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»Majestät?«, fragte sie.

Der König gab ein sonderbar kehliges Lachen von sich.

»Balduin reicht«, sagte er mühsam. »Majestät dürft Ihr mich wieder nennen, wenn ich nicht mehr vor Euch im Schlamm liege.« Er versuchte sich hochzustemmen, aber das Gewicht seines gestürzten Hengstes drückte ihn so unerbittlich nieder, als wäre er unter Tonnen von Felsen begraben. Robin sah erst jetzt, dass das Gewicht des Tieres den König schon so weit in den weichen Morast hineingepresst hatte, dass er sich mit beiden Händen abstützen musste, um nicht im Schlamm zu ersticken.

»Wo wir schon einmal dabei sind ...« Balduin streckte mühsam einen Arm in ihre Richtung, mit dem anderen stützte er sich am Uferschlamm ab. »Nur falls Ihr gerade nichts Dringendes vorhabt. Bruder - könntet Ihr mir vielleicht dabei behilflich sein, unter diesem Stück zukünftigen Sauerbratens hervorzukommen?«

Robin starrte Balduins Hand an. Auch seine Finger steckten in einem feinmaschigen Kettengeflecht, von dem Schlamm und brackiges Wasser tropften.

»Keine Angst, edler Ritter«, sagte Balduin spöttisch, als er ihr Zögern bemerkte. »Ich trage Handschuhe, wie Ihr seht. Außerdem ist es nicht ansteckend. Das behaupten jedenfalls diese Quacksalber, die sich meine Ärzte schimpfen.«

Robin griff hastig zu, ergriff Balduins ausgestreckten Arm und stemmte sich mit gespreizten Beinen in den Boden, während sie mit aller Kraft zerrte. Auch Balduin tat sein Möglichstes, um unter dem gestürzten Hengst hervorzukriechen. Im allerersten Moment schien es, als reichten nicht einmal ihre gemeinsamen Kräfte aus, um den König aus seiner lebensbedrohlichen Lage zu retten, dann aber kam er mit einem so plötzlichen Ruck frei, dass Robin zurückstolperte und mit hilflos rudernden Armen der Länge nach im Morast landete.

Balduin begann schallend zu lachen, allerdings nur für einen kurzen Moment; dann ging sein Lachen in ein qualvolles Husten über, und er ließ sich direkt neben ihr ebenfalls zu Boden sinken.

»Ich danke Euch, Bruder ...?« Er legte den Kopf auf die Seite und sah sie fragend an. »Ich möchte ja nicht aufdringlich erscheinen, aber wenn ich mich später bei Euch bedanken will, wäre es möglicherweise von Vorteil, Euren Namen zu kennen.«

»Robin«, antwortete Robin.

Da sie Balduins Gesicht nicht sehen konnte, war es ihr auch nicht möglich, den Ausdruck darauf zu deuten, aber sie konnte seine Überraschung deutlich spüren. »Robin?«, vergewisserte er sich. »Robin von Tronthoff?«

Um ein Haar hätte sie den Kopf geschüttelt. Es war so lange her, dass sie ihren - falschen - Nachnamen das letzte Mal gehört hatte, dass sie sich kaum noch daran erinnerte. »Ihr ... habt von mir gehört, Majestät?«, fragte sie unbehaglich.

»Balduin«, verbesserte er sie. »Majestät bin ich erst wieder, wenn ich stehe. Und: Ja, natürlich habe ich von Euch gehört, dem jungen Tempelritter, der vor zwei Jahren mit Bruder Abbé aus dem fernen Friesland gekommen ist. Ihr seid doch der junge Ritter, der zwei Jahre lang der Gefangene des Alten vom Berge war.«

»Ihr seid ... gut informiert, Maje ... Balduin«, erwiderte Robin ausweichend. Ihr Herz begann zu klopfen. Gab es denn in diesem ganzen Land eigentlich niemanden, der ihre Geschichte nicht kannte?

»Das gehört sich auch für einen König«, antwortete Balduin spöttisch. Plötzlich lachte er wieder. »Und da sage noch einer, Gott hätte keinen Sinn für Humor! Zehntausend Männer sind hier versammelt, und von allen rettet mir ausgerechnet derjenige das Leben, der den wenigsten Grund dazu hätte.«

Robin fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Zähne. Sie hatte das fast sichere Gefühl, dass der junge König auf etwas ganz Bestimmtes hinauswollte. Beinahe nur, um Zeit zu gewinnen, fragte sie: »Was ist hier geschehen, Majestät?«

Diesmal verzichtete Balduin darauf, sie zu verbessern. »Wenn ich das wüsste«, seufzte er. »Meine ebenso unfähigen wie inzwischen wohl ausnahmslos toten Leibwächter und ich sind ganz harmlos des Weges geritten, als wir wohl unversehens in einen Krieg geraten sein müssen.« Er deutete auf sein erschossenes Pferd. »Seht Euch das an, Robin! Wenn ich nicht genau wüsste, dass es unmöglich ist, könnte ich auf die Idee kommen, dass jemand etwas gegen mich hat.«

Robin verbiss sich jede Antwort. Wäre ihr der Gedanke nicht zu respektlos erschienen, hätte sie fast an Balduins Verstand gezweifelt. Sie saßen am Rande eines Schlachtfeldes, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ein paar von Saladins Reitern auf sie aufmerksam wurden oder den König gar erkannten, und Balduin trieb seine Scherze? Statt etwas zu sagen, betrachtete sie Balduins totes Pferd - und runzelte plötzlich die Stirn.

»Das ist seltsam«, murmelte sie.

»Ah, Ihr habt also auch den Verdacht, dass es kein Versehen gewesen sein könnte?«, fragte Balduin.

Robin blieb ernst. Einen Moment lang blickte sie noch das tote Pferd an, dann stand sie auf, ging zu einem der erschlagenen Lazarusritter und ließ sich neben ihm auf die Knie sinken. Fast beiläufig registrierte sie, dass nahezu alle Männer erschossen worden waren. Sie achtete sorgsam darauf, das Gesicht des Mannes nicht anzusehen und auf keinen Fall seine Haut zu berühren, während sie den Pfeil aus seiner Seite zog.

»Seht Ihr das, Majestät?«

»Ein Pfeil, in der Tat«, sagte Balduin betrübt. »Jetzt müsste ich allmählich wirklich verletzt sein. Mit einem ordinären Pfeil auf mich zu schießen! Geschmolzenes Gold in die Kehle oder Diamantsplitter, die man insgeheim unter das Essen mischt, das ist ein Tod, der eines Königs würdig ist - aber ein ordinärer Pfeil? Das ist blamabel.«

Robin ignorierte seinen spöttischen Ton. »Das ist kein gewöhnlicher Pfeil«, sagte sie.

»Nein?« Balduins Augen leuchteten auf.

»Er ist schwarz«, sagte Robin ungerührt. »Ebenso wie alle anderen hier. Seht Ihr? Ein schwarzer Schaft, eine geschwärzte Spitze und sogar schwarze Federn.«

»Und? Hättet Ihr erwartet, dass man ihn in den königlichen Farben bemalt, bevor man damit auf mich schießt?« Balduin scherzte noch immer, aber der Blick seiner durchdringenden grünen Augen schien plötzlich wacher zu werden.

»Pfeile wie diese benutzen Sheik Raschids Männer«, fuhr Robin fort.

»Die Assassinen?«, fragte Balduin zweifelnd. »Ihr müsst Euch irren, Robin. Der Alte vom Berge gehört seit vielen Jahren zu unseren treuesten Verbündeten.«

»Und doch ist allgemein bekannt, dass nur die Assassinen diese Art von Pfeilen benutzen«, beharrte Robin, legte eine kurze, bewusst dramatische Pause ein und fuhr dann fort: »Aber diesen Pfeil hat kein Assassine gefertigt.«

»Gerade hast du noch gesagt, dass nur die Assassinen schwarze Pfeile benutzen«, sagte Balduin. Jede Spur von Spott war aus seiner Stimme verschwunden. »Und er ist schwarz.«

»Dennoch stammt er nicht aus Masyaf«, beharrte Robin. »Die Spitze ist anders. Und auch die Form der Federn ist nicht vollkommen korrekt. Er sieht ihm ähnlich, aber er stammt nicht von den Assassinen.«

Balduin streckte die Hand aus. Robin reichte ihm den Pfeil, und Balduin drehte ihn eine geraume Weile nachdenklich in den Händen. »Seid Ihr sicher?«