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Robin zögerte, und aus ihrem unguten Gefühl wurde etwas anderes, als sie den halb erschrockenen, halb auch verärgerten Ausdruck auf Dariusz’ Gesicht gewahrte, als auch dieser den Blick hob und nach dem Rufer Ausschau hielt. Mit klopfendem Herzen drehte sie sich um.

Niemand anderes als Odo von Saint-Amand und der Ordensmarschall selbst kamen mit raschen Schritten auf sie zu. Odo sah müde aus. In seinem ohnehin abgespannt wirkenden Gesicht waren neue, tiefe Linien erschienen, und seine Schritte wirkten ein ganz kleines bisschen schleppend, als trüge er eine unsichtbare Last auf den Schultern. Vermutlich hatte er in dieser Nacht nicht besonders viel geschlafen. Auch Ridefort wirkte auf die gleiche Art erschöpft, viel mehr jedoch noch verärgert.

»Bruder Robin«, begann der Ordensmarschall. »Was ist das? Eine Herausforderung oder nur Nachlässigkeit?«

Robin verstand nicht einmal, wovon er sprach, doch sie wäre auch nicht dazu gekommen, zu antworten, denn Ridefort blieb zwei Schritte vor ihr stehen, machte eine herrische Handbewegung und fuhr in noch schärferem, lauterem Ton fort: »Wo sind Euer Schwert und Helm? Wieso erscheint Ihr barhäuptig und ohne Waffen zur Messe?«

Robin drehte sich verwirrt zu Dariusz um. Erst jetzt, im Nachhinein, fiel ihr auf, dass sie tatsächlich die Einzige unter allen Männern hier war, die weder ihren Helm noch ihre Waffen mitgebracht hatte. Sie warf Dariusz einen fast flehenden Blick zu - schließlich war er es gewesen, der sie angewiesen hatte, beides in ihrem Zelt zurückzulassen, wenn auch nicht mit Worten -, den der grauhaarige Tempelritter jedoch ignorierte. Um ein Haar hätte sie das, was sie nur dachte, laut ausgesprochen, schluckte die Worte jedoch im letzten Moment herunter. Dariusz die Schuld an ihrem Fehler zu geben (auch, wenn es die Wahrheit war) hätte es nur schlimmer gemacht.

Unsicher drehte sie sich wieder zu Ridefort und dem Großmeister um. In Rideforts Augen brodelte die blanke Wut, eine Wut, von der Robin schwerlich glauben konnte, dass ihr Grund einzig die kleine Verfehlung war, deren sie sich schuldig gemacht hatte, während Odo sie kalt, aber auf eine Art maß, die fast schlimmer erschien als die Blicke, mit denen Ridefort sie aufzuspießen versuchte.

»Mir scheint, Ihr seid mit Euren Gedanken nicht ganz bei der Sache, Bruder Robin«, sagte der Marschall. »Ihr werdet Euch nach der Schlacht bei mir melden, um Eure gerechte Strafe in Empfang zu nehmen.«

»Ich bitte Euch, seid nicht zu streng mit Bruder Robin.«

Robin drehte sich abermals überrascht zu Dariusz um, und sie bemerkte aus den Augenwinkeln, wie auch Ridefort den Kopf wandte und fragend die Stirn in Falten legte. Anscheinend war sie nicht die Einzige, die es immer noch zutiefst verwirrte, ausgerechnet von Dariusz in Schutz genommen zu werden.

»Es war wohl meine Schuld«, fuhr Dariusz fort. »Ich bin vor der Messe in Bruder Robins Zelt gewesen, um eine wichtige Angelegenheit mit ihm zu besprechen. Bei allem muss er vergessen haben, sein Schwert umzubinden. Ich hätte es merken müssen. Wenn Ihr jemanden für dieses Versäumnis bestrafen wollt, dann mich.«

»Und was gab es so Wichtiges zu besprechen, dass Bruder Robin darüber sogar seine Pflichten vergisst?«, fragte Ridefort.

»Ich habe Bruder Robin gebeten, für mich einen wichtigen Botenritt zurück nach Safet zu erledigen«, antwortete Dariusz.

»Einen Botenritt?«, wiederholte Ridefort, als wäre er nicht sicher, Dariusz tatsächlich richtig verstanden zu haben. »Zurück nach Safet? Einen Tagesritt? Jetzt?«

»Es handelt sich um eine Nachricht von äußerster Dringlichkeit«, antwortete Dariusz und wedelte mit einem zusammengebundenen Pergament, an dem Robin jetzt ein schmales Samtband und ein Siegel aus rotem Wachs erkannte, das im blassen Licht der heraufziehenden Dämmerung wie geronnenes Blut aussah.

»Bruder Robin hat sich schon einmal als verlässlicher Bote erwiesen, und von allen hier ist er aufgrund seiner Jugend vielleicht der, den wir am leichtesten entbehren können.«

Robin schien in diesem Moment nicht die Einzige hier zu sein, der es schwer fiel, diese Erklärung zu glauben. Ridefort schwieg eine geraume Weile, in der er das Papier in Dariusz’ Hand so durchdringend anstarrte, dass Robin fast sicher war, er würde im nächsten Augenblick die Hand ausstrecken und fordern, die Botschaft lesen zu können. Schließlich jedoch schüttelte er nur den Kopf, und ein dünnes, fast abfälliges Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Ich fürchte, ich muss Eure Bitte abschlägig bescheiden, Bruder. Auch wenn der König in seiner unermesslichen Weisheit entschieden hat, uns heute aus dem Schlachtgeschehen herauszuhalten, so weiß man doch nie, was der Tag bringt. Es mag sein, dass wir doch kämpfen müssen, und sollte es dazu kommen, so kann es sehr wohl sein, dass wir jedes einzelne Schwert brauchen, selbst das eines so jungen Ritters. Zumal man mir berichtet hat, was für ein ausgezeichneter Kämpfer Robin trotz seiner Jugend bereits ist.«

»Aber ...«, protestierte Dariusz, doch diesmal war es Odo selbst, der ihn zum Schweigen brachte.

»Bruder Dariusz«, sagte er. »Ihr habt den Ordensmarschall gehört. Wollt Ihr mich zwingen, aus seiner Erklärung einen Befehl zu machen? Schickt einen anderen Mann mit Eurer Nachricht zurück nach Safet. Oder überbringt sie selbst, sobald die Schlacht vorüber ist. Spätestens beim nächsten Sonnenaufgang werden die Heiden besiegt und wir schon wieder auf dem Rückweg sein.«

Dariusz’ Gesicht schien für einen Moment zu Stein zu erstarren. Seine Finger schlossen sich so fest um die Pergamentrolle, dass er sie zerknitterte, und Robin wäre nicht besonders überrascht gewesen, hätte er selbst dem Großmeister widersprochen. Dann aber deutete er nur ein Nicken an und trat respektvoll einen Schritt zurück. »Ganz, wie Ihr wünscht, Bruder.«

»Es ist schon erstaunlich, wie viele sich um das Wohl dieses jungen Ritters sorgen«, stellte Ridefort fest. »Vor allem solche, von denen man das am allerwenigsten erwartet hätte.«

»Was ... wollt Ihr damit sagen?«, erkundigte sich Dariusz.

»Nun, Ihr seid nicht der Erste, der an diesem Morgen mit dem Wunsch zu uns gekommen ist, Bruder Robin aus dem Schlachtgeschehen herauszuhalten«, antwortete Ridefort. Er machte eine unwillige Handbewegung hinter sich, und Robins Blick folgte der Geste. Im ersten Moment sah sie nichts außer Tempelrittern in weißen Mänteln, die sich rasch in alle Richtungen entfernten, dann gewahrte sie jedoch eine einzeln stehende Gestalt, die ganz am Rande des Gebetsplatzes stand und in ihrem schwarzen Mantel nahezu mit der Dunkelheit der Nacht verschmolz. Ihr Herz schlug schneller, als ihr klar wurde, um wen es sich handelte.

»Wer ist das?«, fragte Dariusz. Er klang verstört.

Ridefort lachte leise. »Einer unserer Verbündeten vom Berg Masyaf«, sagte er verächtlich.

»Ein ... Assassine?«, vergewisserte sich Dariusz.

»Ein Bote des Alten vom Berge, ja«, bestätigte Ridefort. Odo schwieg noch immer, doch obwohl Robin es sorgsam vermied, auch nur in seine Richtung zu blicken, konnte sie spüren, wie durchdringend er sie anstarrte. Salim? Salim war gekommen, um mit dem Großmeister selbst zu sprechen? Er musste den Verstand verloren haben!

»Leider ist er nicht gekommen, um die versprochenen Krieger zu schicken«, fuhr Ridefort fort, »sondern um etwas von uns zu verlangen.«

»Was?«, fragte Dariusz.

»Sheik Raschid Sinan fordert sein Eigentum zurück«, spie Ridefort regelrecht heraus. Er deutete anklagend auf Robin.

»Unser junger Bruder hier muss ihn über die Maßen beeindruckt haben, als er sein Gast war. Er verlangt, dass er unverzüglich ausgeliefert und zurück nach Masyaf gebracht wird.«

»Mit welchem Recht?«, fragte Dariusz scharf. War das ein Unterton von Panik, den sie in seiner Stimme wahrnahm?

Ridefort lachte. »Mit keinem. Jedenfalls mit keinem, das für uns Gültigkeit hätte.«