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»Ahhh.« Miss Bellringer nickte. »Das muß die Erklärung sein.«

»Nachdem sie sich gewaschen und umgezogen hatte«, Barnaby sah das Mädchen wieder in einem ironischerweise schneeweißen Kleid vor sich, »huschte sie durch die Vordertür aus dem Rainbird-Bungalow - natürlich vergewisserte sie sich vorher, daß niemand in der Nähe war - und klopfte dann von außen so kräftig an, daß sie die Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Mrs. Sweeney, die das Klopfen hörte und beobachtete, wie sie die Pilze auf die Treppe legte und ging, nahm an, wie jeder es getan hätte, daß sie auch über die Straße und den vorderen Gartenteil gekommen war.«

»Aber die blutverschmierten Kleider... die Mütze und alles andere. Und sagten Sie nicht auch etwas von einer Decke? Wissen Sie, was damit geschehen ist?«

»O ja ... die Decke lag zusammengerollt an der Hecke im hinteren Gartenteil. Michael holte sie dort ab, als er von den Lessiters zurückkam, und versenkte sie wieder im Weiher, aus dem sie die Rainbirds ein paar Tage zuvor gefischt hatten. Die Kleider packte Katherine schlicht und einfach in den Korb mit den Pilzen und nahm sie mit. Es war ein sehr großer Korb, und als ich ihn in der Küche sah, war er gerade mal halbvoll, also war noch genug Platz für die Sachen. Von den Rainbirds aus ging sie zum Holly Cottage, versteckte das Messer - fast zu gut, wie sich später herausstellte -, deponierte die blutigen Kleider vorübergehend im Wald und kehrte zum Tye House zurück.«

»Was soll das heißen? Was meinen Sie mit der Bemerkung über das Messer?«

»Wir hatten eine Durchsuchungserlaubnis für das Haus. Wenn sie das Messer in die Küchenschublade oder in Michaels Schlafzimmer gelegt hätte, wären wir vermutlich nie ins Atelier gegangen. Später fanden wir dort nämlich den entscheidenden Hinweis.«

»Sie dachten bestimmt, daß Sie überall suchen würden, Chief Inspector.«

»Normalerweise tun wir das auch, aber Lacey setzte, wie ich später begriff, alles daran, uns aus dem Haus zu locken. Ich konnte mich nur kurz im Atelier umsehen, und mir fiel nichts Außergewöhnliches auf. Aber als wir mit dem Wagen durchs Dorf fuhren, begegnete uns Katherine. Ihr Bruder rief ihr zu: >Sieht aus, als wär’ ich ziemlich abgemalt< und beschrieb mit den Händen ein Viereck um sein Gesicht. Ich hielt das für gespielte Tapferkeit, aber die Botschaft hätte nicht deutlicher sein können. Was ist schon gemalt, wenn nicht ein Bild? Und warum schloß er das Cottage nicht ab, wenn es so viel enthielt, was für ihn von großem Wert war? All seine Arbeiten waren dort, und er behauptete, er würde die Haustür nie zusperren. Irgend etwas mußte aus dem Atelier entfernt werden, aber wenn die Tür verschlossen gewesen wäre, hätte nur Katherine, die einen Schlüssel besaß, Zugang gehabt. So konnte jeder ins Haus, und wenn wir etwas bemerkt hätten, wäre der Verdacht nicht zwangsläufig auf Katherine gefallen.«

»Ja... das leuchtet mir ein. Aber was wurde entfernt? War es ein Bild? Wieso war das so wichtig?«

Barnaby nippte an seinem Whiskyrest, lehnte sich wieder zurück und überlegte, wie er seine Antwort formulieren sollte. Er erinnerte sich noch allzu gut an das Bild und hörte Troys Schrei: »Aber... wer ist das?« Es war wie ein Schlag in die Magengrube gewesen, und er war fast ebenso bestürzt wie Troy, als er das Bild sah. Katherine Lacey war praktisch nicht wiederzuerkennen. Es war der erotischste Akt, den er je gesehen hatte. Sie lag ausgestreckt auf dem breiten Bett, und obwohl ihre Pose auf einen postkoitalen Augenblick schließen ließ, waren ihre Glieder nicht entspannt oder gelöst. Die Gestalt schien nichts als Stärke und Kraft auszustrahlen. Ihre Haut glänzte vor Schweiß, die Beine und Arme pulsierten vor Energie, und man hatte den Eindruck, auf der Leinwand die Bewegung zu sehen. Die hingestreckte Frau wirkte gierig und unheimlich. Barnaby fühlte sich an eine Gottesanbeterin oder eher an eine lauernde Schwarze Witwe erinnert - verführerisch und tödlich. Sie sah auf dem Gemälde größer aus als die Frau, die er kannte. Hals und Schultern waren dick und kräftig, ihre Brüste prall, der Bauch stark gewölbt.

Trotz allem war das Gesicht das erschütterndste. Es war das Gesicht einer Frau in Raserei: die feuchten roten Lippen verzogen zu einem grausigen Lächeln - gierig, wollüstig und grausam. Die Augen glitzerten vor ruchloser Befriedigung. Nur ihr Haar war erkennbar, aber selbst das schien ein Eigenleben entwickelt zu haben, es wand sich wie Schlangen in einem Nest. Barnaby hatte das Gefühl gehabt, daß diese Frau jeden Augenblick von der Leinwand springen und ihn verschlingen würde.

Miss Bellringer wiederholte ihre Frage. Barnaby, der spürte, daß ihm bei der Erinnerung an das Bild das Blut ins Gesicht geschossen war, erwiderte: »Es war ein Porträt von seiner Schwester, das wenig Zweifel an der Art ihrer Beziehung ließ.« Kein Wunder, dachte er, daß das schmale Bett immer unberührt ausgesehen hat. Wahrscheinlich hatte sie seit Mrs. Sharpes Auszug kein einziges Mal mehr dort geschlafen. Und jetzt wußte er auch, warum Katherine nicht in das viel größere, freigewordene Zimmer umgezogen war.

»Sie waren ganz schön gerissen... und dann dieses schreckliche Ende.«

»Ja. Eigenartigerweise sagte mein Sergeant schon sehr früh etwas, was ein Fingerzeig hätte sein können, wenn ich nur so viel Verstand gehabt hätte, ihn zu erkennen. Ihm war aufgefallen, daß Mrs. Lessiter sehr unfreundlich über Lacey sprach, und er meinte, es wäre nicht das erste Mal, daß eine verheiratete Frau in der Öffentlichkeit so tut, als könne sie ihren Liebhaber nicht leiden, um die Leute zu täuschen.«

»Die Laceys waren jedenfalls sehr überzeugend.«

»Mmm. Da war eine Episode, die mir großes Kopfzerbrechen gemacht hat. Troy und ich ...«

»Ich mag den Mann immer noch nicht.«

Barnaby lächelte zurückhaltend und fuhr fort: »Wir gingen zu Fuß zum Holly Cottage und hörten, daß sich die Laceys anschrien und schrecklich stritten. Später, als ich ziemlich sicher sein konnte, daß sie die Täter waren, wußte ich beim besten Willen nicht, wie ich diese Szene einordnen sollte. Warum spielten sie das Theater, das nur für die Öffentlichkeit bestimmt war, weiter, wenn sie allein waren? Das machte keinen Sinn. Ich fürchte, die Tatsache, daß ich die Auseinandersetzung mitangehört hatte, hat die Lösung des Falls sogar behindert. Aber als wir von Saint Leonards zurückfuhren, fiel mir auf, daß mein Sergeant ständig in den Rückspiegel schaute, und da wurde mir klar, daß der Streit meinetwegen inszeniert worden war. Wir waren zwar hinter der hohen Hecke verborgen, aber sie konnten im Spiegel, der an der Ausfahrt angebracht ist, sehen, daß wir auf das Haus zugingen.«

Lange sagte niemand etwas, dann meinte Miss Bellringer: »Das war’s dann also? Das letzte Teilchen fiel an seinen Platz.«

Barnaby trank sein Glas aus und aß den letzten Bissen Kuchen. Erst vor zwei Wochen war seine Gesprächspartnerin in seinem Büro gesessen, hatte in ihrer riesigen Tasche gekramt und ihn mit blitzenden Augen angesehen, aber ihm kam es vor, als wäre dies vor langer Zeit geschehen. Was hatte sie gerade gesagt? Das letzte Teilchen? Ja, so mußte es sein. Das vage Gefühl, daß es noch ein loses Ende gab, mußte er wohl seinem angeborenen Zweifel an einer ordentlichen Welt zuschreiben.

Es gab nichts mehr zu sagen. Er stand auf. Lucy Bellringer tat es ihm gleich und streckte ihm die Hand entgegen. »Leben Sie wohl, Chief Inspector. Es war sehr anregend, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Wie ich mich jemals wieder in der langweiligen Alltagsroutine zurechtfinden soll, weiß ich wirklich nicht.«

Barnaby drückte ihr die Hand und erwiderte aufrichtig: »Ich kann mir nicht vorstellen, daß in Ihrer Gegenwart irgend etwas langweilig sein kann.«

Als er zum Rastplatz ging, auf dem er seinen Wagen abgestellt hatte, kam er am Friedhof vorbei. Er zögerte einen Moment, dann ging er hinein. Er umrundete das Gebäude, passierte das Tor in der Buchsbaumhecke und steuerte den Teil mit den frischen Gräbern an.