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»Sie wissen ja, wo Sie mich finden.« Sie drehte sich auch um, blieb abrupt stehen und starrte über Barnabys Schulter. Ihr Mann stand auf der Schwelle. Barnaby sah ihm ins Gesicht, als er vorbeiging. Zorn und Triumph schienen in seinem Inneren um die Vorherrschaft zu kämpfen.

Als die Haustür hinter dem Chief Inspector ins Schloß fiel, sagte Trevor Lessiter: »An deiner Stelle wäre ich mir nicht so sicher, ob du nach wie vor hier zu finden bist.«

»Wieviel hast du gehört?«

»Mehr als genug.« Zorn und Triumph machten einer tiefen Befriedigung Platz. Er musterte sie eingehend und unterzog sie einer genauen Prüfung. In letzter Zeit kam sie jeden Morgen ohne das, was sie Kriegsbemalung nannte, zum Frühstück. In den ersten Monaten ihrer Ehe hätte sie das niemals getan. Jetzt zeigte sich ihr wirkliches Alter. Einen solchen Gimpel wie ihn würde sie nicht so schnell wieder finden. Aber vielleicht brauchte sie das auch gar nicht. Wenn sie richtig spurte. Tat, was man ihr sagte. Sie hatte zuviel Zeit für sich, das war das Problem. Zuviel Zeit und zuviel Geld. Zuallererst würde er ihr das Taschengeld streichen. Außerdem mußte sie in Zukunft ohne Auto und ohne Mrs. Holland auskommen. Ein Haus dieser Größe sauber und in Ordnung zu halten, für drei Personen zu kochen und die normalen Pflichten einer Arztfrau sollten sie einigermaßen auf Trab halten. Und er würde sicherstellen, daß sie ihn nicht mehr so kurz hielt. Jede Nacht einmal, und wenn ihm danach zumute war, auch öfter. Außerdem gab es da noch ein paar interessante Variationen, die er im Casa Nova kennengelernt hatte. Sie konnte das alles lernen, damit er nichts entbehren mußte. Natürlich würde er weiterhin in den Club gehen - schließlich konnte er die kleine Krystal nicht enttäuschen - aber natürlich nicht mehr so oft. Er dachte an das viele Geld, das er in den letzten Jahren dort ausgegeben hatte, während seine Frau ... Er erinnerte sich an seinen Blutdruck und versuchte, ruhig zu bleiben. Ja, das Miststück hatte eine Menge gutzumachen (die ewig verschlossene Tür, die häufigen Kopfschmerzen, die bissigen Bemerkungen), aber sie würde Wiedergutmachung leisten, oder sie mußte gehen. Er sah das geschmacklose, schäbige Loch wieder vor sich, in dem sie vor ihrer Hochzeit gehaust hatte. Das hätte ihm von Anfang an zu denken geben müssen. Sie würde alles tun, um nie wieder so tief zu sinken. Sie würde in Zukunft nach seiner Pfeife tanzen. Er malte sich voller Freude seine rosige Zukunft aus und erklärte seiner Frau die neue Situation.

Barbara hörte zu, während er eine Bedingung nach der anderen aufzählte. Hin und wieder wippte er auf den Fußballen und kratzte sich mit gespreizten Fingern den Schmerbauch. Er erwartete, daß sie in Zukunft dies und das tat. Sie würde der unförmigen, froschäugigen Göre Judy eine liebende Mutter sein und die Klagen seiner von Bazillen verseuchten Patienten geduldig anhören und sich liebevoll um sie kümmern. Selbst viergängige, selbst zubereitete Menüs kamen zur Sprache.

Sie dachte an das Erpressungsgeld, das sie oben in ihrer Handtasche hatte. Viertausend Pfund. Und sie hatte noch ihre Uhr, die sie verkaufen konnte. Sie könnte genug zusammenkratzen, um ein Haus anzuzahlen. Aber was für ein Haus wäre das? Ein winziges, heruntergekommenes Ding wie das, in dem ihre Eltern nach wie vor wohnten, falls sie überhaupt noch am Leben waren. Das wäre ein bißchen viel verlangt, nur um sich an jemandem zu rächen. Und womit sollte sie die Hypothek bezahlen? Was für einen Job würde sie in ihrem Alter schon bekommen? Natürlich konnte man Zimmer vermieten, wenn man ein eigenes Haus hatte. Mit freiwilligen Extraleistungen, falls es gewünscht wurde. Aber wenn sie sich schon den Rest ihres Lebens mit einem widerlichen Kerl im Bett herumwälzen mußte, warum dann nicht hier im Luxus? Sie konnte immer die Augen zumachen und von Capri träumen. Oder von Ibiza. Oder von der Cote d’Azur.

Sie schaute aus dem Fenster auf das grüne Gras, auf dem die Tropfen der Sprinkleranlage glitzerten. Auf die blühenden Bäume und die Terrasse mit den Sonnenschirmen, den Tischen und Blumenschalen. Dann ließ sie den Blick durch das Zimmer schweifen. Dicke chinesische Teppiche, bequeme Sofas, Onyx-Tische. Und dafür brauchte sie nichts weiter zu tun, als jemandem etwas vorzumachen. Das war zu schaffen. Schließlich hatte sie ihr Leben lang nichts anderes getan.

Sie sah ihn an. Er war wirklich in Fahrt. Angriffslustig blitzende Augen, ein paar Schaumbläschen auf den Lippen und ein boshaftes Grinsen. Sie würde ohne eigenen Wagen zurechtkommen müssen. Drei Autos in einem Haushalt waren lächerlich. Eine Kündigung für Mrs. Holland und die drastische Verkürzung der Stunden für den Gärtner, das waren die ersten Maßnahmen, die in diesem Haus ergriffen würden. Es konnte Barbara nicht schaden, wenn sie erfuhr, wie es war, jeden Tag hart arbeiten zu müssen. Und auch nachts ihre Pflicht zu tun. Die Zeit des Schmarotzens war vorbei. Ah - das hatte ins Schwarze getroffen. Zumindest hatte sie jetzt begriffen, wer in diesem Haus die Hosen anhatte. Sie kam mit einem liebevollen Lächeln auf ihn zu, streckte die Hand aus und legte sie sanft auf seinen Arm. »Verpiß dich, Pookie«, sagte sie.

11

Barnaby saß am Ende der Church Lane in seinem Wagen. Die Fenster waren heruntergekurbelt, und die Sonne wärmte sein Gesicht. Er dachte nach.

Laceys Alibi war, wie er es erwartet hatte, bestätigt worden. Der Mann hatte Iris Rainbird nicht ermordet. Trotzdem hatte er versucht abzuhauen. Warum? War er wirklich in Panik geraten? Hatte er Angst vor einer Intrige gehabt? Davor, daß ihm ein Unbekannter das Verbrechen in die Schuhe schieben wollte? Eine plausible Theorie. Barnaby hatte schon erlebt, daß mutigere Männer wegen weniger durchdrehten. Lacey war losgerannt wie ein geölter Blitz, dennoch hatte Troy, der sich erst vom Boden aufrappeln mußte, ehe er die Verfolgung aufnehmen konnte, den Mann nur wenige Meter vom Haus entfernt erwischt.

Barnaby sah die Szene wieder vor sich - Laceys Gesicht. Erst Verwunderung. Dann Panik. Und noch etwas. Sie hatten sich angesehen, kurz bevor Lacey auf dem Autorücksitz gelandet war, und Barnaby hatte etwas in seinen Augen gesehen. Was? Barnaby geriet ins Schwitzen, als er sich verzweifelt an diese wenigen flüchtigen Sekunden zu erinnern versuchte.

Plötzlich wußte er es. Erleichterung - Lacey hatte befreit aufgeatmet. Nach dieser Erkenntnis ließ Barnaby die Ereignisse im Holly Cottage noch einmal Revue passieren. Lacey rannte, wurde gefaßt - und zwar früher, als es nötig gewesen wäre - und war erleichtert. Und wann genau war er losgelaufen? Nicht, wie man meinen könnte, als das Messer entdeckt wurde. Minuten später - in dem Augenblick, in dem Barnaby wieder ins Atelier gehen wollte. Das mußte es sein. Sie hatten etwas im Holly Cottage gefunden. Aber sie hatten nicht das gefunden, was Lacey unbedingt vor ihnen geheimhalten wollte.

Barnaby stieg aus und überquerte die Straße. Sein Mund war trocken, und sein Herz klopfte wild. Er stellte sich das Atelier vor. Ordentlich aufgeräumt. Professionell. Tischblöcke mit Holzplatten. Pinsel und Farben. Nichts Auffallendes, aber als er über den Feldweg lief, gewann er mehr und mehr die Überzeugung, daß ihn seine Ahnung nicht trog.

Das Holly Cottage wirkte kälter und unwirtlicher denn je. Barnaby öffnete die Haustür und rief: »Miss Lacey!« Er hielt es für unwahrscheinlich, daß sie hier übernachtet hatte, aber falls doch, wollte er sie nicht erschrecken. Niemand antwortete. Er trat über die Schwelle ins Atelier.

Alles sah genauso aus wie gestern. Er hob die Gläser, Tuben und Tiegel hoch, öffnete sie und roch daran. Sie schienen nichts Ungewöhnliches zu enthalten. Die Pinsel waren nur Pinsel. In dem Eckschrank stapelten sich Bücher und Kataloge. Er schüttelte alle aus. Kein belastender Brief fiel auf den Boden. Da waren ein Fläschchen mit reinem Alkohol, ein paar farbverschmierte Lumpen, einige saubere, zusammengefaltete Tücher. Auf dem Fensterbrett stand nichts. Barnaby sah sich die Bilder genauer an.