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»Ja, das kann ich verstehen«, antwortete Dariusz im selben Ton. »Aber das beantwortet nicht die Frage, warum Ihr den Rock überhaupt ausgezogen habt.« Er sah kurz Robin an, dann etwas länger in die Richtung, in der Saila verschwunden war.

»Ich war schwimmen«, antwortete Robin kühl. »Ich weiß ja nicht, wie Ihr es haltet, Bruder Dariusz, aber ich pflege nicht in voller Rüstung ins Meer zu steigen. Es schwimmt sich schlecht mit einem Zentner Eisen am Leib.«

Einen Moment lang starrte Dariusz sie so unverhohlen misstrauisch an, dass Robin fast in Panik zu geraten drohte. Dann aber lachte er. »Ihr habt natürlich Recht, Bruder. Und wer bin ich, Euch Vorwürfe oder gar Vorschriften machen zu wollen?« Er wedelte mit der Hand, wie um jedem denkbaren Widerspruch schon von vornherein zuvorzukommen. »Aber lassen wir das. Nun habe ich Euch ja wiedergefunden. Wie war das mit Eurer Einladung zum Festmahl?«

Robin deutete auf den Durchgang zum Hof. Saila hatte in den wenigen Minuten, die ihr geblieben waren, tatsächlich so etwas wie ein kleines Wunder vollbracht. Im Schatten des Aprikosenbaumes stand jetzt ein niedriger Tisch, auf dem hölzerne Teller und Schalen voller Fladenbrot, Fisch und Oliven, Gemüse und Obst arrangiert waren, dazu ein gewaltiger Krug, in dem sich vermutlich der stark verdünnte Wein befand, den man hierzulande Gästen anbot, und zwei einfache, schmucklose Becher. Saila hatte sogar noch die Zeit gefunden, ein Stück Segeltuch als Schutz vor den immer noch unbarmherzig herabbrennenden Strahlen der Sonne über den Tisch zu spannen, und Dariusz nickte nicht nur anerkennend, sondern ließ sich mit einem deutlich hörbar erleichterten Seufzer auf einen der beiden Stühle sinken. Das Möbelstück ächzte unter dem Gewicht seiner massigen Gestalt, was Dariusz aber nicht weiter zu stören schien. Er lehnte sich im Gegenteil zurück und streckte die Beine aus. »Das tut gut. Ich habe schon fast vergessen, wann ich das letzte Mal auf einem Stuhl gesessen habe und nicht im Sattel eines Pferdes oder auf nacktem Boden.«

»Wie lange seid Ihr jetzt unterwegs?«, erkundigte sich Robin. Es interessierte sie nicht im Mindesten. Aber die Stunde, von der Dariusz gesprochen hatte, war noch lange nicht vorbei, und eine Stunde war eine entsetzlich lange Zeit, um Fragen zu stellen und die falschen Antworten darauf zu geben. Vielleicht war es besser, wenn sie ihn fragte, statt ihrerseits seine Fragen zu beantworten. Robin verfluchte sich jetzt schon in Gedanken für die Geschichte, die sie ihm gerade aufgetischt hatte. Sie hielt sich zwar über weite Strecken an die Wahrheit, entfernte sich aber zugleich auch viel zu weit von ihr, als dass sie sich ernsthaft einbilden konnte, auf Dauer damit durchzukommen.

»Viel zu lange«, seufzte Dariusz. »Nur gut, dass wir den größten Teil der Strecke jetzt hinter uns haben.« Er richtete sich wieder auf, goss sich einen Becher Wein ein und leerte ihn mit einem einzigen, gierigen Zug fast zur Hälfte. Bevor er ihn wieder auf den Tisch zurückstellte und mit der anderen Hand nach dem Fladenbrot griff, um sich ein gewaltiges Stück davon abzubrechen, füllte er ihn erneut. »Nun«, begann er, »Ihr habt natürlich Recht, Bruder Robin. Ich bin es Euch wohl schuldig, Euch über den Grund unseres Hierseins aufzuklären.«

Robin nickte stumm. Ihr ungutes Gefühl verstärkte sich.

»Meine Begleiter und ich haben uns mit einer Gesandtschaft des Ordens in Latakia getroffen«, begann Dariusz und sah sie zugleich fragend an. Robin kramte einen Moment lang in ihrem Gedächtnis und nickte dann. Sie hatte dieses Wort zumindest schon einmal gehört. »Bohemund, der Fürst von Antiochia, hatte sich als Vermittler in unserem Streit mit den habgierigen Johannitern angeboten.«

»Dieser alberne Streit ist immer noch nicht beigelegt?«, erkundigte sich Robin fast beiläufig.

Dariusz schüttelte den Kopf und biss fast wütend in das Brot.

»Nein«, antwortete er kauend. »Und ich fürchte, es wird auch noch eine Weile dauern, bis wir uns darum kümmern können. Die Verhandlungen hatten noch nicht einmal begonnen, als uns Herzog Ferdinand von Falkenberg die Nachricht von einem Überfall der Sarazenen auf den König zukommen ließ.«

Robin musste ihr Erschrecken nicht einmal schauspielern.

»König Balduin?«

Dariusz nickte bekümmert. »Ja. Es war eine Falle. Der König wäre gewiss in Gefangenschaft geraten, aber Gott war auf seiner Seite.«

»Gott, oder ...?«, fragte Robin.

»In Gestalt Humfried von Toron«, bestätigte Dariusz mit einem angedeuteten Lächeln, »der gerade im rechten Moment erschien und ihn tapfer verteidigte. Seither belagert Saladin Humfrieds Burg an der Jakobsfurth, und König Balduin hat alle Ritter des Königreiches und der Fürstentümer Tripolis und Antiochia aufgerufen, sich unter unserer Fahne zu versammeln, um gegen Saladin zu ziehen.« Er sah Robin mit schlecht gespieltem Erstaunen an. »Ich bin ein wenig überrascht, dass Ihr nichts davon gehört habt, Bruder.«

Robin blickte Dariusz alarmiert an. Sie spürte, dass er nun zum Thema kam. »Sinans Burg liegt ...«, sie suchte einen Moment nach Worten, »... vielleicht nicht unbedingt im Brennpunkt des politischen Geschehens.«

»Aber man sagt doch, dass es die größte Stärke des Alten vom Berge ist, über alles und jeden informiert zu sein«, gab Dariusz zurück. Jede Spur von Freundlichkeit war aus seiner Stimme gewichen.

»Gewiss trifft das auf Sinan zu«, pflichtete ihm Robin ruhig bei. »Aber das gilt nicht unbedingt und zwangsläufig auch für seine Gäste.«

Der Templer brach ein weiteres Stück Brot ab, das er mit einem noch größeren Schluck Wein herunterspülte, aber Robin zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass er das nur tat, um Zeit zu gewinnen. »Nun«, sagte er schließlich, »das spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Ihr könnt aufatmen, Robin. Ihr braucht die Gastfreundschaft des Sheiks nicht länger in Anspruch zu nehmen.«

»Was soll das heißen?«, fragte Robin alarmiert.

Dariusz sah sie vieldeutig an. »Was auch immer Euch in dieses Fischerdorf verschlagen hat, Bruder«, antwortete er, »ich habe den direkten Befehl unseres Großmeisters Odo, jeden Tempelritter und jeden Vasallen des Königs von Jerusalem mitzubringen, auf den ich auf dem Rückweg stoße.«

»Auf dem Rückweg?« Robin versteifte sich ein wenig. Ihr Herz begann zu klopfen. »Wohin?«

»Wir sollen uns in der Burg Safet einfinden«, antwortete Dariusz. »Ich und die Männer in meiner Begleitung sind nicht die einzigen. Ein großes Heer hat sich dort bereits versammelt. Wir werden den Hund Saladin durch die Wüste bis nach Damaskus zurückprügeln und ihn am Tor seines eigenen Palastes aufknüpfen zur Warnung an alle anderen Ungläubigen und Barbaren, nicht noch einmal die Hand gegen unseren König zu erheben.«

»Ich ... soll Euch begleiten?«, murmelte Robin.

»So lauten jedenfalls der Befehl des Königs und der ausdrückliche Wunsch unseres Großmeisters«, bestätigte Dariusz. Mit einem angedeuteten, eindeutig bösen Lächeln fügte er hinzu:

»Auch wenn es mir fast schwer fällt, es zu formulieren. Zweifellos brennt Ihr bereits darauf, endlich wieder zu uns zurückzukehren und nicht länger bei diesen primitiven Heiden leben zu müssen.«

Robin antwortete nicht. Bei den Menschen, die Dariusz als Heiden und Primitive bezeichnete, hatte sie eine Gastfreundschaft, eine Wärme und Liebenswürdigkeit kennen gelernt, die sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal für möglich gehalten hätte. Sie hatte auf Sinans Felsenburg Kunstwerke von solcher Pracht und solch unbeschreiblicher Schönheit gesehen, dass selbst die größten Schätze aller Kirchen, die sie kannte, dagegen verblassten, und trotz aller Grausamkeit, die den Assassinen zu Recht nachgesagt wurde, hatte sie ausgerechnet in einem von ihnen den Menschen gefunden, den sie nicht nur am meisten liebte, sondern der auch so sanftmütig, verzeihend und großherzig sein konnte wie kein anderer auf der Welt.