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Vielleicht konnte sie ja herausfinden, wie sehr. »Wann hast du denn das letzte Mal ein Kamel am richtigen Ende geküsst?«, fragte sie.

Salim dachte einen Moment angestrengt nach. »Vor fünfzehn Tagen«, sagte er dann. »Oder sind es mittlerweile schon sechzehn?«

Hinter ihr räusperte sich Abbé noch einmal und deutlich lauter, und Robin knuffte Salim abermals und diesmal so hart in die Rippen, dass er ächzend nach Luft rang. Dann aber ließ sie es gut sein. Sie hätte zwar nicht übel Lust gehabt, Abbé noch eine Weile in seinem eigenen Saft schmoren zu lassen (wer weiß, dachte sie spöttisch, vielleicht ja in wortwörtlichem Sinne), aber die Situation war zu kompliziert, um noch mehr Zeit zu verschwenden. Sie ließ Salim zwar nicht völlig los, lockerte ihren Griff aber ein wenig und drehte sich zu Abbé um.

»Verzeiht, Bruder«, sagte sie spöttisch. »Ich wollte Euch nicht in Verlegenheit bringen. Immerhin seid Ihr ein Mann Gottes und den Anblick verwerflicher fleischlicher Genüsse nicht gewohnt.«

Abbé spießte sie mit Blicken regelrecht auf, überging das Thema aber ansonsten diskret und wandte sich direkt an Salim.

»Wenn Ihr schon gelauscht habt, Assassine, dann habt Ihr mir wenigstens die Mühe abgenommen, alles noch einmal erklären zu müssen.«

»Es wäre sowieso unnütz.« Salim schlang seinen Arm um ihre Schulter und drückte sie mit sanfter Kraft an sich. Die Berührung tat gut und gab ihr das Gefühl, ebenso geborgen wie sicher zu sein, aber sie hatte auch etwas fast Besitzergreifendes, das ihr nicht gefiel. Sie widerstand dem Impuls, seinen Arm abzustreifen, doch es kostete sie Mühe.

»Ich bringe Robin zurück nach Masyaf«, fuhr Salim fort.

»Mein Vater wird in drei oder vier Tagen hier eintreffen. Wir schließen uns seinem Gefolge an, sobald er Jerusalem wieder verlässt.« Seine Finger strichen zärtlich über ihre Wange. »Keine Angst, Geliebte. Ich werde nicht zulassen, dass man dir noch einmal wehtut.«

Robin schob seine Hand weg, aber er nahm es gar nicht zur Kenntnis, und auch Abbé fuhr direkt an ihn gewandt fort: »Der einzig vernünftige Vorschlag«, sagte er, wobei er gewiss nicht durch Zufall Salims eigene Worte benutzte. »Wenn Dariusz auch nur den Verdacht hat, sie könnte noch am Leben sein, gäbe ich keinen Pfifferling mehr um ihr Leben.«

»He!«, protestierte Robin. Verwirrt und ärgerlich sah sie von Salim zu Abbé und wieder zurück. »Hättet ihr vielleicht die Güte, in meiner Gegenwart nicht so über mich zu sprechen, als wäre ich gar nicht da?«

»Wird der König nicht misstrauisch werden?«, fragte Salim.

»Er weiß immerhin, dass Robin nur an der Schulter getroffen wurde.«

»Aber er weiß nichts von den Zauberkräften deines Vaters, Assassine«, antwortete Abbé. »Hast du schon einmal gesehen, was der Wundbrand selbst aus einer harmlosen Verletzung machen kann?«

Salim blieb unschlüssig. »Er hat ihr Gesicht gesehen.«

»Für einen Augenblick, und es war gezeichnet von der Schlacht und voller Blut und Schweiß.« Abbé schüttelte düster den Kopf. »Wir werden einen Toten finden, der ihr hinlänglich ähnlich sieht. An Leichen herrscht auf Safet im Moment wahrlich kein Mangel!«

»He!«, protestierte Robin. »Habe ich dazu vielleicht auch noch etwas zu sagen?«

»Nein«, antworteten Salim und Bruder Abbé gleichzeitig und wie aus einem Mund.

»König Balduin ist nicht dumm«, versuchte sie es noch einmal.

»Er wird es merken.« Darauf antwortete Abbé erst gar nicht. Robin fuhr fast verzweifelt fort: »Aber ... aber Ihr habt gehört, was ich über Dariusz erzählt habe! Und die Verschwörung gegen den König! Wollt Ihr denn gar nichts dagegen tun?«

»Es war schon immer die erklärte Linie des Ordens«, antwortete Abbé, »sich nicht in die Politik einzumischen. Könige kommen und gehen, aber der Orden bleibt.«

Das war hanebüchener Unsinn, das wusste Robin. Trotzdem fragte sie: »Und Dariusz?«

»Wir werden uns darum kümmern«, sagte Abbé ernst.

»Und wenn ihr es nicht tut, dann tue ich es«, fügte Salim hinzu.

»Das habe ich jetzt nicht gehört«, sagte Abbé kopfschüttelnd.

»Was immer Bruder Dariusz auch getan haben mag, ich kann nicht zulassen, dass er von der Hand eines gedungenen Mörders fällt, auch wenn ich Euch gut verstehen kann. Gott wird ihn richten, und wenn nicht er, dann wir.«

Salim sagte nichts mehr dazu, aber sein Blick machte klar, dass er keinen Deut von seiner Drohung zurückwich. Dariusz war jetzt schon so gut wie tot, dachte sie bitter. Sie würde ihm keine Träne nachweinen, aber wollte sie wirklich seinen Tod?

Abbé beendete das Thema mit einer bestimmenden Geste.

»Genug. Ich kann deine Gefühle verstehen, Robin. Du bist noch immer so stolz und stur wie damals, als wir uns kennenlernten. Aber das hier ist keine Frage des Stolzes.« Er deutete auf Salim.

»Auch auf die Gefahr hin, mir damit den Hass deines Gemahls zuzuziehen, so könnten dich nicht einmal die Mauern Masyafs vor Dariusz schützen, wüsste er, dass du am Leben bist, und auch alle seine Männer nicht. Bruder Robin wird sterben, so oder so.«

Robin wusste ja, dass er Recht hatte. Was er sagte, blieb vermutlich noch weit hinter der Wahrheit zurück. Dariusz würde nicht zulassen, dass ein Zeuge seiner Tat zurückblieb. Er würde vielleicht nicht einmal zögern, ihretwegen einen Krieg anzufangen.

So wenig wie Salim, übrigens.

»Und nun müsst ihr mich entschuldigen, Kinder«, fuhr Abbé in vollkommen verändertem Ton fort. »Mich rufen dringende Geschäfte, wie ihr ja sicher verstehen könnt. Ich muss ein paar Briefe schreiben. Vorbereitungen treffen ... ihr wisst schon.«

Sein Grinsen wurde anzüglich. »Und ich nehme an, dass ihr euer Wiedersehen gebührend feiern wollt.«

Und damit verschwand er, noch bevor Robin auch nur eine weitere Frage stellen konnte.

Salim nahm den Arm von ihrer Schulter und griff in die Tasche seines schwarzen Mantels. Als er die Hand wieder hervorzog, lagen einige saftige dunkelgrüne Blätter darauf.

»Was ist das?«, fragte Robin misstrauisch.

Salim grinste breit. »Eukalyptusblätter«, sagte er. »Gegen den Kamelgeschmack.«

20. KAPITEL

In den nächsten beiden Tagen sah sie Bruder Abbé gar nicht, Salim dafür aber umso öfter wieder. Der Sohn des Alten vom Berge hatte verschiedene Pflichten, denen er in diesem Assassinenhaus inmitten von Jerusalem nachkommen musste, aber sie nahmen nur wenige Stunden am Tage in Anspruch, und seine gesamte übrige Zeit verbrachte er mit ihr.

Natürlich genoss sie die Zeit, die sie in seinen Armen lag oder eng an ihn gekuschelt am Fenster saß und auf den schmalen Ausschnitt der Stadt hinuntersah, den sie von hier aus erkennen konnte. Er beantwortete all ihre Fragen über Jerusalem und all die Wunder, die die Mauern der Stadt beherbergten, mit großer Geduld und in aller Ausführlichkeit. Ihre hartnäckig vorgebrachten Bitten jedoch, sie mit hinaus in die Stadt zu nehmen, sodass sie all diese Wunder mit eigenen Augen schauen konnte, beschied er immer wieder abschlägig; mehr noch: Robin verlegte sich schließlich darauf, ihn wenigstens um ein anderes Zimmer zu bitten, sodass sie einen anderen Ausschnitt der Stadt betrachten konnte, doch selbst das lehnte er ab, ohne zu erklären, warum. Ob es Robin gefiel oder nicht, sie begann den Gedanken zu akzeptieren, dass sie trotz allem eine Gefangene war.

Natürlich gefiel ihr das nicht.

Am dritten Tag, nachdem sie in diesem Zimmer aufgewacht war, verabschiedete sich Salim mit der Eröffnung, dass die Ankunft seines Vaters in den nächsten Stunden erwartet wurde und es durchaus Abend werden könnte, bis er zu ihr zurückkam.

Robin verabschiedete ihn mit einem langen Kuss und einem Bedauern, das nicht vollkommen geheuchelt war. Sie hatten sich an diesem Morgen bereits zweimal geliebt, und dennoch erregte sie der Anblick seiner muskulösen und doch schlanken Brust schon wieder. Ihre Hand kroch an seinem Bein empor, aber Salim hielt ihre Finger fest, bevor sie ihr Ziel erreichten.