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Dariusz machte jedoch nicht den Eindruck eines Mannes, der im nächsten Augenblick aufbrechen würde. Ganz im Gegenteil. Er und eine Hand voll anderer Templer saßen - zwar bereits wieder in Kettenhemd, Wappenrock und Mantel, aber ohne Helm oder Waffen - im Halbkreis um die Glut eines fast heruntergebrannten Feuers, dessen Licht und Wärme vergeblich gegen die Kälte ankämpfte, die die Wüstennacht über dem Lager zurückgelassen hatte. Als er Rother und sie gewahrte, winkte er sie mit einer ausholenden, fast jovialen Geste heran, machte dann jedoch eine winzige, dennoch unmissverständliche Bewegung mit der anderen Hand, als Rother seine Einladung offenbar ernster nahm, als sie gemeint war, und tatsächlich Anstalten machte, sich an dem erlöschenden Feuer niederzulassen. Robin unterdrückte ein flüchtiges Lächeln, als sie an ihr gestriges Gespräch mit dem Ritter dachte. Zumindest in dem einen oder anderen Punkt war Rother offensichtlich jünger und naiver als sie.

»Guten Morgen, Bruder Robin, Bruder Rother«, begann Dariusz umständlich. »Ich hoffe, ihr hattet einen ruhigen Schlaf und habt Gelegenheit gehabt, wieder zu neuen Kräften zu finden.«

Robin musste sich beherrschen, als sie Rothers überrascht-erfreutes Kopfnicken aus den Augenwinkeln gewahrte. Anscheinend ging der junge Ritter tatsächlich davon aus, dass sich Dariusz für sein Befinden interessierte. Robin glaubte das nicht; und wenn, so würden sie die neu erworbenen Kräfte, nach denen sich Bruder Dariusz so fürsorglich erkundigte, wahrscheinlich bitter nötig haben. Sie nickte nur knapp.

»Das freut mich«, fuhr Dariusz in verdrießlichem Ton fort.

»Obwohl Ihr nicht besonders gut ausseht, wenn ich offen sein soll.« Sein Blick tastete missbilligend über ihre zerknitterten und schmutzigen Kleider, aber der scharfe Verweis, gegen den sich Robin innerlich wappnete, blieb aus. Stattdessen seufzte er plötzlich tief und sah dann kaum weniger unglücklich auch an sich selbst herab. »Aber das gilt wohl für jeden von uns, fürchte ich. Wir haben einen langen Weg hinter uns, und man sieht es uns an.«

Robin schwieg beharrlich weiter. Dariusz wollte auf etwas Bestimmtes hinaus - Dariusz tat nichts ohne Grund -, aber sie würde ihm nicht die Genugtuung gönnen, sie erschrocken zu sehen.

»Bruder ... Dariusz?«, fragte Rother in leicht verwirrtem Ton.

»Wir haben unser Ziel fast erreicht«, fuhr Dariusz fort, nunmehr direkt an Robin gewandt. »Nur noch wenige Stunden. Würden wir sofort aufbrechen, könnten wir Safet noch vor der Mittagsstunde erreichen.«

»Könnten?«, wiederholte Robin. »Befürchtet Ihr Schwierigkeiten, Bruder?«

Dariusz zögerte für ihren Geschmack einen winzigen Moment zu lange, bevor er antwortete - mit einem Kopfschütteln. »Nein«, sagte er. »Und wenn, dann nicht mehr als die, die wir bisher schon überwunden haben. Aber schaut uns an. Wir sehen aus wie die Bettler! Wollt Ihr, dass wir so unter die Augen unserer Brüder treten - oder gar die des Königs?« Er schüttelte heftig den Kopf, um seine eigene Frage zu beantworten. »Ihr werdet uns allen und auch Euch selbst die Demütigung ersparen, auf diesen armseligen Kleppern durch die Ordensbesitzungen zur Burg zu reiten. Ihr werdet nach Bruder Horace fragen, dem Komtur von Safet und Befehlshaber der Festung. Er wird Euch frische Pferde und angemessene Kleidung für uns mitgeben, damit wir dem König nicht wie Flüchtlinge unter die Augen treten müssen.«

»Bruder ... Horace?«, wiederholte Robin. Klang sie erschrocken? Ihr Herz begann zu klopfen.

»Ja«, antwortete Dariusz. In seinen Augen blitzte es kurz und boshaft auf. »Ihr kennt ihn. Offensichtlich habt Ihr ja doch nicht alles vergessen.« Er legte den Kopf schräg. »Aber Ihr seht nicht besonders erfreut aus.«

»Das täuscht«, antwortete Robin. »Ich freue mich, Bruder Horace wiederzusehen.« Sie war verwirrt, mehr noch: alarmiert. Sosehr sie der Gedanke an das bevorstehende Ende ihrer Reise auch im allerersten Moment erleichtert hatte, ebenso sehr überraschte sie Dariusz’ Ansinnen auf den zweiten Blick. Jemanden vorauszuschicken, um für sich und seine Begleiter neue Kleider und frische Pferde zu holen, passte durchaus zu diesem eitlen Gecken - aber ausgerechnet sie? Dariusz hatte vom ersten Moment an keinen Hehl daraus gemacht, dass er ihr misstraute. Er musste zumindest damit rechnen, dass sie die Gelegenheit nutzen würde, um zu fliehen.

»Dann solltet Ihr keine Zeit mehr verlieren«, antwortete Dariusz. »Es sind vier oder fünf Stunden bis Safet und noch einmal dieselbe Zeit zurück. Und ich möchte, dass wir alle die kommende Nacht in der Sicherheit der Burg verbringen.« Er winkte Rother, näher heranzutreten, behielt Robin dabei aber fest im Auge.

»Ihr seid mir persönlich dafür verantwortlich, dass Robin wohlbehalten in Safet ankommt, Bruder Rother. Gebt gut auf ihn acht. Auch auf dem letzten Stück des Weges können durchaus noch Gefahren auf uns lauern, und er ist noch sehr jung und vielleicht manchmal etwas ungestüm.«

»Bruder Robin ist bei mir in guten Händen«, versicherte Rother. »Ich werde ihn mit meinem eigenen Leben beschützen, wenn es sein muss.«

»Ich habe nichts anderes erwartet«, antwortete Dariusz, noch immer, ohne dass er Robin aus den Augen ließ, und etwas Neues erschien in seinem Blick, das Robin einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, aber dann erschrak sie so sehr, dass sie sich nur noch mit allerletzter Kraft beherrschen konnte. Er weiß es, dachte sie entsetzt. Er weiß, wer ich bin. Er weiß, was ich bin!

Ihre Hände begannen zu zittern. Sie ballte sie zu Fäusten, damit es nicht auffiel, aber sie spürte auch, wie alles Blut aus ihrem Gesicht wich und ihr Herz wie rasend zu hämmern begann. Dariusz wusste es. Er hatte vom ersten Augenblick an gewusst, wer sie wirklich war!

Das böse Glitzern in Dariusz’ Augen nahm noch zu, und für einen winzigen Moment erschien ein dünnes, böses Lächeln auf seinen Lippen, und der stechende Blick seiner Augen wurde noch intensiver.

»Dann geht«, sagte Dariusz. »Gebt acht, dass Robin Euch nicht abhanden kommt, Rother. Das Land ist groß, und es lauern eine Menge Gefahren auf einen jungen Ritter ohne Erfahrung. Und eilt Euch. Jede Minute, die Ihr weiter hier vertrödelt, ist eine Minute mehr, die Ihr unter der Hitze leiden werdet.«

Rother warf Robin einen irritierten Blick zu, entfernte sich dann aber rückwärts gehend und sehr hastig, ohne noch ein einziges Wort zu sagen, und auch Robin wollte gehen, aber sie war für den Moment wie gelähmt. Ihr Herz hämmerte bis zum Hals, und sie wartete darauf, dass Dariusz das aussprach, was sie in seinen Augen las; einige wenige Worte, die ihrem Leben ein Ende bereiten würden.

Aber er sagte nichts. Sein Blick ließ keinen Zweifel daran, dass er um ihr Geheimnis wusste, aber es war ein Blick, der nur ihr galt, und sie war die Einzige, die das böse Versprechen darin las. Bald. Wenn die Zeit reif ist.

Vollkommen verstört ging sie dorthin zurück, wo sie ihr Pferd angebunden hatte, fand das Tier aber bereits fertig aufgezäumt und gesattelt vor. Gerade als sie hinzutrat, befestigte einer der anderen Templer einen prall gefüllten Wasserschlauch am Sattel. Rother, der bereits aufgesessen war, streckte den Arm aus, um Robin aufs Pferd zu helfen, aber sie ignorierte ihn, schwang sich mit einer fast schon zornig wirkenden Bewegung in den Sattel und bedeutete Rother mit einer abgehackten Geste vorauszureiten. Der junge Templer wirkte ein bisschen verletzt, dass Robin seine freundliche Geste so derb zurückwies, hob aber dann nur die Schultern und ritt los.