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»Bruder Abbé?«, murmelte Ridefort hilflos.

Abbé nahm den Arm von ihrer Schulter und trat einen Schritt vor. »Es ist so, wie der König sagt«, bestätigte er. »Die Geschichte ist lang und kompliziert, doch ich will versuchen, sie in wenige Worte zu fassen. Es ist wahr. Robin ist eine Frau. Um genau zu sein: Sie ist das Eheweib Prinz Salims, des Sohnes Sheik Raschid Sinans.«

»Des Alten vom Berge?«, fragte Ridefort. Er sah Robin überrascht und mit neuem Ausdruck an.

»Ja«, bestätigte Abbé. »Er ist einer unserer wichtigsten Verbündeten, wie Ihr wisst. Vor fünf Jahren äußerte er den Wunsch, unsere Heimat kennen zu lernen, und Odo und ich kamen überein, ihn in der Rolle eines vermeintlichen Sklaven in eine kleine Komturei nach Friesland zu schicken.« Er deutete auf Robin. »Dabei hat er sich in ein Mädchen aus dem Nachbardorf verliebt. Es war sein Wunsch, sie zum Weib zu bekommen und mit sich nach Hause zu nehmen.« Er hob die Schultern. »Ein geringer Preis für eine noch engere Verbindung zwischen uns und den Assassinen. Und da Robin einverstanden war, kamen der Großmeister und ich überein, ihm diesen Wunsch zu erfüllen.«

»Das ... das ist doch ... Unsinn«, murmelte Dariusz. Er war sehr blass geworden. »Ihr könnt viel behaupten, jetzt, wo Odo nicht da ist, um diese haarsträubende Geschichte zu bestätigen.«

»Wir hielten es für eine gute Idee, Robin in der Verkleidung eines jungen Ordensbruders nach Masyaf zu bringen«, fuhr Abbé unbeeindruckt fort. »Die künftige Schwiegertochter des Alten vom Berge wäre eine zu verlockende Geisel für jeden Stammesfürsten in diesem Land gewesen. Seither ist sie die Frau Prinz Salims.«

»Das ist lächerlich«, schnaubte Dariusz.

»Scheich Raschid Sinan befindet sich in Jerusalem«, fuhr Abbé fort, scheinbar immer noch, ohne Dariusz überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. »Ich habe bereits einen Mann zu ihm geschickt. Er und sein Sohn werden in Kürze hier sein, um Euch meine Worte zu bestätigen.«

»Ein Verräter und ein Heide«, sagte Dariusz. Seine Stimme bebte. »Was für hervorragende Zeugen!«

»Und ein König«, wandte Balduin ein. »Nun gut - was von ihm übrig ist.«

»Ihr ... habt davon gewusst?«, murmelte Ridefort ungläubig.

»Und Ihr wart damit einverstanden?«

»Ich fürchte«, seufzte Balduin. »Obwohl ich niemals zugestimmt hätte, hätte ich Bruder Robin damals schon gekannt.« Er lachte leise. »Dann hätte ich sie zweifellos für mich beansprucht.«

Seine Augen funkelten, während er Robin ansah, und obwohl sie sein Gesicht hinter dem schwarzen Tuch nicht erkennen konnte, glaubte sie sein Lächeln regelrecht zu spüren. Sie empfand ein Gefühl tiefer Dankbarkeit, aber sie fragte sich auch, warum er für sie log. Immerhin war er der König.

»Das ... das ist nicht wahr«, beharrte Dariusz. Mittlerweile klang seine Stimme fast verzweifelt. »Diese verrückte Geschichte könnt Ihr doch nicht glauben, Gerhard.«

Langsam wandte sich Abbé ganz zu ihm um. Etwas in seinem Blick erlosch. »Es war niemals geplant, Robin tatsächlich in der Rolle eines Ordensbruders auftreten zu lassen oder sie gar in den Kampf zu schicken. Und das wisst Ihr sehr wohl, Dariusz.«

»Was ... was soll das heißen?«, fragte Dariusz. Er fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen.

»Ich denke, das wisst Ihr besser als ich.« Plötzlich war Abbés Stimme so hart und kalt wie Glas. »Gebt Euch keine Mühe, es abzustreiten, Dariusz. Wir haben den Spion gefangen, den Ihr nach Masyaf geschickt habt, und glaubt mir, Raschid Sinan kennt Mittel und Wege, einen Mann zum Reden zu bringen. Er hat uns alle Einzelheiten des feigen Mordanschlags auf den König verraten - und Euer Ziel, über diesen Umweg in die Spitze des Ordens aufzusteigen!«

»Das ist ...«, fuhr Dariusz auf, aber Abbé unterbrach ihn mit einer kraftvollen Handbewegung. »Es ist uns dadurch mittlerweile bekannt, dass Ihr mit Herzog Ferdinand von Falkenberg gemeinsame Sache gemacht habt, der sich selbst zum Herrscher von Jerusalem und allen zugehörigen Ländereien aufschwingen wollte«, fuhr er eine Spur lauter fort.

»Was soll das heißen?«, polterte Dariusz. »Wollt Ihr mir etwa unterstellen, in ein Mordkomplott verwickelt zu sein, bei dem es um die Herrschaft in Outremer ging? Das ist lächerlich!«

Abbé nickte grimmig. »So ungeheuerlich das klingt: Genau das will ich. Der Herzog sollte König Balduin und Ihr Großmeister Odo von Saint-Amand nachfolgen. Voraussetzung war natürlich, dass Ihr sowohl König Balduin aus dem Weg räumen musstet wie Odo - und auch Ordensmarschall Gerhard von Ridefort, der in der Hierarchie über Euch steht.« Vater Johannes fuhr so heftig in die vor ihm liegenden Pergamente, dass ein ganzer Stoß von ihnen zu Boden segelte, und Ridefort stieß ein überraschtes Keuchen aus. Doch bevor einer von ihnen beiden etwas sagen konnte, fuhr Abbé auch schon mit schneidender Stimme fort: »Nehmt zur Kenntnis, Dariusz, dass Eure heimtückischen Pläne zur Gänze fehlgeschlagen sind. Die Attentäter aus den Reihen der weltlichen Ritter, die den König und seine Leibwache während der Schlacht töten sollten, haben wir bereits dingfest gemacht - genauso wie den Meuchelmörder, den Ihr sofort nach der Euch gelegen gekommenen Gefangennahme Großmeister Odos auf Marschall Ridefort angesetzt habt.«

»Das ist ... ungeheuerlich«, brach es aus Ridefort hervor. Sein Gesicht war bleich, und in seinen Augen funkelte ein fast unheimliches Feuer. »Dariusz, wenn das stimmt ...«

»Es stimmt«, unterbrach ihn König Balduin beinahe fröhlich, während Johannes für einen Moment hinter seinem Pult verschwand, um sich zu bücken, die herabgefallenen Pergamente mit einer erstaunlich zielsicheren und raschen Bewegung aufhob und sie so kraftvoll vor sich auf den schmalen Tisch donnerte, dass Robin unwillkürlich zusammenzuckte. »Jedes einzelne Wort von Bruder Abbé entspricht vollständig der Wahrheit.«

Obwohl er nicht einmal die Stimme erhoben hatte, hallten Balduins Worte unangenehm laut in dem Raum wider. Robins Blick irrte von einem zum anderen. Schließlich war es Vater Johannes, der als Erster seine Sprache wiederfand. Er räusperte sich umständlich, wischte mit einer erregten Bewegung beinahe die Papiere wieder zu Boden, die er gerade erst so umständlich aufgehoben hatte, ohne wohl aber darüber oder über Abbés vernichtend vorgetragene Anklage den Sinn der eigentlichen Verhandlung aus den Augen verloren zu haben, und deutete mit einer leicht zitternden Altmännerhand auf Robin. »Aber was ist mit ...«, begann er mit vor Empörung merkwürdig hohl klingender Stimme, »was ist mit ... mit diesem Frauenzimmer ...«

»Das ist schnell erzählt«, sagte Abbé. Er drehte sich zu Ridefort um, deutete aber zugleich anklagend auf Dariusz. »Bruder Dariusz hat von unserem Täuschungsmanöver bezüglich des kleinen Friesenmädchens und der anschließenden Heirat mit Prinz Salim erfahren, und auch von Robins Vorliebe, manchmal weiter in den Kleidern eines Ordensbruders herumzulaufen. Eine kindische Marotte, die der Prinz ihr aus Liebe durchgehen ließ. Er hat den richtigen Moment abgepasst, sie zu entführen, aus keinem anderen Grund als dem, sie hierher zu bringen und den Großmeister, mich und nicht zuletzt den König zu brüskieren, sollten seine anderen Pläne fehlschlagen.« Er wandte sich wieder zu Dariusz um, und seine Stimme wurde noch kälter. »Bruder Dariusz, ich klage Euch des Verrates an unserem Orden und Eurem Großmeister an.«

»Und des Hochverrats, nicht zu vergessen«, fügte Balduin im Plauderton hinzu.

»Das ... das ist doch absurd!«, krächzte Dariusz.

Ridefort starrte Dariusz zwei, drei, vier endlose schwere Atemzüge lang an. Sein Gesicht hatte jeden Ausdruck verloren. Dann klatschte er in die Hände und rief laut: »Wache!«

Die Tür flog auf, und die beiden Templer kamen herein, auf dem Fuß gefolgt von zwei Rittern des Lazarusordens. Balduin schüttelte fast unmerklich den Kopf, und sie zogen sich wieder zurück.