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Eine zweite Scheibe ermöglichte es der Wärmekugel, gleichzeitig das Schlafzimmer und den Gästeraum zu beheizen. Ein älterer Magier stand vor dieser zweiten Scheibe und hielt die Hände über das Glas. Obwohl er weit über achtzig war, war Yaldin noch immer robust und mit einem scharfen Verstand gesegnet; dies war einer der Vorteile, die magische Fähigkeiten mit sich brachten: hohes Alter und gute Gesundheit. Ein größerer und jüngerer Magier stand neben Yaldin. Dannyl hatte die Augen halb geschlossen, und er machte den Eindruck, als könne er jeden Moment einschlafen.

»Guten Morgen«, sagte Rothen. »Sieht so aus, als würde das Wetter heute aufklaren.«

Yaldin lächelte schief. »Lord Davin meint, wir würden noch ein paar warme Tage haben, bevor der Winter kommt.«

Dannyl zog die Brauen zusammen. »Das sagt Davin schon seit Wochen.«

»Er hat nicht gesagt, wann es passieren würde«, bemerkte Yaldin mit einem vergnügten Kichern. »Er hat nur gesagt, dass es passieren würde.«

Rothen lächelte. Es gab ein altes Sprichwort in Kyralia: »Die Sonne trachtet nicht danach, Königen zu gefallen, ja nicht einmal Magiern.« Lord Davin, ein exzentrischer Alchemist, hatte vor drei Jahren mit Wetterstudien begonnen, fest entschlossen, das Gegenteil zu beweisen. In letzter Zeit hatte er die Gilde mit »Voraussagen« versorgt. Rothen vermutete allerdings, dass seine Erfolgsrate eher auf Zufall als auf Genie schließen ließ.

Die Haupttür des Raums wurde geöffnet, und Rothens Dienerin, Tania, trat ein. Sie brachte ein Tablett zum Tisch und stellte es ab. Auf dem Tablett standen mehrere kleine, mit Gold verzierte Tassen und ein Teller, auf dem sich süße, kunstvoll verzierte Kuchen türmten.

»Sumi, die Herren?«, fragte sie.

Dannyl und Yaldin nickten begeistert. Nachdem Rothen die beiden aufgefordert hatte, Platz zu nehmen, maß Tania einige Löffel getrockneter Blätter ab, gab sie in eine goldene Kanne und goss heißes Wasser darüber.

Yaldin seufzte und schüttelte den Kopf. »Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, warum ich mich freiwillig erboten habe, heute in die Hüttensiedlung zu gehen. Ich hätte es auch nicht getan, wenn Ezrille nicht darauf bestanden hätte. Ich habe zu ihr gesagt: ›Wenn nur die Hälfte von uns hingeht, welche Chancen haben wir dann?‹ Sie hat geantwortet: ›Jedenfalls bessere, als wenn keiner von euch geht.‹«

Rothen lächelte. »Eure Gattin ist sehr vernünftig.«

»Ich hätte gedacht, dass unsere Kollegen stärker daran interessiert wären, bei der Suche zu helfen. Vor allem, nachdem die Ratgeber des Königs erklärt haben, dass er eine Ausbildung für das Mädchen wünscht, sollte sie keine wilde Magierin sein«, warf Dannyl ein.

Yaldin schnitt eine Grimasse. »Ich nehme an, einige unserer Freunde haben aus Protest gegen diese Entscheidung ihre Unterstützung zurückgezogen. Sie wollen kein Mädchen aus den Hütten in der Gilde.«

»Nun, jetzt haben sie keine andere Wahl mehr. Und wir haben einen neuen Helfer hinzugewonnen«, rief Rothen ihm ins Gedächtnis, während er von Tania eine Tasse entgegennahm.

»Fergun.« Dannyl stieß einen Laut aus, der äußerst unhöflich war. »Das Mädchen hätte wirklich fester werfen sollen.«

»Dannyl!« Rothen drohte dem jüngeren Magier mit dem Finger. »Fergun ist der einzige Grund, warum die Gilde überhaupt noch nach ihr sucht. Bei der Versammlung gestern Abend war er sehr überzeugend.«

Yaldin lächelte grimmig. »Ich bezweifle, dass seine Begeisterung lange anhalten wird. Als ich gestern endlich nach Hause kam, bin ich geradewegs ins Badehaus gegangen, aber Ezrille meinte, selbst dadurch sei ich den Gestank des Hüttenviertels nicht losgeworden.«

»Ich hoffe, unsere flüchtige kleine Magierin wird nicht gar so schrecklich stinken«, sagte Dannyl und zeigte Rothen ein schiefes Grinsen. »Sonst wird ihre erste Lektion wohl darin bestehen, dass man ihr beibringt, wie man sich wäscht.«

Als Rothen an das halb verhungerte, schmutzige Gesicht und die vor Staunen geweiteten Augen des Mädchens dachte, überlief ihn ein Schauer. Die ganze Nacht hatte er von den Hüttensiedlungen geträumt. Er war durch Hütten mit dünnen Wänden gestrichen, hatte kränkelnde Menschen beobachtet, alte Männer, die in ihren Lumpen zitterten, magere Kinder, die halb verfaultes Essen zu sich nahmen, grausam entstellte Krüppel …

Ein höfliches Klopfen unterbrach seine Gedanken. Er wandte sich der Tür zu und gab ihr einen Gedankenbefehl. Die Tür schwang auf, und ein junger Mann in der Gewandung eines Boten trat ein.

»Lord Dannyl.« Der Bote verneigte sich tief vor dem jüngeren Magier.

»Sprich«, befahl Dannyl.

»Hauptmann Garrin schickt Euch eine Nachricht, Herr. Ich soll Euch ausrichten, die Wachen Ollin und Keran seien ausgeraubt und schwer verprügelt worden. Der Mann, nach dem Ihr sie habt suchen lassen, wünsche nicht, mit Magiern zu sprechen.«

Dannyl starrte den Diener an, dann runzelte er die Stirn, als er die Neuigkeiten überdachte. Als die Stille sich in die Länge zog, begann der junge Mann beklommen von einem Fuß auf den anderen zu treten.

»Sind sie schlimm verletzt?«, fragte Rothen.

Der Bote schüttelte den Kopf. »Ein paar Prellungen, Herr. Keine gebrochenen Knochen.«

Dannyl machte eine abschätzige Handbewegung. »Dankt dem Hauptmann für seine Nachricht. Und jetzt darfst du gehen.«

Der Bote verneigte sich abermals und verließ den Raum.

»Was hatte das zu bedeuten?«, fragte Yaldin, als die Tür sich schloss.

Dannyl schürzte die Lippen. »Wie es aussieht, sind uns die Diebe nicht allzu wohl gesinnt.«

Yaldin stieß ein leises Schnauben aus und griff nach einem Stück Kuchen. »Das möchte ich meinen! Warum sollten sie…?« Der ältere Magier brach ab und musterte den jüngeren mit schmalen Augen. »Ihr habt doch nicht etwa…?«

Dannyl breitete die Hände aus. »Einen Versuch war es wert. Angeblich wissen sie über alles Bescheid, was sich im Hüttenviertel ereignet.«

»Ihr habt versucht, Kontakt zu den Dieben aufzunehmen!«

»Soweit ich weiß, habe ich damit kein Gesetz gebrochen.«

Yaldin stöhnte und schüttelte den Kopf.

»Nein, Dannyl«, sagte Rothen, »aber der König und die Häuser werden es gewiss nicht billigen, wenn die Gilde mit den Dieben Geschäfte macht.«

»Wer hat hier von Geschäften gesprochen?« Dannyl lächelte und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. »Denkt darüber nach. Die Diebe kennen die Hüttensiedlungen viel besser, als wir es uns jemals erhoffen könnten. Sie sind in einer viel besseren Position, das Mädchen zu finden, als wir – und ich bin davon überzeugt, dass sie lieber selbst nach ihr suchen, als das Risiko einzugehen, dass wir auf ihrem Territorium herumschnüffeln. Wir brauchen es vor dem König nur so darzustellen, dass wir die Diebe eingeschüchtert oder überredet hätten, uns das Mädchen auszuliefern, und wir werden alle Zustimmung bekommen, die wir brauchen.«

Rothen runzelte die Stirn. »Du wirst viel Zeit und Mühe brauchen, um die Höheren Magier für diese Idee zu gewinnen.«

»Sie müssen es ja nicht sofort erfahren.«

Rothen verschränkte die Arme vor der Brust. »Oh doch, das müssen sie«, erwiderte er entschieden.

Dannyl zuckte zusammen. »Ja, du hast wahrscheinlich Recht, aber wenn mein Plan funktioniert und ich ihnen ein Argument liefere, mit dem sie das Ganze beim König rechtfertigen können, werden sie mir sicher verzeihen.«

Yaldin lachte trocken auf. »Vermutlich ist es gut, dass Euer Plan nicht funktioniert hat.«

Rothen erhob sich und trat an ein Fenster. Er rieb an einer Stelle den Raureif weg und spähte hinaus in die säuberlich angelegten und gepflegten Gärten. Unwillkürlich musste er an die zitternden, hungrigen Menschen denken, die er gesehen hatte. War das das Leben, das dieses Mädchen führte? Hatte ihre Suche sie aus der zweifelhaften Sicherheit irgendeiner Hütte auf die Straßen hinausgetrieben? Der Winter nahte, und es war durchaus möglich, dass sie verhungerte oder erfror, lange bevor ihre Kräfte instabil und gefährlich wurden. Er trommelte mit den Fingern auf das Fenstersims.