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Ein Riegel nach dem anderen glitt zurück, scheinbar aus eigenem Antrieb. Sonea sah, wie die Zahnräder des komplizierten Mechanismus sich drehten, dann herrschte plötzlich tiefe Dunkelheit um sie herum. Faren hatte die Lampe fallen lassen.

»Lauf!«, stieß er hervor. »Folg mir!«

Sonea legte eine Hand auf die Mauer, um nicht die Orientierung zu verlieren, dann rannte sie hinter Faren her. Sie war nicht mehr als zwanzig Schritte weit gelaufen, als ein Lichtkeil an ihr vorbeischoss und ihren Schatten auf den Boden warf. Der Klang von Stiefeln hallte durch den Korridor hinter ihr.

Plötzlich war der Tunnel von grellem Licht erfüllt, und Soneas Schatten schrumpfte zusammen. Hitze strich über ihr Ohr, und sie prallte zurück, als eine leuchtende Lichtkugel sie einholte. Das Licht schoss an Faren vorbei und formte eine glühende Barriere vor ihnen.

Faren kam schlitternd zum Stehen und wirbelte zu ihrem Verfolger herum. Sein Gesicht wirkte sehr bleich in dem weißen Licht. Als sie ihn erreicht hatte, drehte Sonea sich ebenfalls um. Eine in Roben gewandete Gestalt kam mit langen Schritten auf sie zu. Mit hämmerndem Herzen zog Sonea sich zurück, bis sie die Vibrationen und die Hitze der Barriere hinter sich spüren konnte.

Faren stieß ein Knurren aus, dann ballte er die Fäuste und rannte den Gang zurück, direkt auf den Magier zu. In ihrer Überraschung konnte Sonea ihm nur hinterherstarren.

»Du da!« Faren zeigte mit dem Finger auf den Magier. »Wofür hältst du dich? Das hier ist mein Territorium. Du hast kein Recht, hier einzudringen!«

Seine Stimme hallte durch den Gang. Der Magier verlangsamte seinen Schritt und musterte den Dieb mit wachsamem Blick.

»Das Gesetz gestattet uns, hinzugehen, wo immer wir hingehen müssen«, erklärte der Magier.

»Das Gesetz besagt außerdem, dass Ihr weder Menschen noch deren Besitz Schaden zufügen dürft«, gab Faren zurück. »Meiner Meinung nach habt Ihr während der letzten Wochen nur allzu oft gegen beide Gebote verstoßen.«

Der Magier blieb stehen und hob beschwichtigend die Hände.

»Es war nicht unsere Absicht, diesen Jungen zu töten. Es war ein Versehen.« Der Magier sah Sonea an, und ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinab. »Es gibt viele Dinge, die wir dir erklären müssen. Wir müssen dich lehren, wie du deine Kräfte kontrollieren kannst –«

»Habt Ihr es immer noch nicht verstanden?«, zischte Faren. »Sie möchte keine Magierin werden. Sie will nichts mit Euch zu tun haben. Lasst sie einfach in Ruhe.«

»Das kann ich nicht.« Der Magier schüttelte den Kopf. »Sie muss mit uns kommen –«

»Nein!«, schrie Faren.

Die Augen des Magiers wurden plötzlich kalt, und Sonea begann zu zittern.

»Nicht, Faren!«, rief sie. »Er wird dich töten.«

Faren achtete jedoch nicht auf sie, sondern breitete die Arme aus, so dass seine Hände die beiden Mauern des Tunnels berührten.

»Wenn Ihr sie haben wollt«, knurrte er, »dann werdet Ihr es zuerst mit mir aufnehmen müssen.«

Der Magier zögerte kurz, bevor er einen Schritt nach vorn machte und die Hände hob, so dass die Innenflächen auf Faren gerichtet waren. Ein Klirren erfüllte den Korridor.

Dann riss der Magier die Arme hoch und verschwand.

Verwirrt starrte Sonea auf den Boden, wo der Magier noch einen Augenblick zuvor gestanden hatte. Ein dunkles Quadrat war dort erschienen.

Faren ließ die Hände sinken, warf den Kopf in den Nacken und begann zu lachen. Sonea, deren Herz immer noch hämmerte, schlich zu ihm hinüber. Sie senkte den Blick und sah, dass das schwarze Quadrat ein großes Loch im Fußboden war.

»W-was ist passiert?«

Farens Lachen verebbte zu einem Kichern. Er streckte die Hand aus und drehte einen Ziegelstein in der Mauer. Er griff nach irgendetwas in der dunklen Öffnung und zog es, vor Anstrengung keuchend, heraus. Eine Falltür stieg langsam aus der Tiefe empor und schob sich dann mit einem Klicken über das Loch. Faren scharrte mit dem Fuß ein wenig Staub über die Öffnung.

»Das war wirklich zu einfach«, sagte er, während er sich die Hände an einem Nasentuch abwischte. Er grinste Sonea an, dann vollführte er eine kecke kleine Verbeugung. »Wie hat dir meine Vorstellung gefallen?«

Ein Lächeln umspielte Soneas Lippen. »Ich schätze, ich bin immer noch wach, und dies ist kein Traum.«

»Ha!« Faren zog die Augenbrauen hoch. »Du warst von seiner Darbietung ja offensichtlich überzeugt. ›Nicht, Faren! Er wird dich töten!‹«, äffte er sie mit schriller Stimme nach. Er legte sich eine Hand aufs Herz und lächelte. »Deine Sorge um meine Sicherheit rührt mich zutiefst.«

»Freu dich nur daran«, erwiderte sie. »Es könnte durchaus sein, dass dieses Gefühl nicht lange anhält.« Sie strich mit dem Fuß über die Falltür. »Wohin führt diese Tür?«

Faren zuckte die Achseln. »Oh, geradewegs hinunter in eine Grube voller eiserner Dornen.«

Sonea starrte ihn entgeistert an. »Du meinst… er ist tot?«

»Sehr tot.« Farens Augen blitzten.

Sonea sah zu Boden. Das konnte unmöglich wahr sein… Aber wenn Faren sagte, dass… Obwohl es dem Magier vielleicht gelungen sein mochte …

Ihr war plötzlich übel, und sie fror. Sie hatte nie darüber nachgedacht, dass einer der Magier bei der Suche nach ihr getötet werden könnte. Verletzt vielleicht, aber doch nicht getötet. Was würde die Gilde tun, wenn sie erfuhr, dass einer der ihren den Tod gefunden hatte?

»Sonea.« Faren legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Er ist nicht tot. Die Falle führt in eine Kloake. Sie ist als Fluchtweg gedacht. Wenn er da unten rauskommt, wird er schlimmer stinken als der Tarali-Fluss, aber er wird noch leben.«

Sonea nickte erleichtert.

»Denk doch nur daran, was er dir angetan hätte, Sonea. Eines Tages könntest du gezwungen sein, selbst zu töten, um deine Freiheit zu retten.« Faren betrachtete sie eindringlich. »Hast du jemals darüber nachgedacht?«

Ohne auf eine Antwort zu warten, machte er kehrt und besah sich die Barriere aus Licht und Wärme, die immer noch den Durchgang versperrte. Dann schüttelte er den Kopf und ging den Korridor hinunter, zurück zu ihrem Versteck. Sonea trat nervös über die Falltür und folgte ihm.

»Wir können hier nicht länger bleiben«, überlegte er laut, während er weiterging, »falls auch andere Magier einen Weg ins Haus gefunden haben. Wir müssen…« Er trat näher an die Mauer heran, um sie in Augenschein zu nehmen. »Ah, da ist es.« Er berührte etwas in der Mauer.

Sonea keuchte, als der Boden plötzlich unter ihr hinwegglitt. Irgendetwas schlug hart gegen ihren Rücken, dann rutschte sie über eine steile, glatte Fläche in die Tiefe. Die Luft erwärmte sich schnell, und ein unverkennbarer Gestank schlug ihr entgegen.

Dann schien sie plötzlich zu fliegen, bevor sie in feuchte Dunkelheit getaucht wurde. Wasser drang ihr in die Ohren und die Nase, aber sie hielt den Mund fest geschlossen. Sie trat mit den Beinen um sich, fand schließlich festen Grund und stieß sich an die Oberfläche des Wassers empor. Dann schlug sie gerade rechtzeitig die Augen auf, um Faren dabei zu beobachten, wie er aus einem Tunnel geflogen kam und mit einem Klatschen in dem Becken landete. Er fuchtelte mit den Armen und tauchte schließlich fluchend neben ihr auf.

»Ah!«, brüllte er. Er wischte sich über die Augen und fluchte abermals. »Die falsche Falltür!«

Sonea verschränkte die Arme vor der Brust. »Also, wo ist der Magier nun wirklich gelandet?«

Faren blickte auf, und ein boshaftes Schimmern trat in seine gelben Augen.

»In dem Müllschacht der Bolbrauerei einige Häuser weiter die Straße hinunter«, murmelte er. »Wenn er da rauskommt, wird er eine Woche lang stinken wie fermentierter Tugor-Brei.«

Sonea prustete und watete dann auf den Rand des Beckens zu. »Und das soll schlimmer sein als dies hier?«

Faren zuckte die Achseln. »Für einen Magier vermutlich schon. Nach allem, was ich höre, hassen sie dieses Zeug.« Er folgte ihr aus dem Becken, dann musterte er sie versonnen. »Ich denke, ich bin dir ein Bad und frische Kleidung schuldig, wie?«