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»Wie bitte?«, fragte Balduin spröde.

»Ich will nicht respektlos erscheinen, Majestät«, sagte Dariusz. Er hielt Balduins Blick weiter stand, und seine Stimme verlor auch nicht an Sicherheit. Robin war noch immer zutiefst verwirrt - wie jedermann hier. Aber da war auch plötzlich ein neues, ungutes Gefühl in ihr. Irgendetwas war hier nicht so, wie es schien. »Es ist nur so, dass es von existenzieller Bedeutung für unseren Orden war, dass ... Bruder Robin die Schlacht überlebt und unbeschadet hierher zurückkehrt.«

Ein eisiger Schauer lief Robin über den Rücken, als sie hörte, wie Dariusz das Wort Bruder aussprach. Auch Ridefort sah plötzlich zutiefst verwirrt aus und warf ihr einen raschen, verstörten Blick zu.

»Bruder Robin?«, vergewisserte sich Balduin. »Ich habe Euch richtig verstanden, Dariusz? Wir sprechen von demselben Ritter Robin, einem Eurer jüngsten Ordensbrüder, über den kaum jemand etwas weiß?«

Dariusz schwieg.

»Ich verstehe«, sagte Balduin. Er schoss einen ärgerlichen Blick in Rideforts Richtung ab, dann hob er die Arme und klatschte zweimal in die Hände. »Alles hinaus!«, befahl er lautstark. »Lasst uns allein! Alle!«

Die Männer des Lazarusordens gehorchten schweigend, während die beiden Tempelritter neben der Tür erst gingen, nachdem ihnen Ridefort mit einem kaum merklichen Nicken sein Einverständnis signalisiert hatte. Auch Rother wollte sich umwenden, doch Abbé hielt ihn rasch am Arm zurück und schüttelte den Kopf.

»Nun?«, fragte Balduin, nachdem sie allein waren. Er klang mittlerweile hörbar ungeduldig. Als Dariusz nicht schnell genug antwortete, fuhr er mit einer ärgerlichen Bewegung zu Ridefort herum. »Marschall! Würdet Ihr Euren sonderbaren Bruder vielleicht davon in Kenntnis setzen, dass ich hier derjenige mit einer Schwäche für dramatische Auftritte bin?«

»Majestät, bitte«, sagte Dariusz mit perfekt gespielter Nervosität. »Ich weiß, mein Verhalten muss Euch sonderbar vorkommen, aber es ... es fällt mir nicht leicht weiterzusprechen. Was ich Euch ...«, er wandte sich mit ernstem Gesichtsausdruck an Ridefort, »... und Euch zu sagen habe, ist fast zu ungeheuerlich, um es auszusprechen.«

»Und was sollte das Ungeheuerliches sein?«, fragte Ridefort.

Robins Herz begann immer heftiger zu klopfen. Es war alles verloren. Dariusz wusste Bescheid. Er hatte es die ganze Zeit über gewusst, schon bevor sie sich in dem kleinen Fischerdorf an der Küste wiedergesehen hatten. Und er hatte bis zu diesem Moment gewartet, um ihr Geheimnis zu offenbaren. Sie warf einen stummen, flehenden Blick in Abbés Gesicht, aber was sie sah, steigerte ihre Verwirrung eher noch. Von allen hier im Raum war Abbé der Einzige, der genauso gut wie sie wusste, worauf Dariusz hinauswollte, und doch wirkte er nicht im Geringsten beunruhigt. Im Gegenteil. Sie meinte sogar, etwas wie ein Lächeln zu erkennen, tief in seinen Augen.

Dariusz spielte weiter perfekt den Erschütterten. Bevor er weitersprach, drehte er sich demonstrativ zu Robin um und maß sie mit einem langen, ebenso durchdringenden wie eisigen Blick. Dann wandte er sich wieder Ridefort und dem König zu. »Bitte vergebt mir, Bruder Gerhard«, sagte er. Seine Stimme klang ruhig, aber auf jene bestimmte Art beherrscht, als brauche er seine ganze Kraft dazu. »Was ich getan habe, war falsch, das weiß ich. Und wenn Ihr mich dafür bestrafen wollt, so werde ich klaglos jede Strafe annehmen, die Ihr aussprecht. Doch was ich getan habe, geschah nur aus dem Wunsch heraus, Schaden von unserem Orden fern zu halten.« Er atmete hörbar ein und streifte Robin wieder mit einem kurzen, eisigen Blick. »Es ist wahr, dass ich Bruder Robin als Einzigem unter allen Tempelrittern das Privileg gewährt habe, die Nacht vor der Schlacht in einem eigenen Zelt zu verbringen. Und das geschah aus dem gleichen Grund, aus dem ich ihm während des größten Schlachtgetümmels den Befehl erteilt habe, nicht zu kämpfen und am Schluss zu fliehen.«

»Und warum?«, fragte Balduin.

»Weil ich auf keinen Fall zulassen konnte, dass Robin verletzt oder gar tot auf dem Schlachtfeld aufgefunden wird«, antwortete Dariusz.

Natürlich nicht, dachte Robin bitter. Plötzlich war ihr alles klar. Er hatte sie hier gebraucht. Genau hier und in dieser Situation. Panik griff nach ihr.

»Kurz vor der Schlacht«, fuhr Dariusz fort, »habe ich etwas erfahren, was auf keinen Fall allgemein bekannt werden darf. Ein Geheimnis, das durchaus die Existenz unseres Ordens bedrohen könnte.«

»Und welches Geheimnis wäre das?«, fragte Balduin.

Statt zu antworten, zog Dariusz seinen Dolch. Balduin wich einen halben Schritt zurück, und Ridefort und Abbé legten gleichzeitig die Hand auf ihre Waffen, doch Dariusz machte auch zugleich eine rasche, besänftigende Geste mit der freien Hand.

»Nein, keine Sorge«, sagte er. »Ich will niemandem etwas zuleide tun, das schwöre ich. Doch was ich Euch zu sagen habe, ist zu ungeheuerlich. Ihr würdet es mir nicht glauben. Deshalb will ich, dass ihr alle Euch Bruder Robin anseht!«

Und damit fuhr er herum, war mit einem einzigen Schritt bei ihr und schlitzte ihr Kleid vom Halsausschnitt bis zur Hüfte auf.

Es ging viel zu schnell, als dass Robin noch irgendetwas tun konnte. Dariusz’ Klinge zerteilte den zähen Stoff mit einem reißenden, seidigen Laut, ohne dass die Klinge ihre Haut auch nur berührte. Der zerrissene Stoff rutschte rechts und links von ihrer Schulter, und Dariusz packte sie grob am Arm und riss sie so brutal herum, dass sie beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.

Die Zeit schien stehen zu bleiben. Robin erschrak nicht einmal wirklich, aber sie war wie gelähmt. Sie wollte nach ihrem Kleid greifen und es nach oben ziehen, aber sie konnte sich nicht rühren. Alles rings um sie herum schien zu erstarren.

Ridefort ächzte. Seine Augen quollen vor Entsetzen schier aus den Höhlen, und Robin konnte hören, wie Vater Johannes hinter ihr nach Luft japste. Seltsamerweise schienen Ridefort und er jedoch die Einzigen hier zu sein, die der Anblick ihrer Brüste schockierte. Rother senkte verlegen den Blick, begann mit dem linken Fuß zu scharren und bekam tatsächlich rote Ohren. Abbé lächelte, und der König sagte: »Hübsch.«

»Sie ist eine Frau!« Das letzte Wort hatte Dariusz geschrien.

Niemand reagierte. Ridefort starrte sie weiter aus aufgerissenen Augen an, und es war klar, dass er einfach nicht begriff, was er sah, und es noch sehr viel weniger begreifen wollte.

Schließlich krächzte Vater Johannes: »Bedecke deine Blöße, Weib! Wir sind hier in einem Haus Gottes.«

Die Worte brachen den Bann. Robin riss sich los, raffte mit der linken Hand ihr zerschnittenes Kleid zusammen und war mit zwei Schritten bei Abbé, um sich an seine Brust zu werfen. Abbé legte schützend den Arm um ihre Schulter.

»Was ... was hat das ... zu bedeuten?«, stammelte Ridefort.

»Das solltet Ihr vielleicht besser Bruder Abbé fragen«, sagte Dariusz verächtlich. Er ließ eine genau bemessene Pause folgen, dann wandte er sich wieder an den König. »Unser Bruder Robin, Majestät«, sagte er betont, »ist eine Frau.«

»Aber das wusste ich doch, mein lieber Freund«, sagte Balduin sanft.

Robin hob mit einem Ruck den Kopf, und auch Ridefort fuhr herum und starrte nun den König ebenso fassungslos an wie sie gerade.

»Was ... habt Ihr gesagt?«, murmelte Dariusz.

»Jedermann hier im Raum wusste es«, bestätigte Balduin und fügte mit einem raschen, um Vergebung heischenden Blick in Rideforts Richtung hinzu: »Abgesehen von Euch, Marschall, wofür ich Euch um Vergebung bitte. Euer Großmeister Odo von Saint-Amand wollte Euch informieren, doch wie es scheint, hat ihm das Schicksal keine Gelegenheit mehr dazu gegeben.«

Robin blickte verwirrt von einem zum anderen. Sie verstand nichts mehr.