Выбрать главу

Es war keine Einbildung, dass er das Wort Bruder auf so sonderbare Weise betonte, dachte Robin schaudernd. Und wenn sie es recht bedachte, war es auch nicht das erste Mal.

Sie sah ihn einen Moment lang prüfend an und hob dann in einer gespielt verständnislosen Bewegung die Schultern. Wenn es etwas gab, was Bruder Abbé in den Jahren ihrer Ausbildung nicht müde geworden war, ihr immer und immer wieder einzuhämmern, dann, dass Angriff die beste Verteidigung war. »Die letzten Tage waren nicht leicht«, sagte sie kühl, »für uns alle. Warum betont Ihr das Bruder so seltsam, Bruder Dariusz?«

Einen Moment lang war sie sicher, den Bogen überspannt zu haben. In Dariusz’ Augen loderte die blanke Wut. Aber er beherrschte sich. Für drei, vier in der Dunkelheit sonderbar lang widerhallende Hufschläge der gemächlich dahintrabenden Pferde sagte er gar nichts, sondern starrte sie nur aus brennenden Augen an, dann drehte er den Kopf und sah für einen Atemzug in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren.

»Weil ich mich zu fragen beginne, ob Ihr es noch seid, Robin«, sagte er leise.

Plötzlich war sie sehr froh, dass es noch zu dunkel war, um Dariusz erkennen zu lassen, wie bleich sie wurde. »Wie ... meint Ihr das?«, fragte sie mühsam.

»Ihr wart lange Zeit auf der Burg der Assassinen, Bruder Robin«, antwortete er. »Ich beginne mich zu fragen, ob es nicht zu lange war.«

»Was soll das heißen?«, fragte Robin scharf. »Ich habe weder meine Gebete noch meine Exerzitien vernachlässigt, wenn Ihr das meint! Ganz im Gegenteiclass="underline" Es war nur mein fester Glaube an Gott, der mir die Kraft gegeben hat, diese Zeit überhaupt zu überstehen.«

»Das glaube ich Euch gern, Bruder«, antwortete Dariusz unerwartet sanft. Im nächsten Augenblick wurde seine Stimme dafür umso härter. »Ihr seid verweichlicht, Bruder. Als ich Euch im Kampf mit den Plünderern am Strand sah, da war ich beeindruckt von Eurer Fertigkeit mit dem Schwert. Aber ein Schwert zu führen ist nicht alles! Manchmal ist es das Wenigste.« Er schüttelte zornig den Kopf, als Robin etwas sagen wollte. »Nein, unterbrecht mich nicht! Ich beobachte Euch jetzt seit fünf Tagen, und ich fürchte, ich bin nicht der Einzige, dem es auffällt: Seht Euch doch nur selbst an! Ihr sitzt nicht im Sattel wie ein Soldat Gottes, sondern wie ein Mädchen, das zum ersten Mal auf einem Pferd hockt! Die Brüder, die neben Euch schlafen, berichten mir, dass Ihr im Schlaf wimmert und stöhnt! Würden wir jetzt angegriffen, Ihr hättet nicht einmal die Kraft, Euer Schwert zu ziehen, geschweige denn, zu kämpfen!« Er ballte die rechte Hand zur Faust. »Wir sind nicht nur hier, um zu beten und den Heiden den wahren Glauben zu bringen, Bruder Robin! Die Fratres Militiae Templi sind die Faust Gottes! Ich kann und werde nicht zulassen, dass auch nur ein Glied dieser Faust schwach wird!«

Das Schlimme war, dachte Robin, dass er Recht hatte. Sie war schwach. Es hatte eine Zeit gegeben - und sie lag noch gar nicht so lange zurück -, da hätte sie trotz ihrer Jugend und der unwesentlichen Kleinigkeit, dass sie eine Frau war, spielend mit den meisten dieser Männer mitgehalten, aber die letzten Tage hatten ihr klargemacht, was Salim ihr damals am Strand wirklich zu sagen versucht hatte. Sie befand sich in einem erbärmlichen Zustand.

Trotzdem straffte sie demonstrativ die Schultern und funkelte Dariusz herausfordernd an. »Das weiß ich, Bruder«, sagte sie kühl. »Und Ihr habt Recht: Ich bin in keinem guten Zustand. Der Weg macht mir zu schaffen, und es vergeht keine Stunde, in der ich Gott nicht anflehe, ihn endlich enden zu lassen. Aber so wie mir«, fuhr sie mit leicht erhobener Stimme und rascher fort, als Dariusz antworten wollte, »ergeht es mindestens der Hälfte unserer Brüder, und fast allen anderen Männern in unserer Begleitung. Selbst die Faust Gottes kann zerbrechen, wenn man ihr nicht dann und wann eine Erholungspause gönnt.«

»Ihr wünscht Euch eine Rast, Bruder Robin?«, fragte Dariusz spöttisch. »Vielleicht einen Tag in einer schattigen Oase, mit kühlem Wein und frischen Datteln? Oder vermisst Ihr Eure entzückende Dienerin?«

Es fiel Robin schwer, die scharfe Antwort herunterzuschlucken, die ihr auf der Zunge lag. Bedachte sie den strengen Ehrenkodex des Templerordens, waren Dariusz’ Anspielungen in einem Gespräch wie diesem weit mehr als die kleinen Sticheleien, für die ein Außenstehender sie möglicherweise gehalten hätte, sondern eine Ungeheuerlichkeit. Dennoch verzichtete sie auf jede entsprechende Antwort. Vielleicht war es ja ganz gut, wenn sie Dariusz weiter einen Verdacht verfolgen ließ, den er niemals würde beweisen können.

»Ihr habt es selbst gesagt«, antwortete sie, so ruhig sie konnte. »Wir reiten in eine Schlacht. Ich habe noch nie gegen Saladins Truppen gekämpft, aber ich habe von ihnen gehört, und ich habe die Assassinen kämpfen sehen.«

»Ihr fürchtet sie«, vermutete Dariusz.

»Ich respektiere sie«, verbesserte Robin ihn ruhig, »denn ich habe gesehen, wozu diese Männer fähig sind. Ihr wart beeindruckt von meiner Fertigkeit mit dem Schwert? Dann lasst Euch sagen, dass ich eine Menge davon von den Männern gelernt habe, die Ihr so verachtet, Bruder Dariusz. Wir werden die Schlacht verlieren, wenn Ihr die Männer weiter so schindet. Noch ein paar Tage wie die, die hinter uns liegen, und ich bin nicht mehr der Einzige, der nicht mehr die Kraft hat, sein Schwert zu ziehen.«

Sie rechnete mit einem scharfen Verweis, zumal sie so laut gesprochen hatte, dass auch die beiden Männer vor und hinter ihnen ihre Worte gehört haben mussten; und vielleicht nicht nur sie. Umso überraschter war sie, als sich Dariusz’ Gesicht plötzlich immer mehr verdüsterte und er mit leiser, fast um Verständnis bittender Stimme antwortete: »Glaubt Ihr denn, das wüsste ich nicht? Auch ich habe Augen im Kopf. Und glaubt mir, ich weiß, wozu diese heidnischen Teufel fähig sind!«

»Und trotzdem geht Ihr das Risiko ein, mit einem Heer aus halb toten Männern auf Safet zuzupreschen?«, fragte Robin. Der überraschte Ton in ihrer Stimme galt weit mehr Dariusz’ unerwartet sanfter Reaktion als dem, was er gesagt hatte, aber er antwortete trotzdem: »Es ist vor allem eine Frage der Schnelligkeit, Bruder Robin. Ihr seid noch jung, und so trefflich Ihr auch mit dem Schwert umgehen mögt, gibt es doch Dinge, von denen Ihr noch nichts versteht - und es auch nicht müsst.« Robin überhörte den sanften Tadel in seiner Stimme keineswegs, aber sie nickte ihm nur auffordernd zu. »Schlachten werden nicht nur durch das Schwert gewonnen. Manchmal zählen Schnelligkeit und Taktik mehr als die Anzahl der Krieger. Auch Saladin zieht seine Truppen vor Safet zusammen. Es ist von enormer Wichtigkeit, dass wir vor ihm dort sind.«

»Auch wenn die Hälfte der Männer mehr tot als lebendig dort ankommt?«, fragte Robin.

»Gott wird uns die nötige Kraft geben«, versicherte Dariusz. Robin hätte gern über diese Worte gelacht, aber Dariusz sprach mit der Eindringlichkeit von jemandem, der tatsächlich an das glaubte, was er sagte. Mit einem angedeuteten Lächeln fügte er hinzu: »Und je eher wir dort sind, desto eher können die Männer rasten. Und Ihr auch, Bruder Robin.« Und damit ließ er die Zügel knallen und setzte sich wieder an die Spitze der kleinen Kolonne.

Robin sah ihm ebenso verwirrt wie beunruhigt nach. So erleichtert sie war, Dariusz’ Misstrauen zumindest für den Moment anscheinend zerstreut zu haben, so sehr beunruhigte sie die bloße Tatsache, dass sie dieses Gespräch überhaupt geführt hatten. Dariusz nahm es mit den Regeln des Ordens sehr genau; und vor allem mit denen, die er selbst aufgestellt hatte. Er hatte sein Schweigegelübde nicht gebrochen, um sich mit einem kleinen Schwätzchen die Zeit zu vertreiben.

Aber warum dann?

Robin zerbrach sich eine Weile den Kopf über diese Frage und fand so wenig eine Antwort darauf wie auf so viele andere. Schließlich verscheuchte sie den Gedanken und sah wieder zu dem Streifen blasssilberner Helligkeit hin, der im Osten heraufdämmerte. Er war weder heller noch merklich breiter geworden, allenfalls, dass sich ein zarter Hauch von Rosa hineingemischt hatte. Seltsam - sie war sicher gewesen, dass ihr Gespräch mit Bruder Dariusz viel länger gedauert hatte, aber es konnten in Wahrheit nur wenige Augenblicke gewesen sein.