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»Du bist ja unersättlich«, sagte er mit gespielter Missbilligung.

»Du etwa nicht?«, fragte Robin mit einer Geste dorthin, wohin ihre Hand unterwegs gewesen war.

Salim folgte ihrem Blick und zog die Augenbrauen noch weiter zusammen. »Das muss an den Eukalyptusblättern liegen. Sie erinnern mich an mein Lieblingskamel, weißt du?«

»Welches Ende?«, wollte Robin wissen.

Salim lachte und küsste sie spielerisch auf die Nase, hielt ihre Hand jedoch weiter fest und schob sie dann sogar weg, während er aufstand und sich nach seinem Hemd bückte. »Es tut mir Leid, aber ich muss wirklich noch eine Menge Vorbereitungen treffen, bevor mein Vater hier ist. Später, wenn wir wieder in Masyaf sind, haben wir so viel Zeit für uns, wie wir nur wollen. Ich gebe dir mein Wort, dass ich nie wieder von deiner Seite weichen werde. Auch«, fügte er hinzu, während er die Arme hob und in sein Hemd schlüpfte, und seine Stimme drang dabei nur noch gedämpft unter dem groben schwarzen Stoff hervor, »wenn ich nicht ganz sicher bin, ob ich dir auf die Dauer gewachsen sein werde.« Er streifte seinen Mantel über, warf ihr mit spitzen Lippen einen Kuss zu und begann noch im Hinausgehen seinen Turban zu wickeln.

Robin zog eine Schnute und ließ sich wieder in das weiche Kissen ihres Bettes zurücksinken. Ihre Schulter schmerzte ein bisschen - das war kein Wunder, nach der letzten Stunde -, aber die Heilung machte dennoch erstaunlich gute Fortschritte. Die Salbe, die Saila ihr zweimal am Tag auftrug, wirkte wahre Wunder.

Es würde zwar noch lange dauern, bis sie den Arm wieder richtig benutzen konnte (davon, einen Schild zu tragen und etwa die Wucht eines Schwerthiebes damit aufzufangen, gar nicht zu reden), aber wenn Saila die Verbände wechselte, dann erblickte sie eine Wunde, die aussah, als wäre sie mindestens zwei Monate alt, nicht zwei Wochen.

Salims Geruch haftete noch an der Bettwäsche. Robin sog ihn tief in die Nase ein und schloss die Augen, als sich ein wohliges Kribbeln in ihrem Leib auszubreiten begann, allein ausgelöst von der Erinnerung an Salims Nähe, das unbeschreibliche Gefühl, ihn in sich zu spüren. Es wurde stärker, als ihre Hände über ihre Brüste und weiter hinab zu ihrem Schoß zu wandern begannen.

Dann fuhr sie erschrocken zusammen, zog ihre Hand mit einem heftigen schlechten Gewissen zurück und setzte sich mit einem Ruck auf. Was war nur mit ihr los?

Gut, ihr schlechtes Gewissen hielt sich in Grenzen, aber Salims spielerischer Vorwurf war nicht ganz so aus der Luft gegriffen, wie es ihr im Grunde lieb gewesen wäre. Seit sie Salims Frau geworden war, hatte sie die Freuden dessen, was Bruder Abbé so gerne als fleischliche Genüsse bezeichnete, kennen und in weitaus größerem Maße schätzen gelernt, als sie in seiner Gegenwart jemals zugegeben hätte. Doch seit ihrer Rückkehr hierher war sie tatsächlich fast unersättlich geworden. Sie brauchte Salims Wärme in sich mindestens zweimal am Tag, wenn nicht öfter - und es war dennoch, als könne sie einfach nicht genug bekommen. Vielleicht, weil sie sich in diesen Momenten auf unbeschreibliche Weise lebendig fühlte.

Vielleicht hatte es mit der Schlacht zu tun, dachte sie. Ihre Gier nach allem, was Lebendigkeit verströmte und ihr dabei das Gefühl gab, selbst lebendig zu sein. Vielleicht hatte sie für ein einziges Leben einfach zu viel Leid und Tod gesehen.

Sie streifte die Decke endgültig ab und schwang gerade die Beine aus dem Bett, als die Tür aufging und Nemeth hereinkam. Das Mädchen streifte sie mit einem sonderbaren Blick, und Robin fragte sich, ob sie sie belauscht oder Salim und sie gar beobachtet hatte. Das Ergebnis, zu dem sie kam, war einem Ja deutlich näher als einem Nein, aber sie verzichtete darauf, dem Mädchen die Frage laut zu stellen. Was hatte sie davon, Nemeth in Verlegenheit zu bringen? Darüber hinaus war sie bald alt genug, sich mit gewissen Dingen des Lebens vertraut zu machen.

»Benötigt Ihr etwas, Herrin?«, fragte Nemeth. »Wasser oder etwas zu essen?«

Robin schüttelte stumm den Kopf und trat ebenso wortlos an das Fester heran, an dem sie in den letzten Tagen so oft gestanden und auf die Stadt hinabgeblickt hatte, der ihre ganze Sehnsucht galt und die so nahe und doch so unerreichbar fern war. Es war selbst nach all der Zeit noch immer ein faszinierender Anblick. Obwohl es noch früh war, spürte Robin schon, wie heiß der Tag wieder werden würde. Staub hing in der Luft und versah die Konturen der Gebäude mit einem zweiten, flimmernden Umriss. Im Licht der noch tief stehenden Sonne sah es aus, als sei die Heilige Stadt in goldene Schleier gehüllt. Die Stadt strahlte ... Erhabenheit aus. Die Türme zahlloser Kirchen erhoben sich aus dem Labyrinth von Straßen und schmalen, verwinkelten Gässchen. Eine hohe Mauer umgürtete die gesamte Stadt, von der sie allerdings von hier aus nur einen winzigen Teil sehen konnte.

Besonders eindrucksvoll erschien ihr das etwas höher gelegene Felsplateau am östlichen Ende der Stadt gegenüber des Ölbergs. Dort erhob sich zwischen anderen Gebäuden eine hohe Kuppel, die von einem mächtigen Kreuz gekrönt wurde. Der Templum Domini. Sie hatte andere Tempelritter von dem Ort erzählen hören, der unter dem besonderen Schutz ihres Ordens stand. Dort lag der Fels, auf dem Abraham seinen Sohn Isaak Gott opfern wollte. Und plötzlich wurde sich Robin bewusst, dass Jesus selbst über den Ölberg gekommen war, als er nach Jerusalem einzog. Seltsam, dachte sie. Sie hatte geglaubt, sich spätestens während des Grauens der Schlacht endgültig von ihrem Glauben losgesagt zu haben, und doch dachte sie jetzt mehr an Gott und seinen Sohn als in all den Monaten zuvor. Vielleicht hatte sie sich ja gar nicht von Gott losgesagt, sondern nur von dem, was Menschen in seinem Namen taten.

»Eine wunderschöne Stadt, nicht wahr?«, fragte Nemeth. Sie war lautlos neben sie getreten, und auch in ihrer Stimme meinte Robin etwas zu hören, das weit über das Maß normalen kindlichen Staunens hinausging. »Ich wusste gar nicht, dass es so große Städte gibt. Hier müssen mehr Menschen leben als in einem ganzen Land!«

»Es gibt noch sehr viel größere Städte«, antwortete Robin. »Ich habe ein paar davon mit eigenen Augen gesehen. Aber Jerusalem ist schon etwas Besonderes. Es ist die heiligste Stadt der Christenheit.«

»Die heiligste Stadt der Christenheit«, wiederholte Nemeth in sonderbar nachdenklichem Ton. Sie runzelte die Stirn. »Warum liegt sie dann in unserem Land?«

Robin sah sie verstört an.

»Habt Ihr sie schon gesehen, Herrin?«, fuhr Nemeth ungerührt fort. »Ich meine: Wart Ihr schon draußen in der Stadt?«

Robins Gesicht verdüsterte sich. »Du weißt genau, dass Salim und Bruder Abbé mich hier gefangen halten. Findest du es gut, dich auch noch über mich lustig zu machen?«

»Das wollte ich nicht, Herrin«, antwortete Nemeth mit einem breiten Grinsen, das so ungefähr das genaue Gegenteil behauptete. »Ich frage mich ja nur, ob Ihr sie sehen wollt.«

»Salim hat Wachen vor jede Tür aufgestellt«, grollte Robin.

»Und wie ich ihn kenne, schleichen seine Spione durch die ganze Stadt, nur für den Fall, dass ich trotzdem hier herauskäme.«

»Er kennt Euch eben«, feixte Nemeth.

Robin seufzte tief. »Das hier ist ein Assassinenhaus, Nemeth. Es führt kein Weg hinaus.«

Nemeth schwieg. Aber sie tat es auf eine ganz bestimmte Art, die dazu führte, dass Robin sich nach einem weiteren Moment vom Anblick der Stadt draußen vor dem Fenster losriss und sie stirnrunzelnd ansah.

»Oder?«, fragte sie.

Nemeth schwieg beharrlich weiter, aber ihre Augen blitzten schelmisch.

»Du kennst einen Weg hier hinaus?«, fragte Robin.