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Der Offizier rutschte unsicher im Sattel umher, als hege er plötzlich Zweifel daran, seine eigenen Forderungen durchsetzen zu können. Dann blickte er zu seinen Männern zurück — entweder um bei ihnen Rückhalt zu gewinnen, oder weil er sich daran erinnerte, daß sie ihn beobachteten — und brachte sich wieder unter Kontrolle. »Ich fürchte Eure Schattenfreund-Methoden nicht, Hexe. Antwortet mir, oder Ihr antwortet den Zweiflern.« Es klang aber nicht so entschlossen wie vorher.

Verin öffnete den Mund, als wolle sie ein wenig Konversation machen, doch bevor sie etwas sagen konnte, warf Elayne mit einer wahren Kommandostimme ein: »Ich bin Elayne, die Tochter-Erbin von Andor. Wenn Ihr nicht sofort Platz macht, werdet Ihr es mit Königin Morgase zu tun bekommen, Weißmantel!« Verin zischte frustriert durch die Zähne.

Der Weißmantel blickte einen Moment lang verblüfft drein, aber dann lachte er. »Das glaubt Ihr vielleicht, ja? Möglicherweise werdet Ihr feststellen, daß Morgase die Hexen gar nicht mehr so sehr liebt, Mädchen. Wenn ich Euch denen wegnehme und zu ihr zurückbringe, wird sie mir dafür dankbar sein. Der Lordhauptmann Eamon Valda würde gern mit Euch sprechen, Tochter-Erbin von Andor.« Er hob eine Hand. Egwene wußte nicht, ob er es nur als Geste verstanden haben wollte oder seinen Männern ein Zeichen gab. Einige der Weißmäntel strafften ihre Zügel.

Wir können nicht mehr warten, dachte Egwene. Ich lasse mich nicht noch einmal in Ketten legen! Sie öffnete sich dem Fluß der Einen Macht. Es war einfach für sie, und nachdem sie ja nun einige Übung hatte, ging es auch viel schneller als beim erstenmal. Ein Herzschlag, und ihr Geist war von allem geleert außer einer einzelnen Rosenknospe, die in der Leere schwebte. Sie war die Rosenknospe und öffnete sich dem Licht, öffnete sich Saidar, der weiblichen Hälfte der Wahren Quelle. Die Macht durchströmte sie und drohte, sie wegzuschwemmen. Es war, als sei sie mit Licht gefüllt, eins mit dem Licht in strahlender, überwältigender Ekstase. Sie kämpfte dagegen an, überwältigt zu werden, und konzentrierte sich auf den Boden vor dem Pferd des Weißmantel-Offiziers. Ein kleiner Fleck Bodens nur, denn sie wollte niemanden töten. Mich bekommt Ihr nicht! Die Hand des Mannes bewegte sich noch immer aufwärts. Aufbrüllend explodierte der Boden vor ihm, und eine Fontäne von Erdbrocken und Steinen erhob sich bis über seinen Kopf. Wiehernd bäumte sich sein Pferd auf, und er fiel wie ein Sack aus dem Sattel.

Bevor er noch am Boden lag, lenkte Egwene ihre Aufmerksamkeit auf die anderen Weißmäntel, und eine weitere kleine Explosion zerfetzte den Boden vor ihnen. Bela tänzelte zur Seite, aber sie kontrollierte die Stute völlig unbewußt durch Zügel und Schenkeldruck. Obwohl sie in die Leere gehüllt war, war sie überrascht über eine dritte Explosion, die nicht ihr Werk war, und eine vierte. Ganz entfernt war sie sich Nynaeves und Elaynes bewußt, die beide in das Glühen gehüllt waren, das ihr sagte, auch sie hatten Saidar erfaßt, seien von Saidar erfaßt worden. Diese Aura konnte nur eine Frau bemerken, die selbst die Macht lenken konnte, aber die Auswirkungen waren für jeden sichtbar. Explosionen scheuchten die Weißmäntel nach allen Seiten weg und überschütteten sie mit Erdbrocken. Der Lärm schüttelte sie durch und ließ ihre Pferde durchgehen.

Hurin sah sich mit offenem Mund um. Er war offensichtlich nicht weniger verängstigt als die Weißmäntel. Doch er hielt die Packpferde und sein eigenes Reittier davon ab, ebenfalls durchzugehen. Verin riß die Augen auf vor Erstaunen und Zorn. Ihr Mund bewegte sich lebhaft, doch ihre Worte gingen in dem Aufdonnern unter.

Und dann rannten die Weißmäntel davon. Einige ließen in panischer Angst die Bögen fallen und galoppierten los, als sei ihnen der Dunkle König selbst auf den Fersen. Alle, bis auf den jungen Offizier, der sich mühsam vom Boden erhob. Mit gesenkten Schultern starrte er Verin an. Das Weiße seiner Augen zeigte sich deutlich. Sein weißer Umhang und das Gesicht waren verdreckt, doch das schien er nicht zu bemerken. »Dann tötet mich doch, Hexe!« sagte er mit zitternder Stimme. »Los doch. Tötet mich, so wie Ihr meinen Vater umgebracht habt!«

Die Aes Sedai ignorierte ihn. Ihre Aufmerksamkeit galt allein ihrer Begleitung. Als hätten auch sie ihren Offizier vergessen, verschwanden die fliehenden Weißmäntel über die gleiche Anhöhe, auf der sie zuerst erschienen waren — alle zugleich, und sie blickten nicht zurück. Das Pferd des Offiziers galoppierte mit ihnen mit.

Unter Verins wütendem Blick ließ Egwene Saidar fahren, wenn auch nur langsam und unwillig. Das war immer sehr schwierig. Das Glühen um Nynaeve löste sich noch langsamer. Nynaeve blickte den Weißmantel vor ihnen finster an, als sei er noch zu irgendeinem hinterhältigen Manöver fähig. Elayne dagegen wirkte erschrocken über das, was sie getan hatte.

»Was ihr getan habt«, begann Verin, und dann unterbrach sie sich und holte erst mal tief Luft. Ihr Blick erfaßte alle drei jungen Frauen. »Was ihr getan habt, ist eine Freveltat! Ein Frevel! Eine Aes Sedai benützt die Macht nicht als Waffe, außer gegen Abkömmlinge des Schattens und in der letzten Not, um nicht getötet zu werden. Die Drei Eide...«

»Sie waren dabei, uns umzubringen«, fiel ihr Nynaeve hitzig ins Wort. »Uns umzubringen oder zu verschleppen und zu foltern. Er gab das Signal dazu!«

»Wir... wir haben die Macht nicht direkt als Waffe verwandt, Verin Sedai.« Elayne hielt den Kopf hoch erhoben, aber ihre Stimme zitterte. »Wir haben niemanden verletzt und es auch gar nicht versucht. Sicher... «

»Versucht keine Haarspaltereien mit mir!« fauchte Verin. »Wenn ihr volle Aes Sedai werdet — falls das jemals geschehen sollte —, werdet ihr die Drei Eide befolgen müssen, aber man erwartet auch von Novizinnen, daß sie sich bemühen, sich so zu verhalten, als hätten sie bereits die Eide abgelegt!«

»Was wird mit ihm?« Nynaeve deutete auf den Weißmantel-Offizier, der immer noch wie betäubt auf dem gleichen Fleck stand. Ihre Gesichtshaut war wie ein Trommelfell gespannt. Sie schien beinahe genauso zornig zu sein wie die Aes Sedai. »Er wollte uns gerade gefangennehmen. Mat wird sterben, wenn er nicht bald in die Burg kommt, und... und... «

Egwene wußte, was Nynaeve nicht sagen wollte. Und wir können diesen Sack nicht in andere Hände fallen lassen als die der Amyrlin. Verin musterte den Weißmantel mißtrauisch. »Er wollte uns nur Angst einjagen, Kind. Er wußte ganz genau, daß er uns nicht zwingen konnte, irgendwohin zu gehen, wo wir nicht hin wollten. Das hätte ihm mehr Schwierigkeiten bereitet, als er in Kauf nehmen wollte. Nicht hier, in Sichtweite von Tar Valon. Ich hätte uns allein mit Worten an ihm vorbeigebracht. Es hätte nur ein bißchen Zeit und Geduld gekostet. O ja, er hätte vielleicht versucht, uns zu töten, wenn er das aus einem Versteck heraus anstellen könnte, aber kein Weißmantel mit dem Gehirn eines Ziegenbocks wird riskieren, einer Aes Sedai etwas anzutun, die weiß, daß er da ist. Seht nur, was ihr da angestellt habt! Was werden diese Männer weitererzählen? Welchen Schaden wird das wiederum anrichten?«

Das Gesicht des Offiziers lief rot an, als sie das Versteck erwähnte. »Es ist keine Feigheit, wenn man die Macht nicht angreift, die die Welt zerstört hat«, brach es aus ihm heraus. »Ihr Hexen wollt die Welt noch einmal zerstören — im Dienst des Dunklen Königs!« Verin schüttelte ungläubig den Kopf.

Egwene wünschte sich, sie könne etwas von dem Schaden wiedergutmachen, den sie angerichtet hatte. »Es tut mir leid, was ich getan habe«, sagte sie zu dem Offizier. Sie war froh, daß sie noch nicht durch Eid daran gebunden war, kein unwahres Wort zu sagen, so wie die Aes Sedai, denn was sie sagte, war höchstens eine Halbwahrheit. »Ich hätte es nicht tun sollen und entschuldige mich deshalb. Ich bin sicher, daß Verin Sedai Eure Schrammen heilen wird.« Er trat zurück, als habe sie ihm angeboten, sich die Haut bei lebendigem Leib abziehen zu lassen, und Verin schniefte vernehmlich.