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»Also, was ist passiert?«, hakte Ezrille nach. »Hat man den Mann tatsächlich aus seinem Heim vertrieben?«

»Lorlen hat natürlich Widerspruch gegen diesen Befehl eingelegt«, erwiderte Yaldin, »aber Fergun hatte das Haus bereits zum großen Teil zerstört – angeblich, um nach Verstecken zu suchen.«

Ezrille schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass Fergun so… so…«

»Dass er so rachsüchtig sein könnte?«, schnaubte Dannyl. »Es überrascht mich, dass er nicht auf den Gedanken gekommen ist, den armen Mann zum Verhör abzuführen.«

»Das würde er nicht wagen«, sagte Yaldin verächtlich.

»Nicht jetzt«, pflichtete Dannyl ihm bei.

Rothen lehnte sich seufzend auf seinem Stuhl zurück. »Es kommt noch mehr. Ich habe heute Abend ein interessantes Gespräch mitangehört. Fergun verlangt, dass man ihn zu ihrem Mentor macht.«

Dannyl erstarrte das Blut in den Adern.

»Fergun?« Ezrille schnalzte mit der Zunge. »Er ist kein starker Magier. Ich dachte, die Gilde sähe es nicht gern, wenn schwächere Magier Novizen unter ihre Fittiche nehmen.«

»Das ist richtig«, erwiderte Yaldin. »Aber es gibt kein Gesetz, das das verbietet.«

»Welche Chancen hat er, mit seiner Forderung durchzukommen?«

»Er behauptet, er sei der Erste gewesen, der ihr Potenzial entdeckt habe, weil er als Erster dessen Auswirkungen zu spüren bekommen hat«, erklärte Rothen.

»Ist das ein gutes Argument?«

»Ich hoffe nicht«, murmelte Dannyl.

Diese Neuigkeit beunruhigte ihn. Er kannte Fergun gut. Zu gut. Weshalb wollte Fergun, der nur Verachtung für die niederen Klassen hatte, ein Mädchen aus den Hütten?

»Vielleicht will er sich dafür rächen, dass sie ihn auf dem Nordplatz gedemütigt hat?«

Rothen runzelte die Stirn. »Also, Dannyl –«

»Man muss diese Möglichkeit in Betracht ziehen«, unterbrach ihn Dannyl.

»Fergun würde sich wegen einer kleinen Schramme nicht solche Mühe machen, selbst wenn der Vorfall sein Ego verletzt hat«, sagte Rothen entschieden. »Er möchte einfach nur derjenige sein, der sie gefangen nimmt – und er will verhindern, dass seine Leistung anschließend in Vergessenheit gerät.«

Dannyl wandte den Blick ab. Der ältere Magier hatte nie begriffen, dass seine Abneigung gegen Fergun weit mehr war als nur ein Groll aus Novizentagen. Dannyl hatte am eigenen Leib erfahren, wie entschlossen Fergun sein konnte, wenn es um Rache ging.

»Ich sehe da einen unangenehmen Streit auf uns zukommen.« Yaldin kicherte. »Die arme Kleine hat ja keine Ahnung, wie viel Aufruhr sie in der Gilde gestiftet hat. Es kommt nicht oft vor, dass zwei Magier gleichzeitig verlangen, zum Mentor eines Novizen zu werden.«

Rothen schnaubte leise. »Ich bin davon überzeugt, dass das die geringste ihrer Sorgen ist. Nach dem, was auf dem Nordplatz geschehen ist, ist sie wahrscheinlich davon überzeugt, dass wir sie töten wollen.«

Yaldins Lächeln verblasste. »Unglücklicherweise können wir sie nicht vom Gegenteil überzeugen, solange wir sie nicht gefunden haben.«

»Oh, da bin ich mir nicht so sicher«, warf Dannyl leise ein.

Rothen blickte auf. »Hast du einen Vorschlag, Dannyl?«

»Ich nehme an, dass mein neuer Freund bei den Dieben seine eigene Methode hat, Informationen in den Hüttenvierteln zu verbreiten.«

»Freund?« Yaldin stieß ein ungläubiges Lachen aus. »Jetzt nennt Ihr sie schon Freunde.«

»Verbündete.« Dannyl verzog spitzbübisch die Lippen.

»Ich darf also davon ausgehen, dass du einen gewissen Erfolg verzeichnen konntest?« Rothen zog eine Augenbraue in die Höhe.

»Einen kleinen Erfolg. Einen Anfang.« Dannyl breitete die Hände aus. »Ich glaube, dass ich mit einem ihrer Anführer gesprochen habe.«

Ezrilles Augen weiteten sich. »Wie ist er denn so?«

»Er heißt Gorin.«

»Gorin?« Yaldin wirkte ratlos. »Was für ein seltsamer Name.«

»Anscheinend geben die Anführer sich Tiernamen. Ich vermute, dass sie sich einen Titel aussuchen, der zu ihrer äußeren Erscheinung passt, denn der Mann hat eindeutig große Ähnlichkeit mit seinen Namensvettern. Er ist riesig und behaart. Ich habe fast damit gerechnet, Hörner zu sehen.«

»Also, was hat er gesagt?«, fragte Rothen interessiert.

»Er hat keine Versprechen gegeben. Ich habe ihm erklärt, wie gefährlich es ist, sich in der Nähe einer Magierin aufzuhalten, die noch nicht gelernt hat, ihre Kräfte zu kontrollieren. Er schien sich mehr Gedanken darüber zu machen, welche Gegenleistung die Gilde erbringen wird, wenn er das Mädchen findet.«

Yaldin verzog den Mund. »Die Höheren Magier werden einem Handel mit den Dieben gewiss nicht zustimmen.«

Dannyl machte eine wegwerfende Handbewegung. »Natürlich nicht. Ich habe es ihm erklärt, und er hat es verstanden. Ich denke, er würde sich mit Geld zufrieden geben.«

»Geld?« Yaldin schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht…«

»Da wir ohnehin schon eine Belohnung ausgesetzt haben, dürfte es wohl kaum noch eine Rolle spielen, wenn sie an die Diebe geht.« Dannyl breitete die Arme aus. »Es ist ohnehin klar, dass das Geld an jemanden aus dem Hüttenring gehen wird, deshalb wird sich niemand wundern, dass der Empfänger eine zweifelhafte Erscheinung ist.«

Ezrille verdrehte die Augen. »Nur Ihr bringt es fertig, eine solche Bemerkung vollkommen vernünftig klingen zu lassen, Dannyl.«

Dannyl grinste. »Oh, es kommt noch besser. Wenn wir die Sache geschickt einfädeln, werden sich anschließend alle auf die Schulter klopfen, weil es ihnen gelungen ist, die Diebe dazu zu bewegen, der Stadt einen guten Dienst zu erweisen.«

Ezrille lachte. »Ich hoffe, die Diebe wissen das nicht, sonst würden sie sich weigern, Euch zu helfen.«

»Nun, für den Augenblick muss es ein Geheimnis bleiben«, erwiderte Dannyl. »Ich möchte keinen Aufruhr in der Gilde, bevor ich weiß, ob Gorin uns helfen wird oder nicht. Kann ich mich auf Euer Stillschweigen verlassen?«

Er sah die anderen an. Ezrille nickte begeistert. Rothen neigte den Kopf. Yaldin runzelte die Stirn, dann hob er die Schultern.

»In Ordnung. Aber seid vorsichtig, Dannyl. Es ist nicht nur Eure Haut, die Ihr hier riskiert.«

»Ich weiß.« Dannyl lächelte. »Ich weiß.«

Wenn man im Licht einer Lampe über die »Straße der Diebe« ging, kam man erheblich schneller voran als jemand, der sich in der Dunkelheit durch das Labyrinth der unterirdischen Gänge tastete. Und interessanter war es außerdem. Die Wände der Tunnel waren aus einer scheinbar endlosen Vielzahl von Ziegelsteinen erbaut. In das Mauerwerk waren Symbole eingeritzt, und rätselhafte Zeichen markierten einige der größeren Wegkreuzungen.

An einer solchen Kreuzung von Korridoren blieb der Führer stehen und stellte seine Lampe auf den Fußboden. Dann zog er ein schwarzes Tuch aus der Tasche.

»Von hier an müsst ihr mit verbundenen Augen weitergehen.«

Cery nickte und stand still, während der Mann ihm einen Stoffstreifen um die Augen band. Anschließend trat der Mann hinter Sonea, und sie spürte, wie grober Stoff fest um ihr Gesicht gebunden wurde. Dann legte ihr Führer ihr eine Hand auf die linke Schulter, und irgendjemand griff nach ihrem rechten Arm und zog sie hinter sich her durch den Gang.

Obwohl sie versuchte, sich die verschiedenen Richtungswechsel einzuprägen, verlor sie schon bald die Orientierung. Sie schlurften langsam durch die Dunkelheit. Schwache Geräusche drangen an ihre Ohren: Stimmen, Schritte, tropfendes Wasser und einige Laute, die Sonea nicht identifizieren konnte. Die Haut unter der Augenbinde juckte, aber sie wagte es nicht, sich zu kratzen, damit der Führer nicht auf den Gedanken kam, dass sie unter dem Stoff hindurchzuspähen versuchte.

Als der Mann wieder stehen blieb, stieß Sonea einen Seufzer der Erleichterung aus. Jemand nahm ihr die Augenbinde ab. Sie blickte Cery an, und er antwortete ihr mit einem aufmunternden Lächeln.

Der Führer zog einen polierten Stock unter seinem Mantel hervor und stieß ihn in ein Loch in der Mauer. Nach einem kurzen Augenblick schwang ein Teil der Wand nach innen, und ein großer, muskulöser Mann trat durch die Öffnung.