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»Und ... Bruder Robin?«, fragte Robin. »Ist er ... tot?«

»In der Schlacht gefallen, meinst du?« Abbé schüttelte den Kopf. »In der Tat habe ich einen Moment ernsthaft über diese Möglichkeit nachgedacht. Ein eleganter Ausweg, um dieser unerquicklichen Situation zu entkommen. Leider ist uns diese Möglichkeit im Moment verwehrt.«

»Wieso?«, fragte Robin. Ihre eigene Reaktion überraschte sie. Abbé hatte vollkommen Recht: In der Schlacht waren Hunderte von Männern gefallen, wenn nicht Tausende. Einer mehr oder weniger machte keinen Unterschied. Niemand würde sich etwas dabei denken, wenn auch Bruder Robin nicht von den Ufern des Litaniflusses zurückkehrte.

»Weil Bruder Robin von Tronthoff - gepriesen sei der Herr ...«, Abbé unterbrach sich, um das Kreuzzeichen zu schlagen, aber das fast jungenhafte Grinsen, das sich dabei auf seinem Gesicht ausbreitete, negierte die fromme Bewegung sofort wieder, »... weil also Bruder Robin einer höchst wichtigen Persönlichkeit das Leben gerettet hat.«

»Balduin«, sagte Robin. Ihre Erinnerungen waren ohne eine Spur von Überraschung wieder da. »Ich weiß.«

»Dem König«, verbesserte sie Abbé. Er klang ein bisschen düpiert.

»Nicht, solange er vor mir im Schlamm lag«, antwortete Robin kopfschüttelnd.

Abbé blinzelte verwirrt, ging dann aber nicht weiter auf das Thema ein, sondern setzte seine unterbrochene Rede fort: »Gott in seiner unermesslichen Weisheit hat es also gefallen, einem gewissen Bruder nicht nur dem König das Leben retten zu lassen, sondern das auch dergestalt zu tun, dass er sein eigenes Leben dabei aufs Spiel gesetzt hat und schwer verwundet wurde.«

»Also ist Bruder Robin jetzt so etwas wie ein Held?«, fragte Robin. Das hatte ihr gerade noch gefehlt!

»Theoretisch ja«, antwortete Abbé. »In der Praxis ist es aber so, dass besagter Bruder ihm nicht nur das Leben gerettet hat, sondern ihm auch noch so ganz nebenbei eine Verschwörung aufgedeckt hat.« Er wiegte den mittlerweile fast vollkommen kahl gewordenen Schädel. »Eine Verschwörung, die sich bis in die höchsten Kreise am Hofe Jerusalems erstreckt, wie ich hinzufügen möchte. König Balduin selbst hat den Befehl erteilt, dass alles getan werden soll, um das Leben dieses tapferen jungen Bruders zu retten.«

»Oh«, machte Robin.

»Ja, genau das war auch das Erste, was mir dazu eingefallen ist«, pflichtete ihr Abbé bei. »Aber Politik ist eine sonderbare Sache, mein Kind. Aus bestimmten Gründen möchte der König nicht, dass der feige Anschlag auf sein Leben ruchbar wird. Jedenfalls jetzt noch nicht. Er hat also niemandem etwas gesagt, sondern diesen tapferen, schwer verletzten jungen Ordensritter in aller Heimlichkeit nach Safet gebracht und von unseren zuverlässigsten Rittern bewachen lassen. Später will er ihn dann zu sich rufen lassen. Ich vermute, um sich in aller Form bei ihm zu bedanken.« Er verzog flüchtig das Gesicht. »Vielleicht mit einem Bruderkuss?«

Robin verspürte einen kurzen Anflug von Ekel, auch wenn ihr natürlich klar war, dass Abbé sie nur foppen wollte. »Wie geht es dem König?«, fragte sie.

»Gut«, sagte Abbé. »Jedenfalls den Teilen, die noch von ihm übrig sind.«

Robin überging die Bemerkung, schon, um nicht vor Lachen laut herauszuplatzen, was ihr unziemlich erschienen wäre. Immerhin sprachen sie über den König. »Wir sind also in Safet«, stellte sie fest.

»Ich sagte, Bruder Robin ist in Safet«, verbesserte sie Abbé.

»Wir sind in Jerusalem.«

»Jerusalem?« Robin richtete sich kerzengerade auf, was eine neue Welle von Schmerz in ihrer Schulter auslöste - die sie in diesem Moment aber nicht einmal wirklich zur Kenntnis nahm. Sie waren in Jerusalem? Sie hatte alles, was hinter ihr lag, im Grunde nur auf sich genommen, um hierher zu kommen, die Heilige Stadt der Christenheit mit eigenen Augen zu sehen und über den gesegneten Boden zu schreiten, den Gottes Sohn selbst berührt hatte!

So viel, hörte sie eine dünne, aber unüberhörbar spöttische Stimme irgendwo in ihren Gedanken, zu ihrer eigenen Behauptung, sie wäre keine gute Christin mehr.

Sie verscheuchte den Gedanken.

»Ja«, antwortete Abbé. »Und das schon seit einer Woche.«

»Eine Woche?«, wiederholte Robin ungläubig. »Ich habe eine Woche geschlafen?«

Abbé zog sich einen Schemel heran, auf den er sich nicht nur mit einem erschöpften Seufzer sinken ließ, sondern der auch hörbar unter seinem Gewicht ächzte. Robin fiel erst jetzt auf, dass der pausbäckige Tempelritter, abgesehen von einem rapiden Verlust seiner restlichen Haare, zwar in den zurückliegenden beiden Jahren keinen Tag älter geworden zu sein schien, dafür aber gehörig an Gewicht zugelegt hatte. Seltsam - sie hätte das genaue Gegenteil erwartet.

»Nicht eine Woche«, antwortete er schließlich. »Fünfzehn Tage.«

Robin starrte ihn an.

»Zwei Wochen und einen Tag«, bestätigte Abbé. »Es ist ein weiter Weg von den Ufern des Litani bis nach Jerusalem. Und den Umweg über Safet nicht zu vergessen, wo wir den bedauernswerten Bruder Robin abliefern mussten, um ihn in der Obhut von Bruder Horace zurückzulassen.«

Es fiel Robin immer noch schwer, Abbés Worten glauben zu schenken. Vergeblich lauschte sie in sich hinein. Sie müsste es doch spüren, wenn sie zwei Wochen im Fieber dagelegen hätte!

»Wieso kann ich mich nicht erinnern?«, fragte sie schaudernd.

»Deine treue Dienerin da«, antwortete Abbé mit einer Kopfbewegung und einem strafend gespielten Blick auf Saila, »hat dir dreimal täglich einen Trunk eingeflößt, angeblich, um deine Wunden zu heilen und dein Fieber zu bekämpfen. Wäre ich kein Mann Gottes, so würde ich glatt behaupten, es handele sich um ein Hexengebräu vom Berge Masyaf. Immerhin sagt man deinem äh ... Schwiegervater nach, er wäre nicht nur der Herr der Mörder und Attentäter, sondern auch ein großer Hexenmeister.«

»Und einer der wichtigsten Verbündeten des Ordens«, fügte Robin hinzu.

»Und einer unserer wichtigsten Verbündeten«, bestätigte Abbé. »Deshalb ist es ja auch ganz und gar ausgeschlossen, dass er wirklich die schwarze Magie betreibt. Würden wir uns sonst mit ihm einlassen?«

»Bestimmt nicht«, sagte Robin ernsthaft.

»Eben.« Bruder Abbé wandte sich zu Nemeth um. »Wie es scheint, warst du gerade doch nicht laut genug, mein Kind, auch wenn ich für einen Moment geglaubt habe, die Posaunen von Jericho erschallen zu hören. Warum gehst du nicht und suchst nach Salim, um ihn zu holen? Ich bin sicher, er kann es kaum noch erwarten, seine Gattin in die Arme zu schließen.«

Saila warf ihm einen strafenden Blick zu, wagte es aber nicht, auch nur ein Wort zu sagen, zumal sich Abbé nun auch an sie wandte und in nur ganz leicht, aber dennoch hörbar kühlerem Ton hinzufügte: »Und du, mein Mädchen, solltest hinab in die Küche gehen und eine kräftige Mahlzeit für deine Herrin zubereiten. Immerhin hat sie seit zwei Wochen nichts mehr gegessen.«

Robin wurde allein bei dem Gedanken an Essen schon fast übel, aber sie schwieg, bis Saila und ihre Tochter die Kammer verlassen hatten. »Wieso schickst du sie weg?«, fragte sie dann. »Ich habe keine Geheimnisse vor ihnen. Sie wissen alles über mich.«

»Alles ist manchmal zu viel«, sagte Abbé. »Ich war schon immer der Meinung, dass ein Geheimnis im Grunde nur dann ein Geheimnis ist, wenn möglichst wenige von ihm wissen.«

»Oder gar keiner?«, schlug Robin vor.

»Richtig«, antwortete Abbé ungerührt. »Wir sollten jetzt genau überlegen, was zu tun ist. Ich will ehrlich zu dir sein, Robin. Das Spiel, das wir gemeinsam spielen, beginnt allmählich gefährlich zu werden. Nicht nur für dich. Ich habe meine schützende Hand über dich gehalten, solange ich konnte, aber auch meine Macht ist begrenzt. Vor allem jetzt, wo Odo nicht mehr da ist.«