»In diesem Fall sollten wir besser zusehen, dass wir von hier verschwinden«, sagte Donia. »Wohin gehen wir als Nächstes, Cery?«
Er kratzte sich am Kopf und lächelte schließlich. »Wer hat Geld?«
Harrin und Donia sahen Sonea an.
»Das Geld gehört nicht mir«, protestierte sie. »Es gehört Jonna und Ranel.«
»Sie hätten bestimmt nichts dagegen, wenn du ein wenig davon ausgibst, um dein Leben zu retten«, erwiderte Donia.
»Und sie würden dich für ziemlich dumm halten, wenn du es nicht tätest«, fügte Cery hinzu.
Seufzend griff Sonea in ihre Bluse und tastete nach der Schnalle des Geldbeutels. »Ich schätze, falls ich jemals aus diesem Schlamassel herauskomme, kann ich ihnen das Geld zurückzahlen.« Sie sah Cery an. »Ich hoffe, du findest sie bald.«
»Keine Sorge«, beruhigte er sie. »Sobald du in Sicherheit bist, mache ich mich auf die Suche nach deinem Onkel und deiner Tante. Für den Augenblick denke ich, dass wir uns trennen sollten. In einer Stunde treffen wir uns hier wieder. Ich habe einen Ort im Sinn, an dem bestimmt niemand nach dir Ausschau halten wird. Wir können nur ein paar Stunden dort bleiben, aber das wird uns eine Gelegenheit geben, uns ein neues Versteck zu überlegen.«
7
Gefährliche Verbündete
Rothen verlangsamte seine Schritte, als er die Gärten erreichte. Die Luft war kalt, aber nicht unangenehm, und nach dem hektischen Getriebe der Stadt war ihm die Stille hier hochwillkommen. Er holte tief Atem und seufzte.
Obwohl er zahlreiche Informanten befragt hatte, hatten nur wenige ihm nützliche Hinweise geben können. Die meisten Informanten waren in der Hoffnung gekommen, dass irgendetwas von dem, was sie sagten – und sei es auch noch so geringfügig –, zu Soneas Gefangennahme führen und ihnen die Belohnung eintragen würde. Einige wenige waren nur gekommen, um sich über kleine Kümmernisse mit der Gilde zu beklagen.
Andere jedoch hatten behauptet, junge Mädchen gesehen zu haben, die sich versteckt hielten. Nach einigen Streifzügen durch die Hüttensiedlungen wurde offenkundig, dass es jede Menge Straßenkinder gab, die sich in dunklen Winkeln verbargen. Gespräche mit den anderen Magiern, die die Informanten befragt hatten, enthüllten viele ähnliche Enttäuschungen.
Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn man auf den Plakaten ein Bild des Mädchens hätte abdrucken können. Rothen dachte wehmütig an seinen verstorbenen Mentor, Lord Margen, der erfolglos nach einer Möglichkeit gesucht hatte, mentale Bilder auf Papier zu überführen. Dannyl hatte die Herausforderung angenommen, bisher jedoch kaum Fortschritte gemacht.
Er fragte sich, wie es Dannyl ergangen sein mochte. Sie hatten sich kurz mithilfe von Gedankenrede verständigt, daher wusste er, dass sein Freund wohlauf war und bei Sonnenuntergang zurückkehren würde. Natürlich konnten sie nicht über Dannyls wahre Beweggründe für seinen Besuch im Hüttenviertel sprechen, da immer die Möglichkeit bestand, dass andere Magier ihr Gespräch mit anhörten. Trotzdem hatte Rothen eine vielversprechende Zufriedenheit bei seinem Freund wahrgenommen.
»… weiß… Rothen…«
Als Rothen seinen eigenen Namen hörte, blickte er auf. Das dichte Blätterwerk der Gartenhecken verbarg den Sprecher, aber Rothen war sich sicher, dass er die Stimme erkannt hatte.
»… diese Dinge darf man nicht überstürzen.«
Die Stimme gehörte Administrator Lorlen. Die beiden Männer kamen jetzt auf Rothen zu. Dieser zog sich in einen kleinen Innenhof zurück, setzte sich auf eine Bank und lauschte angestrengt, während die Unterredung deutlicher wurde.
»Ich habe Eure Forderung zur Kenntnis genommen, Fergun«, sagte Lorlen geduldig. »Mehr kann ich nicht tun. Wenn wir das Mädchen gefunden haben, wird die Angelegenheit auf die gewohnte Art und Weise abgewickelt werden. Für den Augenblick interessiert mich nur die Suche nach ihr.«
»Aber sind all diese… diese Umstände wirklich nötig? Rothen war nicht der Erste, der von ihrem Potenzial erfahren hat. Das war ich! Wie kann er mir meine Ansprüche streitig machen?«
Die Stimme des Administrators klang vollkommen unbewegt, als er antwortete, aber sein Schritt verriet Eile. Rothen schmunzelte, als die beiden Männer vorbeigingen.
»Es sind keine Umstände, Fergun«, antwortete Lorlen streng. »Es ist das Gesetz der Gilde. Das Gesetz besagt –«
»›Der Magier, der als Erster magisches Potenzial bei einem anderen erkennt, hat das Recht, diesen zu seinem Schüler zu machen‹«, zitierte Fergun hastig. »Ich war der Erste, der die Wirkung ihrer Kraft gespürt hat, nicht Rothen.«
»Trotzdem kann die Angelegenheit erst entschieden werden, wenn das Mädchen gefunden ist…«
Die beiden hatten sich inzwischen ein gutes Stück von Rothen entfernt, und er konnte ihre Worte nicht länger verstehen. Er erhob sich von der Bank und schlenderte langsam auf die Magierquartiere zu.
Also hatte Fergun die Absicht, sich zum Mentor des Mädchens machen zu lassen. Als Rothen angeboten hatte, die Verantwortung für ihre Ausbildung zu übernehmen, hatte er geglaubt, dass kein anderer Magier ihm diese Aufgabe streitig machen würde. Schon gar nicht Fergun, der die unteren Klassen stets mit Verachtung betrachtet hatte.
Rothen lächelte vor sich hin. Das würde Dannyl gar nicht gefallen. Sein Freund hegte eine tiefe Abneigung gegen Fergun, seit sie beide Novizen gewesen waren. Wenn er die Neuigkeit erfuhr, würde Dannyl erst recht entschlossen sein, das Mädchen selbst zu finden.
Es war Jahre her, seit Cery das letzte Mal ein Badehaus besucht hatte, und die teuren Privaträume hatte er nie zu Gesicht bekommen. Sauber geschrubbt und in ein dickes Handtuch gehüllt, war ihm zum ersten Mal seit Tagen warm genug, und er war bester Laune, als er dem Handtuchmädchen jetzt in einen luftigen Trockenraum folgte. Sonea saß auf einer Simba-Matte. Ihr magerer Körper verlor sich beinahe in dem schweren Handtuch, und ihr Gesicht glühte, so intensiv hatten die Badehausmädchen sie bearbeitet. Als er sie so entspannt sah, wurde Cerys ohnehin gute Laune noch besser.
Er grinste sie an. »Hai! Was für eine Wonne! Jonna wäre sicher hochzufrieden mit uns!«
Sonea zuckte zusammen, und Cery bedauerte seine Worte sofort.
»Tut mir leid, Sonea.« Er grinste entschuldigend. »Ich hätte dich nicht daran erinnern sollen.« Er ließ sich neben ihr auf die Matte sinken und lehnte sich an die Wand. »Wenn wir leise sprechen, dürfte eigentlich keine Gefahr drohen«, fügte er flüsternd hinzu.
Sie nickte. »Was jetzt? Hier können wir nicht bleiben.«
»Ich weiß. Ich habe darüber nachgedacht.« Er seufzte. »Die Dinge stehen ziemlich schlimm, Sonea. Unter normalen Umständen wäre es einfach gewesen, dich vor den Magiern zu verstecken, aber die Belohnung hat die Situation verändert. Ich kann niemandem mehr trauen. Ich kann keine alten Schulden einfordern, und… und mir sind die Verstecke ausgegangen, wo ich dich unterbringen könnte.«
Sie erbleichte. »Was sollen wir dann tun?«
Er zögerte. Nach dem Kampf mit Burril und seinen Gefährten war ihm klar geworden, dass Sonea jetzt nur noch eine einzige Möglichkeit blieb. Die Idee würde ihr nicht gefallen – und ihm gefiel sie auch nicht. Wenn es nur irgendjemanden gegeben hätte, dem er trauen konnte. Er schüttelte den Kopf und wandte sich zu Sonea um.
»Ich denke, wir sollten die Diebe bitten, uns zu helfen.«
Soneas Augen weiteten sich. »Bist du wahnsinnig geworden?!«
»Wahnsinnig wäre ich, wenn ich versuchte, dich weiter selbst zu verstecken. Früher oder später wird irgendjemand dich verraten.«
»Und was ist mit den Dieben? Warum sollten sie mich nicht verraten?«
»Du hast etwas, das sie haben wollen.«
Sie runzelte die Stirn, dann verdüsterte sich ihre Miene. »Magie?«
»Genau das. Ich wette, sie hätten liebend gern ihre eigene Magierin.« Er strich mit den Fingerspitzen über die Matten. »Sobald du unter ihrem Schutz stehst, wird niemand dich anrühren. Niemand stellt sich den Dieben in den Weg. Nicht einmal für hundert Goldmünzen.«