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»Genau deswegen musste ich sagen, was ich gesagt habe.«

Rothen seufzte. »Dann hat es sich deiner Meinung nach tatsächlich so abgespielt?«

»Das habe ich doch gesagt, oder?« Sonea warf ihm einen flehentlichen Blick zu. »Macht es mir nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist, Rothen.«

Seine Miene wurde weicher. »Also gut. Vielleicht habe ich an diesem Tag etwas übersehen. Es ist eine Schande, aber es lässt sich nicht ändern.« Er schüttelte den Kopf. »Mir werden unsere Unterrichtsstunden fehlen, Sonea. Falls es –«

»Lord Rothen.«

Sie drehten sich um und sahen, dass Osen auf sie zukam. Rothen seufzte abermals, dann kehrte er zu seinem Platz zurück. Als Fergun auf sie zutrat, musste sie ein Stöhnen unterdrücken.

Nachdem Rothen darum gebeten hatte, sie allein sprechen zu dürfen, hatte Fergun prompt das Gleiche getan. Was wollte er ihr sagen? Sie hatte jetzt nur noch den einen Wunsch, die Anhörung so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.

Fergun bedachte sie mit einem Übelkeit erregenden Lächeln. »Es läuft alles wie geplant?«, fragte er.

»Ja.« Sie nickte.

»Gut«, erwiderte er selbstzufrieden. »Sehr gut. Deine Geschichte war überzeugend, wenn auch ein wenig schlecht formuliert. Aber wie dem auch sei, sie hatte eine erfrischende Aufrichtigkeit.«

»Freut mich, dass sie Euch gefallen hat«, entgegnete sie trocken.

Er blickte zu den Höheren Magiern empor. »Ich glaube kaum, dass sie die Diskussion noch lange hinauszögern werden. Sie werden schon bald zu einer Entscheidung kommen. Danach werde ich veranlassen, dass man dir ein Zimmer im Novizenquartier gibt. Du solltest lächeln, Sonea. Die Leute sollen glauben, du wärst überglücklich bei der Aussicht, meine Novizin zu werden.«

Seufzend zog sie die Mundwinkel hoch und hoffte, dass die Magier in den Sitzreihen über ihr ihre Grimasse für ein Lächeln halten würden.

»Das reicht mir jetzt«, stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Lasst es uns endlich hinter uns bringen.«

Er zog die Augenbrauen in die Höhe. »O nein. Ich will meine vollen zehn Minuten.«

Sonea presste die Lippen aufeinander und beschloss, kein Wort mehr zu sagen. Auf seine nächste Frage antwortete sie einfach nicht. Als sie den Ärger in seinen Augen aufflackern sah, fiel ihr das Lächeln mit einem Mal sehr viel leichter.

»Lord Fergun?«

Lord Osen winkte sie zu sich heran. Sonea atmete erleichtert auf, dann folgte sie Fergun zurück in den vorderen Teil der Halle. Der Raum war noch immer vom Summen vieler Stimmen erfüllt. Osen hob die Hände.

»Ruhe, bitte.«

Erwartungsvolle Stille legte sich über die Halle.

Sonea konnte aus den Augenwinkeln Rothen sehen, der sie beobachtete. Abermals durchzuckten sie Gewissensbisse.

»Die Berichte, die wir heute gehört haben, zeigen deutlich, dass Lord Fergun der Erste war, der Soneas Fähigkeiten erkannt hat«, erklärte Lord Osen. »Legt irgendjemand Widerspruch gegen diese Schlussfolgerung ein?«

»Ich.«

Die Stimme klang tief und seltsam vertraut, und sie kam von irgendwo hinter ihr. Jähe Unruhe breitete sich in der Halle aus. Sonea drehte sich um und sah, dass eine der riesigen Türen einen Spaltbreit offen stand. Zwei Gestalten kamen den Gang hinunter auf sie zu.

Als sie den kleineren der beiden Männer erkannte, stieß sie einen Freudenschrei aus.

»Cery!«

Sie machte einen Schritt nach vorn – und erstarrte, als sie Cerys Begleiter erkannte. Ein Raunen ging durch die Halle, und geflüsterte Fragen drangen an Soneas Ohren. Als der schwarzgewandete Magier näher trat, bedachte er sie mit einem prüfenden Blick. Verstört wandte Sonea sich Cery zu.

Obwohl er blass und schmutzig war, lag auf Cerys Zügen ein glückliches Grinsen. »Er hat mich gefunden und freigelassen«, erklärte er ihr. »Es wird alles gut.«

Sonea sah den schwarzgekleideten Magier fragend an. Seine Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln, aber er sagte nichts. Stattdessen schob er sich an ihr vorbei, begrüßte Osen mit einem knappen Nicken und ging dann die Treppe zwischen den Höheren Magiern hinauf. Niemand erhob Protest, als er sich auf den Stuhl über dem Administrator setzte.

»Aus welchem Grund fechtet Ihr diese Schlussfolgerung an, Hoher Lord?«, fragte Osen.

Sonea hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie starrte den Magier in der schwarzen Robe an. Dieser Mann war kein Meuchelmörder. Er war der Anführer der Gilde.

»Weil mir Beweise für einen Betrug vorliegen«, antwortete der Hohe Lord. »Das Mädchen wurde gezwungen zu lügen.«

Sonea hörte ein ersticktes Geräusch zu ihrer Rechten. Sie drehte sich um und sah, dass Fergun schneeweiß geworden war. Triumph und Wut loderten in ihr auf, sie vergaß den schwarzgewandeten Magier und zeigte auf Fergun.

»Er hat mich gezwungen zu lügen!«, rief sie anklagend. »Er hat gesagt, wenn ich ihm nicht gehorche, würde er Cery töten.«

Ein überraschtes Murmeln und Zischen wurde laut. Sonea spürte, dass Cery ihren Arm umklammerte. Sie drehte sich zu Rothen um, und als ihr Blick dem seinen begegnete, wusste sie, dass er alles verstand.

»Es ist eine Anklage erhoben worden«, bemerkte Lady Vinara.

Sofort kehrte wieder Stille ein. Rothen öffnete den Mund, um etwas zu sagen, runzelte dann jedoch die Stirn und schüttelte den Kopf.

»Sonea. Kennst du das Gesetz, das im Falle einer solchen Anklage zur Anwendung kommt?«, fragte Lord Osen.

Sonea sog scharf die Luft ein, als sie sich daran erinnerte. »Ja«, antwortete sie mit zitternder Stimme. »Eine Wahrheitslesung?«

Osen nickte, dann wandte er sich den Höheren Magiern zu. »Wer wird die Wahrheitslesung durchführen?«

Stille folgte. Die Höheren Magier tauschten Blicke, dann sahen sie zu Lorlen hinüber. Der Administrator nickte und erhob sich von seinem Stuhl.

»Ich werde die Wahrheitslesung durchführen.«

Als er die Treppe herunterkam, zupfte Cery Sonea am Ärmel. »Was wird er tun?«, flüsterte er.

»Er wird meine Gedanken lesen«, antwortete sie.

»Oh«, erwiderte er merklich ruhiger. »Das ist alles?«

Erheitert drehte sie sich zu ihm um. »Es ist nicht ganz so einfach, wie du glaubst, Cery.«

Er zuckte die Achseln. »Mir schien es nicht weiter schwierig zu sein.«

»Sonea.«

Lorlen hatte sie erreicht.

»Siehst du Lord Rothen dort drüben, Cery?« Sie zeigte auf Rothen. »Er ist ein guter Mann. Stell dich neben ihn.«

Cery nickte, drückte noch einmal ihren Arm und ging davon. Als er bei Rothen angelangt war, wandte sich Sonea zu Lorlen um. Der Administrator beobachtete sie mit ernster Miene.

»Während deines Kontrollunterrichts hast du auch einmal eine Berührung von Geist zu Geist erlebt«, sagte er. »Dies hier wird ein wenig anders sein. Ich möchte deine Erinnerungen sehen. Du wirst dich sehr darauf konzentrieren müssen, die Dinge, die du mir zeigen willst, von allem anderen, was dich bewegt, zu trennen. Um dir zu helfen, werde ich dir konkrete Fragen stellen. Bist du bereit?«

Sie nickte.

»Schließ die Augen.«

Sie tat wie geheißen und spürte im nächsten Moment seine Hände an ihren Schläfen.

— Zeig mir den Raum, der dein Geist ist.

Sonea zog die hölzernen Türen und Wände hoch und sandte Lorlen ein Bild des Raums. Sie nahm eine flüchtige Erheiterung bei dem Administrator wahr.

— Ein wahrhaft bescheidenes Quartier. Jetzt öffne die Türen.

Sie drehte sich zu den Doppeltüren um und gab ihnen den Befehl, sich zu öffnen. Statt Häusern und einer Straße lag dahinter nur Dunkelheit. In der Dunkelheit stand eine blaugewandete Gestalt.

— Hallo, Sonea.

Lorlens Bild lächelte. Er durchmaß die Dunkelheit und blieb an den Türen stehen. Dann streckte er die Hand aus und nickte Sonea zu.

— Bring mich hinein.

Sie ergriff seine Hand, und bei ihrer Berührung schien sich der Raum unter seinen Füßen zu verschieben.

— Hab keine Angst, sagte er. Ich werde mir deine Erinnerungen ansehen, und dann bin ich auch gleich wieder fort. Er trat zu einer Wand hinüber. Zeig mir Fergun.