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Rother musste wohl zu demselben Schluss gekommen sein, denn er sprengte zwar noch einige weitere Minuten in unverändertem Tempo dahin und versuchte sogar, es noch einmal zu steigern, gab es aber schließlich auf und hielt an. Sein Pferd tänzelte nervös auf der Stelle, und Robin hätte nicht sagen können, wessen Atem schneller ging - seiner oder der seines Reiters.

»Das hat keinen Zweck«, sagte er, nachdem auch Robin ihr scheuendes Tier neben ihm zum Stehen gebracht hatte. »Wir brauchen ein Versteck.«

»Es kann nicht mehr weit sein bis Safet«, antwortete Robin nervös. »Vielleicht eine Stunde oder zwei.« Sie drehte sich im Sattel um und suchte nach ihren Verfolgern, aber alles, was sie sah, war hitzeflimmernde Luft und eine Sonne, die so grell war, dass es fast in den Augen schmerzte, auch nur in ihre Richtung zu sehen.

»Eher drei«, antwortete Rother ernst und schüttelte zugleich den Kopf. »So lange halten die Pferde nicht mehr durch. Wir brauchen ein Versteck.« Er sah sich suchend um und deutete schließlich auf einen verschwommenen Schatten irgendwo vor ihnen. »Dort vorne scheint ein Wald zu sein oder eine Oase.«

»Und genau dort werden sie uns zuerst suchen«, antwortete Robin.

Rother hob die Schultern. »Wir haben keine Wahl. Hier auf der Ebene haben wir gar keine Chance.«

Robin fragte sich flüchtig, warum Rother eigentlich so selbstverständlich davon ausging, dass die Reiter hinter ihnen ihre Feinde waren, aber sie kam nicht dazu, den Gedanken weiterzuverfolgen, denn Rother ließ die Zügel knallen und ritt weiter. Robin folgte ihm, aber nicht ohne sich noch einmal in Richtung ihrer Verfolger umgedreht zu haben. Irgendwo hinter ihnen schien eine größere Reitergruppe näher zu kommen, aber sie war nicht sicher.

Sie galoppierten weiter. Ihre Pferde gaben ihr Bestes, aber die Kräfte der Tiere ließen spürbar nach; Robins Stute stolperte mehr dahin, als sie lief, und auch Rothers Tier geriet mehr als einmal aus dem Tritt; und je mühsamer sich ihr Vorwärtskommen gestaltete, desto weiter schien sich ihr Ziel von ihnen zu entfernen. Endlich aber wurden aus Schatten Umrisse und aus Schemen klar erkennbare Konturen. Rother hatte Recht gehabt: Vor ihnen lag ein ausgedehnter Zypressenhain, durch dessen Unterholz es hell und silbern aufblitzte. Dort vorne waren nicht nur Bäume, sondern auch Wasser.

Die Tiere schienen die Nähe des Wassers zu spüren, denn sie verfielen auf dem letzten Stück ganz von selbst in einen schnelleren Trab, auch wenn Robin das Gefühl hatte, dass dies Rother gar nicht so recht war. Die letzten dreißig oder vierzig Schritte flogen sie regelrecht dahin, und auch als sie den kleinen Zypressenhain erreichten, wurden sie nicht merklich langsamer, sondern fielen ganz im Gegenteil auf dem letzten Stück in einen leichten Galopp; vielleicht einfach, weil sie die Nähe des Wassers spürten. Robin rechnete fest damit, dass Rother den kleinen See im Herzen des Haines einfach ignorieren und so schnell daran vorübergaloppieren würde, wie er nur konnte, aber er brachte sein Tier ganz im Gegenteil mit einem vollkommen überflüssig harten Ruck am Zaumzeug unmittelbar am Ufer des kleinen Sees zum Halten - er war so erbärmlich, dass er diesen Namen eigentlich gar nicht verdiente; mehr eine schlammige Pfütze, von der ein nicht besonders einladender Geruch aufstieg - und glitt mit einer fließenden Bewegung aus dem Sattel, noch bevor das nervös tänzelnde Tier vollends zum Stehen gekommen war. Hastig gestikulierte er ihr zu, es ihm gleichzutun, und griff sogar nach ihrem Arm, als sie der Aufforderung für seinen Geschmack ganz offensichtlich nicht schnell genug nachkam.

»Was soll denn das?«, beschwerte sich Robin lautstark, wurde aber sofort und mit einer noch energischeren Geste von Rother zum Schweigen gebracht. Während er mit der linken Hand vor ihrem Gesicht in der Luft herumfuchtelte, griff seine andere bereits nach dem Schwert und zog es.

»Dafür ist jetzt keine Zeit!«, fuhr er sie an. »Wir müssen uns verstecken! Lauf in die Dünen!«

Robin starrte ihn im ersten Moment nur verständnislos an, aber dann fuhr sie trotzdem auf dem Absatz herum und lief mit wehendem Mantel auf die ockergelbe, haushohe Wand zu, die das kümmerliche Wäldchen an einer Seite begrenzte. Sie verstand den Grund für Rothers unübersehbare Furcht nicht, doch was sie in seinen Augen gelesen hatte, das machte ihr klar, dass er es ernst meinte. Wer immer die Reiter waren, die sie verfolgten, Rother wusste ganz offensichtlich mehr über sie, als er bisher zugegeben hatte. Die Erkenntnis ärgerte Robin, aber jetzt war auch gewiss nicht der richtige Moment, ihn zur Rede zu stellen.

So schnell sie konnte, durchquerte sie das kleine Wäldchen, nutzte ihren eigenen Schwung, um die erste der Sanddünen zu erklimmen und begann lauthals zu fluchen, als der lockere Sand unter ihren schweren Stiefeln nachzugeben begann und sie mehr und mehr Kraft darauf verwenden musste, ihr Gleichgewicht zu bewahren und nicht etwa schneller zurückzurutschen, als sie die Düne erklomm. Dennoch legte sie das letzte Stück auf Händen und Knien kriechend zurück, und oben angekommen, war sie nicht nur schon wieder in Schweiß gebadet, sondern auch vollkommen und hoffnungslos außer Atem. Erschöpft sank sie auf dem Kamm der Düne zusammen, tat eine geschlagene halbe Minute nichts anderes, als wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft zu schnappen und dem rasenden Hämmern ihres eigenen Herzens zu lauschen, und brachte erst dann die Energie auf, sich wieder aufzurichten und in der gleichen Bewegung halb umzudrehen.

Was sie sah, war auch nicht gerade dazu angetan, sie in irgendeiner Art fröhlicher zu stimmen. Die Reiter waren noch ein gutes Stück entfernt - sicher zehn Minuten, selbst wenn sie ihre Tiere erbarmungslos antrieben -, doch sie konnte sie von ihrer erhöhten Position aus nun weitaus besser erkennen. Sie hatte sich nicht getäuscht, was ihre Zahl anging: Es mussten zwischen acht und zehn sein, und sie waren ausnahmslos dunkel gekleidet und trugen ausnahmslos Turbane, und ganz offensichtlich waren sie ebenso ausnahmslos bewaffnet, denn das Sonnenlicht spiegelte sich immer wieder auf blankem Stahl und ließ grelle goldfarbene und silberne Lichtblitze über die näher kommenden Gestalten tanzen. Plötzlich verstand sie Rothers Besorgnis um einiges besser. Wenn ihnen diese Männer tatsächlich feindselig gesinnt waren, dann taten sie wirklich gut daran, ihnen aus dem Weg zu gehen. Rother war ein hervorragender Schwertkämpfer, und auch sie hatte es bislang mit nahezu jedem Gegner aufnehmen können, auf den sie getroffen war, doch diese Übermacht war einfach zu groß; und vermutlich auch die Verlockung, die von den beiden Tempelrittern ausging, die leichtsinnig genug gewesen waren, sich ganz allein von ihrem Heer zu entfernen.

Mit einiger Mühe riss sie ihren Blick von dem näher kommenden Reitertrupp los und suchte nach Rother, konnte ihn zu ihrer Überraschung aber nicht mehr entdecken.

Von hier oben aus betrachtet wirkte der Zypressenhain noch kleiner und erbärmlicher. Er bestand aus kaum zwei Dutzend der Robin immer noch fremdartig anmutenden Bäume, von denen mindestens die Hälfte nicht so aussah, als würden sie nach dem nächsten Sandsturm noch stehen. Es gab kaum Unterholz, und der See sah nicht einmal mehr aus wie eine Pfütze, sondern allenfalls wie etwas, das ihre Stute im Sand hinterlassen hatte. Weder von Rother noch von den beiden Pferden war noch etwas zu sehen. Robin konnte ihre Spuren noch ein kurzes Stück weit verfolgen, bevor sie sich auf der anderen Seite des Wäldchens wieder im Sand der Wüste verloren.

Dafür sah sie ihre eigenen Spuren umso deutlicher.

Ihr Herz zog sich vor Schrecken zusammen, als sie die breite Spur erblickte, die sie bei ihrer ungeschickten Kletterpartie die Düne hinauf im Sand hinterlassen hatte. Ihre Verfolger mussten wahrlich keine geübten Fährtenleser sein, um sie hier oben aufzuspüren. Ganz im Gegenteil, dachte Robin finster: Sie hätten schon mit Blindheit geschlagen sein müssen, um sie nicht zu sehen.