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»Ja?«

»Ceryni und Sonea für Faren«, erklärte der Führer.

Der Mann nickte, öffnete die Tür ein wenig weiter und deutete mit dem Kopf auf Sonea und Cery.

»Geht rüber.«

Cery zögerte, dann drehte er sich zu dem Führer um. »Ich habe darum gebeten, dass man mich zu Ravi bringt.«

Der Mann lächelte schief. »Dann muss Ravi wollen, dass du mit Faren sprichst.«

Cery zuckte die Achseln, dann schob er sich durch die Tür. Sonea, die ihm folgte, fragte sich, ob ein Dieb, der nach einem giftigen, achtbeinigen Insekt benannt war, gefährlicher war als ein Dieb, der den Namen eines Nagetiers trug.

Sie kamen in einen kleinen Raum. Zwei stämmige Männer, die zu beiden Seiten auf Stühlen saßen, musterten sie eingehend. Der Erste schloss die Tür hinter ihnen, öffnete dann eine Tür auf der gegenüberliegenden Seite und bedeutete ihnen, ihm zu folgen.

An den Wänden des nächsten Raums hingen Laternen, die Kreise aus warmem, gelbem Licht an die Decke zeichneten. Auf dem Boden lag ein dicker Teppich mit goldfarbenen Quasten. Auf der anderen Seite des Raums saß ein dunkelhäutiger Mann in schwarzer, eng anliegender Kleidung an einem Tisch. Verblüffend helle, gelbe Augen leuchteten aus seinem Gesicht und unterzogen sie einer gründlichen Betrachtung.

Sonea starrte den Mann an. Der Dieb war ein Lonmar, ein Vertreter der stolzen Wüstenrasse, deren Land weit nördlich von Kyralia lag. In Imardin traf man nur selten auf Lonmar; es gab nicht viele von ihnen, die außerhalb ihrer eigenen starren Kultur lebten. Diebstahl galt in Lonmar als ein übles Vergehen; die Menschen dort glaubten, dass man einen Teil seiner Seele verlor, wenn man jemandem etwas stahl, auch wenn es nur eine Kleinigkeit war. Und trotzdem hatte sie hier einen lonmarischen Dieb vor sich.

Die Augen des Mannes wurden schmal. Als Sonea bewusst wurde, dass sie ihn angestarrt hatte, senkte sie hastig den Blick. Der Lonmar lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, lächelte und deutete mit einem langen, braunen Finger auf sie.

»Komm näher, Mädchen.«

Sonea trat vor, bis sie direkt vor dem Tisch stand.

»Du bist also diejenige, nach der die Gilde sucht, wie?«

»Ja.«

»Du heißt Sonea?«

»Ja.«

Faren schürzte die Lippen. »Ich hatte eigentlich jemanden erwartet, der ein wenig beeindruckender aussieht.« Er zuckte die Achseln, dann beugte er sich vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Woher soll ich wissen, dass du wirklich bist, was du zu sein behauptest?«

Sonea warf einen Blick über die Schulter. »Cery hat gesagt, Ihr würdet wissen, dass ich die Richtige bin. Er meinte, Ihr hättet mich gewiss beobachtet.«

»Das meinte er, ja?« Faren kicherte und sah zu ihrem Freund hinüber. »Ein kluger Bursche, dieser kleine Ceryni, ganz wie sein Vater. Ja, ich habe dich beobachtet – euch beide. Obwohl ich Cery schon ein wenig länger im Auge behalte. Komm her, Cery.«

Cery trat neben Sonea.

»Ich soll dich von Ravi grüßen.«

»Von einem Nagetier zum anderen?« In Cerys Stimme schwang ein leichtes Zittern mit.

Weiße Zähne blitzten auf, aber Farens Grinsen erlosch schnell wieder, und seine gelben Augen wanderten zu Sonea zurück. »Du kannst also Magie benutzen, ja?«

Sonea schluckte, um sich die Kehle zu befeuchten. »Das ist richtig.«

»Und hast du sie seit deiner kleinen Überraschung auf dem Nordplatz noch einmal benutzt?«

»Ja.«

Faren zog die Brauen in die Höhe. Dann fuhr er sich mit den Händen durch die Haare. An seinen Schläfen waren einige graue Strähnen zu sehen, aber seine Haut war glatt und ohne Falten. An den Fingern trug er mehrere Ringe, von denen einige mit großen Steinen besetzt waren. Noch nie zuvor hatte Sonea so große Steine an den Händen eines Hüttenbewohners gesehen, aber dieser Mann gehörte ja auch nicht zum gewöhnlichen Hüttenvolk.

»Du hast einen ungünstigen Augenblick gewählt, um deine Fähigkeiten zu entdecken, Sonea«, erklärte Faren. »Jetzt brennen die Magier darauf, dich zu finden. Ihre Suche hat uns eine Menge Unannehmlichkeiten bereitet – und die Belohnung verursacht dir zweifellos eine Menge Unannehmlichkeiten. Jetzt möchtest du, dass wir dich vor ihnen verstecken. Wäre es nicht weitaus besser für uns, dich auszuliefern und die Belohnung einzustreichen? Die Suche hört auf. Ich werde ein wenig reicher. Die lästigen Magier verschwinden…«

Sonea sah wieder zu Cery hinüber. »Oder wir könnten einen Handel abschließen.«

Faren spitzte die Lippen. »Das könnten wir. Was hättest du uns als Gegenleistung zu bieten?«

»Mein Vater hat gesagt, Ihr wärt ihm etwas schuldig…«, begann Cery.

Die gelben Augen nahmen Cery ins Visier. »Dein Vater hat alles verwirkt, was ihm zustand, als er uns betrogen hat«, fuhr Faren ihn an.

Cery ließ den Kopf hängen, dann reckte er das Kinn vor und sah dem Dieb direkt ins Gesicht. »Mein Vater hat mir vieles beigebracht«, erklärte er. »Vielleicht kann ich –«

Faren schnaubte und hob geringschätzig die Hand. »Du könntest uns eines Tages vielleicht von Nutzen sein, kleiner Ceryni, aber im Augenblick hast du noch nicht die Freunde, die dein Vater hatte – und die Gefälligkeit, die du verlangst, ist eine große. Wusstest du, dass den, der einen wilden Magier vor der Gilde versteckt, die Todesstrafe erwartet? Nichts behagt dem König weniger als der Gedanke an einen Magier, der umherschleicht und Dinge tut, die der König nicht angeordnet hat.« Sein Blick wanderte zu Sonea, und er lächelte verschlagen. »Aber es ist eine interessante Idee. Eine, die mir ungemein gut gefällt.« Er verschränkte die Hände. »Wozu hast du deine Kräfte seit der Säuberung noch eingesetzt?«

»Ich habe etwas in Brand gesteckt.«

Farens Augen glänzten. »Wirklich? Hast du sonst noch etwas getan?«

»Nein.«

»Wie wär’s, wenn du mir deine Fähigkeiten demonstrieren würdest.«

Sie sah ihn entgeistert an. »Jetzt?«

Er zeigte auf eins der Bücher auf dem Tisch. »Versuche, das da zu bewegen.«

Sonea blickte zu Cery hinüber. Ihr Freund nickte kaum merklich. Sie biss sich auf die Unterlippe und rief sich ins Gedächtnis, was sie getan hatte: In dem Moment, als sie sich bereit erklärt hatte, die Hilfe der Diebe zu suchen, hatte sie sich damit abgefunden, Magie zu benutzen. Sie hatte diese Tatsache akzeptiert, ganz gleich, wie unwohl sie sich dabei fühlte.

Faren lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Nur zu.«

Sonea holte tief Luft, starrte das Buch an und befahl ihm, sich zu bewegen.

Nichts geschah.

Stirnrunzelnd dachte sie an die Ereignisse auf dem Nordplatz und den Kampf mit Burril zurück. Beide Male war sie wütend gewesen. Also schloss sie die Augen und dachte an die Magier. Sie hatten ihr Leben zerstört. Ihre Schuld war es, dass sie sich an die Diebe verkaufen musste. Als sie den Zorn in sich spüren konnte, schlug sie die Augen wieder auf und richtete ihren Groll auf das Buch.

Die Luft knisterte, und ein Lichtblitz erhellte den Raum. Faren sprang mit einem Fluch beiseite, als das Buch in Flammen ausbrach. Er griff nach einem Glas und kippte hastig den Inhalt über das Buch, um das Feuer zu löschen.

»Tut mir Leid«, stieß Sonea hastig hervor. »Beim letzten Mal ist auch nicht das passiert, was ich wollte. Ich werde –«

Faren hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen, und grinste. »Ich denke, du besitzt etwas, das es wert ist, geschützt zu werden, kleine Sonea.«

8

Botschaften in der Dunkelheit

Rothen sah sich in dem überfüllten Abendsaal um und begriff, dass es ein Fehler gewesen war, frühzeitig hier zu erscheinen. Statt in der Menge unterzugehen, hatten ihn einzelne Magier oder kleine Gruppen angesprochen und ihn gezwungen, wieder und wieder die gleichen Fragen zu beantworten.

»Langsam höre ich mich an wie ein Novize, der Formeln aufsagt«, flüsterte er Dannyl gereizt zu.

»Vielleicht solltest du jeden Abend einen Bericht über deine Fortschritte schreiben und ihn an deine Tür nageln.«

»Ich glaube nicht, dass das helfen würde. Wahrscheinlich würden sie denken, sie hätten irgendeine winzige Information nicht mitbekommen, wenn sie mich nicht persönlich befragen.« Rothen schüttelte den Kopf und betrachtete seine Kollegen, die im Raum verteilt standen und ihre Gedanken miteinander teilten. »Und aus irgendeinem Grund wollen sie diese Dinge immer von mir wissen. Warum gehen sie dir nie auf die Nerven?«

»Aus Respekt vor deinem offenkundig höheren Alter«, erwiderte Dannyl.

Rothen sah seinen Freund mit schmalen Augen an. »Offenkundig?«

»Ah, da kommt eine Karaffe Wein, um deine armen, müden Stimmbänder zu befeuchten.« Dannyl winkte einen Diener herbei, der ein Tablett trug.

Rothen nahm ein Glas von seinem Freund entgegen und nippte anerkennend. Irgendwie war er zum inoffiziellen Organisator der Suche nach dem Mädchen geworden. Mit Ausnahme von Fergun und seinen Freunden wurde allenthalben erwartet, dass er die Dinge in die Hand nahm. Diese Entwicklung hatte ihn dazu gezwungen, weniger Zeit mit der aktiven Suche nach dem Mädchen zu verbringen, und er wurde viele Male am Tag gestört, wenn seine Kollegen ihn mit Hilfe der Gedankenrede baten, ein Mädchen zu identifizieren, das sie gefunden hatten.

Plötzlich legte ihm jemand eine Hand auf die Schulter, und Rothen zuckte zusammen. Als er sich umwandte, stand Administrator Lorlen neben ihm.

»Guten Abend, Lord Rothen, Lord Dannyl«, sagte Lorlen. »Der Hohe Lord wünscht, Euch zu sprechen.«

Rothen sah sich im Raum um. Der Hohe Lord hatte soeben in seinem bevorzugten Sessel Platz genommen. Als die anderen Magier Akkarins Anwesenheit bemerkten, veränderte sich die Atmosphäre im Saal, und ein neugieriges Raunen erklang. Dann werde ich mich also ein weiteres Mal wiederholen müssen, überlegte Rothen, während er und Dannyl auf den Führer der Gilde zugingen.

Bei ihrem Näherkommen blickte der Hohe Lord auf und begrüßte sie mit einem kaum wahrnehmbaren Nicken. Die langen Finger hatte er um ein Weinglas geschlungen.

»Bitte, setzt Euch.« Lorlen deutete auf zwei leere Sessel. »Erzählt uns, welche Fortschritte Eure Suche macht.«

Rothen ließ sich in einem der Sessel nieder. »Wir haben über zweihundert Informanten befragt, aber von den meisten haben wir nichts Nützliches erfahren. Einige hatten ganz gewöhnliche Bettlermädchen eingesperrt. Manche Informanten legten allerdings überzeugende Enttäuschung an den Tag, als sich herausstellte, dass der Ort, an dem sich das Mädchen angeblich versteckt hatte, mit einem Mal leer war. Und das ist leider das Einzige, was ich bisher berichten kann.«

Lorlen nickte. »Lord Fergun vermutet, dass irgendjemand sie beschützt.«

Dannyls Lippen wurden zu einer schmalen Linie, aber er sagte nichts.

»Die Diebe?«, fragte Rothen.

Lorlen zuckte die Achseln. »Oder ein wilder Magier. Sie hat sehr schnell gelernt, ihre Aura zu verbergen.«

»Ein wilder Magier?« Rothen sah zu Akkarin hinüber und dachte daran, dass der Hohe Lord beteuert hatte, dass es keinen wilden Magier in den Hütten gebe. »Habt Ihr Grund zu der Vermutung, dass wir es nun doch mit einem wilden Magier zu tun haben?«

»Ich habe gespürt, dass jemand Magie benutzt«, erwiderte Akkarin leise. »Nicht viel Magie und noch nicht lange. Ich glaube, sie experimentiert allein, da ein Lehrer ihr mittlerweile gewiss beigebracht hätte, ihre Aktivitäten zu verbergen.«

Rothen sah den Hohen Lord forschend an. Dass Akkarin eine derart schwache Magie in der Stadt spüren konnte, war erstaunlich, ja sogar beunruhigend. Als der andere Mann seinem Blick begegnete, sah Rothen hastig auf seine Hände hinab.

»Das sind… interessante Neuigkeiten«, bemerkte er.

»Konntet Ihr… konntet Ihr erkennen, wo sie sich aufhält?«, fragte Dannyl.

Akkarin schürzte die Lippen. »Sie benutzt Magie immer nur stoßweise; manchmal ist es ein einzelnes Vorkommnis, manchmal mehrere im Laufe einer Stunde. Ihr würdet die Magie des Mädchens spüren, wenn Ihr wüsstet, worauf Ihr achten müsst, aber solange sie ihre Kräfte nicht über einen längeren Zeitraum hinweg benutzt, besteht kaum eine Chance, sie zu finden und gefangen zu nehmen.«

»Aber wir könnten ihr jedes Mal, wenn sie Magie benutzt, ein klein wenig näher kommen«, sagte Dannyl langsam. »Wir könnten uns in der Stadt verteilen und warten. Sobald sie zu experimentieren beginnt, könnten wir den Kreis ein wenig enger ziehen, bis wir ihren Aufenthaltsort kennen.«

Der Hohe Lord nickte. »Sie befindet sich im nördlichen Bereich des Äußeren Rings.«

»Dann werden wir morgen dort mit der Suche beginnen.« Dannyl legte die Fingerspitzen aneinander. »Aber wir müssen darauf achten, dass wir unsere Strategie nicht verraten und sie auf diese Weise vorwarnen. Wer sie beschützt, hat vielleicht Helfer, die nach Magiern Ausschau halten.« Er zog eine Augenbraue in die Höhe. »Unsere Erfolgsaussichten wären größer, wenn wir unsere Identität geheim halten könnten.«

Akkarins Mundwinkel zuckten leicht. »Weite Umhänge dürften genügen, um Eure Roben zu verbergen.«

Dannyl nickte hastig. »Natürlich.«

»Ihr werdet nur eine einzige Chance haben«, warnte Lorlen. »Wenn das Mädchen erfährt, dass Ihr ihre Magie spüren könnt, wird sie Euch ausweichen, indem sie nach jedem Experiment den Aufenthaltsort wechselt.«

»Dann müssen wir schnell sein – und je mehr Magier uns zur Verfügung stehen, desto eher können wir das Mädchen finden.«

»Ich werde um weitere Freiwillige bitten.«

»Vielen Dank, Administrator.« Dannyl neigte den Kopf.

Lorlen lächelte und lehnte sich in seinem Sessel zurück.

»Ich muss sagen, ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so glücklich darüber sein würde, zu hören, dass unser kleiner Flüchtling anfängt, seine Kräfte zu benutzen.«

Rothen runzelte die Stirn. Ja, dachte er, aber wann immer sie das tut, kommt sie dem Punkt, an dem sie endgültig die Kontrolle über ihre Magie verliert, ein klein wenig näher.