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Die Reiter kamen ganz allmählich näher. Sie wurden tatsächlich langsamer, je mehr sie sich dem kleinen Zypressenhain näherten, und hielten schließlich ganz an. Robin presste sich fester gegen den heißen Sand der Düne, und sie konnte spüren, wie sich auch Rother neben ihr spannte. Ihr Herz hämmerte immer schneller. Warum sprang sie nicht auf? Warum gab sie sich nicht zu erkennen? Salims Männer waren endlich gekommen, um ihr Martyrium zu beenden. Sie musste nur den Arm heben und winken, und der Albtraum würde ein Ende haben.

Stattdessen glitt sie behutsam ein weiteres Stück zurück, presste sich noch fester gegen den Boden und hielt schließlich sogar den Atem an, während sich die Reiter wieder in Bewegung setzten und ganz langsam auf sie zurückten. Ein Teil in ihr wollte nichts mehr, als aufzuspringen und den Männern zuzuwinken, sich ihnen zu erkennen zu geben, um dem Albtraum ein Ende zu machen und endlich wieder in Salims Umarmung zurückzukehren. Doch sie tat nichts von alledem. Sie lag nur wie gelähmt da, starrte den Reitern mit klopfendem Herzen entgegen und war vollkommen unfähig, auch nur einen Finger zu rühren.

Nur zwei der Reiter saßen ab, als sie den See erreichten, der Rest blieb nicht nur in den Sätteln, sondern nahm auch in einem lockeren Dreiviertelkreis Aufstellung, die Hände locker auf den Waffen und in vermeintlich entspannter Haltung, die Robin aber keinen Moment lang täuschte. Die Männer waren wachsam und angespannt. Ihnen entging nichts. Schon gar nicht die Spur, die sie auf der Düne hinterlassen hatte ...

Neben ihr bewegte sich Rother unruhig. Obwohl ihr Blick die schwarz gekleideten Reiter keinen Moment losließ, bemerkte sie doch aus den Augenwinkeln, wie Rothers Hand zum Gürtel glitt und sich um den Schwertgriff darin schmiegte. Sein Atem ging plötzlich schneller. Sie spürte seine Erregung - seine Furcht! -, und sie spürte ebenso deutlich, wie dicht er davor stand, etwas wirklich Dummes zu tun. Erschrocken wandte sie den Kopf und setzte dazu an, ihm warnend zuzuwinken, doch dann erstarrte sie mitten in der Bewegung.

Sie hatte sich getäuscht. Rothers Hand war zum Gürtel geglitten, aber seine Finger hatten sich nicht um den Griff des Schwertes geschlossen, sondern um den des schmalen Dolches, den er daneben trug. Und sein Blick war nicht auf die Assassinen unter ihnen gerichtet, sondern auf sie. Und was Robin darin las, das ließ ihr einen eisigen Schauer über den Rücken laufen.

Für einen Moment war es, als wäre die Zeit stehen geblieben. Sie konnte die eisige Entschlossenheit in seinem Blick sehen, aber sie spürte auch die Qual, die sich dahinter verbarg, und den stummen, verzweifelten Kampf, den er nicht erst seit diesem Moment mit sich ausfocht. Seine Finger hatten sich so fest um den Griff des Messers geschlossen, dass das Blut aus ihnen wich und seine Haut so bleich wie die eines Toten aussah, und der Schweiß, der auf seinem Gesicht und seiner Stirn perlte, hatte seine Ursache nicht nur in der glühenden Sonne am Himmel über ihnen.

»Warum wartest du nicht einfach noch einen Moment, Rother?«, fragte sie leise. »Vielleicht bemerken Sie uns ja gar nicht.«

Rother starrte sie weiter mit diesem sonderbar gequälten Ausdruck an. Er sagte nichts, aber er bewegte sich auch nicht und machte auch keine Anstalten, seine Waffe endgültig zu ziehen, und schließlich ließ Robin seinen Blick los und wandte sich wieder den Reitern unter ihnen zu. Wenn Rother jetzt sein Messer zog und das tat, was Bruder Dariusz ihm mit Sicherheit aufgetragen hatte, dann war sie vollkommen wehrlos. Er war stärker als sie, hatte seine Waffe praktisch schon gezogen und befand sich in einer viel vorteilhafteren Lage; sie würde vermutlich nicht einmal merken, was geschah, bevor es zu spät war. Robin wusste das alles, und sie glaubte Salims tadelnden Blick regelrecht zu sehen und seine besorgt-spöttische Stimme zu hören, die ihr klar zu machen versuchte, dass sie zu vertrauensselig war und ihr unerschütterlicher Glaube an das Gute im Menschen sie irgendwann einmal das Leben kosten würde. Sie wusste auch, dass er Recht hatte. Und doch sah sie nicht einmal mehr in Rothers Richtung. Sie war des Kämpfens müde. Vielleicht nicht einmal so sehr des Kämpfens. Sie war es müde, Menschen zu misstrauen. Sie wollte nicht mehr hinter jedem freundlichen Gesicht einen Verräter, hinter jedem belanglosen Wort eine Falle und hinter jeder großzügigen Geste Verrat wittern.

Die beiden Reiter, die aus dem Sattel geglitten waren, hatten sich mittlerweile zum Ufer des kleinen Wasserloches begeben. Einer hatte sich auf die Knie herabsinken lassen und tastete mit den Fingerspitzen über die Spuren, die Rother, sie selbst und ihre Pferde im aufgeweichten Boden am Ufer hinterlassen hatten, der andere stand hoch aufgerichtet da und schien reglos ins Leere zu starren. Schließlich, nach einer kleinen Ewigkeit, wie es Robin vorkam, wandte er den Kopf nach links, dann nach rechts, und Robins Herz machte einen erschrockenen Sprung und hämmerte doppelt schnell und hart weiter, als sein Blick über die Sanddüne glitt und schließlich an der nur unzureichend verwischten Spur hängen blieb, die sie darin hinterlassen hatte.

Neben ihr sog Rother scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, und Robin konnte hören, wie die Messerklinge aus ihrer ledernen Scheide glitt. Robin schloss die Augen, zählte in Gedanken langsam bis drei und stand auf.

»Bruder Robin ...!«, sagte Rother gequält.

»Tu einfach, was du glaubst, tun zu müssen«, antwortete Robin. Sie sah Rother bei diesen Worten nicht an, sondern hob den linken Arm und winkte den Männern unter ihnen zu. Nur einer von ihnen reagierte überhaupt auf ihre Geste, die anderen blieben sorglos wie lebensgroße Statuen in den Sätteln sitzen. Sie zeigten keinerlei Überraschung über ihr plötzliches Auftauchen. Sie hatten die ganze Zeit über gewusst, wo Rother und sie waren.

»Bruder Robin, bitte!«, flehte Rother. »Ich muss ...«

»Tun, was du tun musst«, unterbrach ihn Robin. »Ja, ich weiß.« Sie nickte dem Assassinen unter sich langsam, aber mit schon fast übertriebener Gestik zu und wandte sich dann ebenso langsam zu Rother um. Auch er hatte sich auf die Knie erhoben, aber er saß in einer Haltung da, als müsse er sich gegen unsichtbare Ketten stemmen, die ihn zurückzuhalten versuchten. Seine Hand umklammerte noch immer den Dolch, und sein Gesicht war ein einziger Ausdruck von Qual, während sein Blick abwechselnd über Robins Gesicht und das hinter schwarzem Tuch verhüllte Antlitz des einzelnen Assassinenkriegers glitt, der sich von seinem Platz am Ufer des kleinen Tümpels gelöst hatte und nun langsam, aber ebenso leichtfüßig wie zielstrebig zu ihnen heraufkam.

Robin hob die Hand, und der Krieger hielt mitten im Schritt inne und blieb auf halber Strecke stehen. Rothers Kiefer begannen zu mahlen. Unter der Sonnenbräune verlor sein Gesicht auch noch das allerletzte bisschen Farbe, und seine Hand schloss sich jetzt so fest um den Dolch, dass tatsächlich Blut unter seinen Fingernägeln hervorquoll. Und dann - endlich - ließ er den Dolch los und stieß ein halblautes, fast gequält klingendes Seufzen aus.

»Nein«, flüsterte er. »Ich kann es nicht.«

»Ich weiß«, antwortete Robin ernst. »Und ich bin froh, dass du dich so entschieden hast. Um deinetwillen.«

Rother sah sie fragend an, und Robin deutete mit einer Kopfbewegung auf einen Punkt hinter dem jungen Tempelritter. Rother starrte sie noch einen Atemzug lang verständnislos an, dann stemmte er sich umständlich vollends in die Höhe und drehte sich erst dann und ebenso umständlich herum, um ihrem Blick zu folgen.

Er wirkte nicht einmal wirklich erschrocken. Vielleicht war er nicht mehr in der Verfassung, ein so komplexes Gefühl wie Schrecken zu empfinden. Eine kleine Ewigkeit lang stand er einfach nur da und starrte die drei in der Farbe der Nacht gekleideten Gestalten an, die auf dem Kamm der nächsten Düne standen und mit ihren kurzen, geschwungenen Bögen auf ihn zielten, und schließlich drehte er sich ebenso langsam wieder zu Robin um und maß sie mit einem Blick, von dem sie nicht genau wusste, ob sie ihn deuten konnte oder es auch nur wollte.