verstand, die Details der Ermittlungsergebnisse aufzunehmen.

Seiner Ansicht nach gab es fünf Verdächtige (er hatte sich entschieden, Henry Trace auszuschließen, und Lessiter hatte ein bestätigtes Alibi), und diese fünf bewegten sich in einem bedächtigen Tanz vor seinem geistigen Auge. Wo er auch war, mit wem er auch sprach und was er auch tat, der Tanz ging weiter. Er trank seinen Kaffee aus - und sah diesen albernen Frosch wieder.

Es war kurz vor neun Uhr abends. Er kritzelte eine Bestellung für den Straßenverkauf des chinesischen Restaurants auf ein Papier - Ingwersuppe, süß-saure Garnelen, Reis und Frühlingsrollen, kandierte Äpfel - und gab sie gerade weiter, als das Telefon klingelte.

»Eine Mrs. Quine möchte Sie sprechen, Sir. Sie ist in einer Telefonzelle. Ich habe die Nummer notiert.«

»Gut... Mrs. Quine?«

»Hallo ? Was ist los ... hat Ihnen der Kerl in dieser Baracke nicht ausgerichtet, was ich gesagt habe? Über diesen Lacey?«

»Doch. Ich habe die Nachricht erhalten.«

»Wieso strolcht er dann immer noch im Dorf herum? Soll er uns erst alle aufschlitzen und in Stücke schneiden, bevor ihr eure Hintern in Bewegung setzt und etwas unternehmt? Ich hab’ gesehen, daß er frech wie Rotz auf das Haus zugegangen ist.«

»Wir auch ...« Barnaby hielt inne. Um ihn herum schrillten die Telefone, eine Schreibmaschine klapperte, draußen hielt ein Wagen mit quietschenden Reifen. Er hörte nichts von alldem. Er konzentrierte sich voll und ganz auf eine einzige Kleinigkeit. Es gab nur noch ihn, das Telefon und Mrs. Quine. Seine Kehle war staubtrocken, als er fragte: »Sie meinen, Sie haben gesehen, wie er auf das Haus zuging?«

»Das hab’ ich doch gesagt, oder? Der andere Polizist sollte ihnen das ausrichten. Er ging über den Gartenweg zur Hintertür. Er hatte den ollen Overall an und die Mütze auf dem Kopf. Ich würde ihn überall erkennen.«

»Um wieviel Uhr war das?«

»Also ... Die fliegenden Ärzte waren gerade zu Ende, und die nächste Serie hatte noch nicht angefangen. Ich war oben, um die Betten zu machen - deshalb konnte ich ihn sehen. Durch das Schlafzimmerfenster. Lisa Dawn machte Tee in der Küche.«

»Ja«, sagte Barnaby und wunderte sich selbst, daß seine Stimme so ruhig blieb, »aber wie spät war es da?«

»Das war um ... äh... fünf vor vier.«

Barnaby richtete sich auf und umklammerte den Hörer fester. Mrs. Quirie plapperte noch eine ganze Weile weiter, aber ihre Worte prallten an ihm ab. In seinem Kopf war alles in Aufruhr. Fünf vor vier. Lieber Gott. Fünf vor vier. Ein paar Worte sickerten zu ihm durch.

»Haben Sie diesen neugierigen Kerl vom Jugendamt zu mir geschickt? Lisa Dawn war ganz durcheinander.«

Mrs. Quine gingen die Münzen aus, und das Freizeichen ertönte. Barnaby machte sich auf die Suche nach Inspector Moffat, um sich Durchsuchungsbefehle zu beschaffen. Als er durchs Vorzimmer marschierte, brüllte er: »Troy!« Der Schrei war sicher noch auf dem Rindermarkt und im Café an der übernächsten Straßenecke zu hören. Sein Sergeant unterbrach seinen glutäugigen Flirt mit der Polizistin Brierley, sprang auf und rief ebenso laut: »Sir!«

»Den Wagen. Setzen Sie sich in Bewegung!«

Troy gab noch einmal ein donnerndes »Sir!« von sich und rannte los. So mag ich’s, dachte er, als er den Parkplatz erreichte und in den Fiesta sprang. Mit heulender Sirene und Vollgas. Der Fall war gelöst, der Schurke auf der Flucht, er und Barnaby blieben ihm dicht auf den Fersen und hielten die Handschellen bereit. Aber der Chief Inspector wurde langsam alt. Zu seiner Zeit war er vielleicht flink gewesen, aber heute ... Also mußte Troy dafür sorgen, daß die Halunken hinter Schloß und Riegel kamen. Er war ein zäher Bursche - einer der ganz harten Männer. Und später würde Barnaby eingestehen: »Ohne Sie, Sergeant, hätte ich nicht...«

»Um Himmels willen, sitzen Sie nicht rum, Sergeant! Fahren Sie los.«

»Ja, Sir.«

»Nach Badger’s Drift, und schalten Sie die verdammte Sirene aus.« Von langsam fahren hatte er nichts gesagt, und Troy drückte aufs Gas, als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten.

»Was ist los, Sir?« Barnaby erzählte es ihm, und Troy pfiff durch die Zähne. »Menschenskind, dann haben wir ihn also.«

»Behalten Sie die Straße im Auge.«