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Und dennoch: Ihr Vormarsch war zum Stehen gekommen, und ihre Brüder fielen möglicherweise nur vereinzelt unter den Hieben der Sarazenen - aber sie fielen, und die Übermacht der Feinde war gewaltig.

Irgendetwas prallte gegen ihr Bein. Es war kein Angriff, sondern nur ein hochgewirbelter Stein oder Erdbrocken. Es tat nicht einmal weh, aber der Schlag riss Robin endgültig in die Wirklichkeit zurück. Obwohl sie sich noch immer fast an vorderster Front des Templerheeres befand, hatte sie doch in den letzten Augenblicken niemand angegriffen - zu ihrem Glück. Wäre es geschehen, wäre sie jetzt tot.

Aber das würde nicht mehr allzu lange so bleiben, wie sie voller Entsetzen begriff. Der Angriff der Templer war nicht nur zum Stillstand gekommen. Die Sarazenen griffen nun ihrerseits an, und obwohl die Schwerter der Kreuzritter weiter grauenhaft unter ihnen wüteten, stürmte doch Welle auf Welle heran, und die Reihen der Templer begannen allmählich unter dem unbarmherzigen Druck zu wanken. Noch hielten sie stand - aber wie lange noch?

Robin ließ die zerbrochene Lanze fallen, die sie nach wie vor in der rechten Hand hielt, und zog stattdessen das Schwert. Die Waffe kam ihr doppelt so schwer vor wie noch am Morgen, als sie sie eingesteckt hatte, und die Luft unter dem Helm war so heiß, dass sie zu ersticken glaubte. Die Atemnot schürte ihre Angst noch. Wieder griff Panik nach ihrem Herzen. Sie wollte nicht kämpfen. Sie wollte nicht töten, und sie wollte auch nicht getötet werden. Wo war Dariusz? Warum war Salim nicht hier, um sie zu beschützen?

Sie sah keinen von beiden, doch dafür gewahrte sie nicht weit von sich entfernt das flatternde schwarzweiße Baussant, und unmittelbar daneben Marschall Ridefort, der wie ein Berserker focht und sich gegen eine erdrückende Übermacht von Angreifern hielt. Von Odo war keine Spur zu sehen, und auch Dariusz war irgendwo im Kampfgewühl verschwunden. Dafür schienen immer mehr und mehr Sarazenen auf Ridefort und seinen Begleiter einzudringen, als hätten sie das heilige Banner der Templer erkannt und versuchten nun, es um jeden Preis zu erobern.

Und schließlich kam es, wie es kommen musste. Das schwarzweiße Banner wankte, als der Reiter unter dem Anprall von gleich zwei Feinden erzitterte. Ridefort löste sich von dem Gegner, mit dem er gerade focht, und schlug einen der Männer mit einem wuchtigen Hieb aus dem Sattel. Der andere senkte seine Lanze und rammte sie mit aller Gewalt gegen die Brust des Bannerträgers. Der Wappenrock des Ritters hing schon lange in Fetzen, doch das schwere Kettenhemd, das er darunter trug, fing den tödlichen Stoß ab. Der Reiter wankte im Sattel, aber die Lanze vermochte das engmaschige Kettengeflecht nicht zu durchdringen. Stattdessen brach ihre Spitze ab. Der Speer schrammte mit einem hässlichen Laut über das Kettenhemd nach oben, fand - ob gezielt oder durch einen grausamen Zufall - den schmalen Spalt zwischen Kettenhemd und Helm und bohrte sich hinein. Der Reiter kippte im Sattel nach hinten. Ein Sturzbach von sonderbar hellrotem Blut ergoss sich unter dem Rand seines Helmes hervor und besudelte sein zerrissenes Gewand. Einen Moment lang klammerte sich seine Hand noch im Todeskampf an das Sattelhorn, dann verließen ihn seine Kräfte, er kippte zur Seite und ließ das Banner fallen.

Ridefort schrie auf, als hätte der Speer ihn selbst durchbohrt, und warf sich mit einer fast verzweifelt wirkenden Bewegung vor, um das stürzende Banner aufzufangen, und beinahe hätte er es sogar geschafft. Seine Finger verfehlten die Lanze, die der Hand des sterbenden Ritters entglitt, nur um Haaresbreite, aber sie verfehlten sie. Die Lanze stürzte, und das Baussant flatterte noch einmal wie ein Fanal des Untergangs und verschwand dann hinter dem plötzlich reiterlosen Pferd seines bisherigen Trägers.

Ridefort schrie noch einmal und noch gellender auf, war mit einem gewaltigen Satz aus dem Sattel und auf der anderen Seite des bockenden Pferdes und fiel auf die Knie, um das Banner aufzuheben, doch der Zwischenfall war nicht unbemerkt geblieben. Plötzlich drangen von überall her Sarazenen auf ihn ein, um ihm die heilige Fahne des Templerordens zu entreißen. Ridefort verschaffte sich mit zwei, drei wuchtigen Schwerthieben Luft, und auch einige andere Templer ließen von ihren Gegnern ab, um dem Marschall und vielmehr noch dem Baussant zu Hilfe zu eilen, doch das Banner flatterte ein zweites Mal zu Boden, bevor Ridefort es endgültig ergreifen und festhalten konnte, und aus den Reihen der Sarazenen erhob sich ein tausendstimmiges Triumphgeheul.

Später sollte Robin klar werden, dass dies der Moment war, in dem der Angriff endgültig zusammenbrach. Es gab keinen Grund dafür. Ridefort hatte das Banner längst wieder ergriffen und reckte es trotzig in die Höhe, aber die Sarazenen hatten es zweimal fallen sehen, und dieser Anblick schien sie mit neuer, wilder Kraft zu erfüllen. Robin konnte spüren, wie der Ansturm des Templerheeres erlahmte wie eine Welle, die sich unversehens an einem Felsen brach, und das gesamte Heer dann wie ein einziger, riesiger Körper erzitterte, als sich die Sarazenen zu Tausenden gegen sie warfen. Wieder hielten die gewaltigen Schwerter der Tempelritter furchtbare blutige Beute unter den Angreifern, doch die feindliche Übermacht war einfach zu groß. Ein Ritter nach dem anderen fiel aus dem Sattel oder wurde mitsamt seinem Pferd niedergeworfen, und für jeden Gegner, den sie erschlugen, schienen drei neue wie aus dem Nichts aufzutauchen.

»Haltet stand«, schrie Ridefort und schwenkte fast verzweifelt seine Fahne. »Für Gott und den König! Weicht nicht zurück! Gott will es!«

Aber vielleicht hätte nicht einmal mehr Gott selbst die Niederlage abwenden können. Wenn er tatsächlich in diesen Kampf eingriff, dann tat er es auf der falschen Seite. So unaufhaltsam, wie die stählerne Faust der Tempelritter vor wenigen Augenblicken unter die Sarazenen gefahren war, so unaufhaltsam wurden sie nun zurückgetrieben. Und als hätte das Schicksal entschieden, dass ihre Atempause schon viel zu lange gewährt hatte, fand sich auch Robin plötzlich im schlimmsten Kampfgetümmel wieder.

Vielleicht überlebte sie die folgenden Minuten nur, weil es eben kein ritterlicher Kampf Mann gegen Mann war, wie sie ihn erwartet hatte, sondern ein brutales, blutiges Gemetzel ohne Regeln oder Plan, ein wüstes Hauen und Stechen, bei dem jeder gegen jeden kämpfte und Hiebe, Stiche und Stöße nahezu ziellos austeilte. Robin erinnerte sich hinterher nicht mehr wirklich an Einzelheiten, und sie hätte es auch nicht gewollt. In ihrer Erinnerung verschmolzen die Minuten, in denen der Angriff des Templerheeres endgültig zusammenbrach und aus dem Stolz der Christenheit ein zerschlagener Haufen flüchtender, verzweifelter Männer wurde, der ums nackte Überleben kämpfte, zu einem einzigen Albtraum aus Lärm und Schmerz und Gestank und Furcht, aus tanzenden Schatten und blitzendem Metall, aus sterbenden Männern und zusammenbrechenden Pferden und dem Gestank von Blut.

Robin schlug und hackte verzweifelt um sich, traf und wurde getroffen. Etwas schrammte an ihrem Rücken entlang und konnte ihr Kettenhemd zwar nicht durchdringen, hinterließ aber dennoch eine Linie aus brennendem Schmerz, der ihr die Tränen in die Augen trieb. Ein harter Schlag warf sie um ein Haar aus dem Sattel. Robin fing sich im letzten Moment wieder, zwang ihr Pferd herum und sah sich unversehens einem riesigen Krieger mit wehendem Mantel und einem blitzenden kupferfarbenen Pickelhelm gegenüber, dessen Krummsäbel auf ihren Hals zielte. Verzweifelt versuchte sie, ihr eigenes Schwert in die Höhe zu reißen, und spürte, dass sie nicht schnell genug sein würde, aber im allerletzten Moment kam irgendwo aus dem Kampfgetümmel hinter ihr ein Speer herangeflogen und durchbohrte den Sarazenen. Der Krieger warf die Arme in die Luft und kippte rücklings aus dem Sattel, und Robin riss ihr Pferd herum und sprengte los, ohne weiter als ein halbes Dutzend Schritte zu kommen.