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»Weil du es um ein Haar nicht geschafft hättest, mich zu beschützen?« Sonea hob die Schultern. »Für den Augenblick werde ich mich mit einem Bad und frischer Kleidung zufrieden geben, aber wenn du mich das nächste Mal in eine Kloake wirfst, musst du dir schon etwas Besseres ausdenken.«

Er grinste. »Ich werde mal sehen, was sich da machen lässt.«

10

Entscheidungen

Obwohl der nahe Winter der Luft schneidende Kälte verlieh und dichte, graue Wolken am Himmel hingen, besserte sich Rothens Stimmung sofort, als er aus dem Haus trat. Heute war Freitag, der Tag, an dem alle Arbeit ruhte. Für die meisten Magier war der fünfte und letzte Tag der Woche ein Tag des Müßiggangs. Von den Novizen erwartete man dagegen, dass sie sich zumindest für einige Stunden ihren Studien widmeten, und die Lehrer hatten an diesem Tag ein wenig Zeit, um Rückschau auf die Unterrichtsstunden zu halten und sich für die kommende Woche vorzubereiten.

Rothen ging am Mußetag im Allgemeinen für eine Stunde in den Gärten spazieren, bevor er in sein Quartier zurückkehrte, um an den Lektionen zu arbeiten. In dieser Woche gab es jedoch nichts, worauf er sich hätte vorbereiten müssen. Da er offiziell zum Organisator der Suche erklärt worden war, hatte ein anderer Magier seine Pflichten als Lehrer übernommen.

Den größten Teil seiner Zeit verbrachte er damit, die Suche der Freiwilligen zu koordinieren. Es war eine anstrengende Arbeit – für ihn und die Freiwilligen. Die letzten drei Wochen hatten sie, einschließlich der Freitage, mit der Suche verbracht. Rothen wusste, dass einige seiner Helfer ihre Arbeit niederlegen würden, wenn er weiterhin so viel Einsatz von ihnen verlangte. Daher hatte er beschlossen, die Suche für einen Tag ruhen zu lassen.

Als er um eine Ecke bog, kam die Arena der Gilde in Sicht. Acht Türme erhoben sich elegant rings um den runden Kampfplatz und bildeten ein Netzwerk für den machtvollen Schild, der alles außerhalb des Kampffeldes vor den Kräften schützte, die während der Kriegerlektionen benutzt wurden. Vier Novizen standen auf dem Feld, aber heute stellte niemand ein Aufsehen erregendes Spektakel zur Schau.

Stattdessen standen die Novizen paarweise nebeneinander und schwangen mit kontrollierten, genau aufeinander abgestimmten Bewegungen Schwerter. Einige Schritte von ihnen entfernt stand Fergun, das Schwert in der Hand, und beobachtete die Novizen genau.

Rothen hatte Mühe, eine Aufwallung von Missbilligung zu unterdrücken. Sollten die Novizen ihre Zeit nicht besser zum Lernen nutzen, statt sich in dieser überflüssig gewordenen Kampfkunst zu üben?

Der Schwertkampf gehörte nicht zu den Studienfächern der Universität. Novizen, die diese Kunst erlernen wollten, opferten dafür ihre Freizeit. Es war ein Hobby, und Rothen wusste, dass es nur gesund für junge Leute war, ein Interesse zu entwickeln, das nichts mit Magie zu tun hatte und das sie aus ihren stickigen Zimmern herausholte.

Allerdings war er immer schon der Auffassung gewesen, dass Roben und Schwerter nicht gut zusammenpassten. Es gab schon zu viele Möglichkeiten, wie ein Magier einem anderen Menschen Schaden zufügen konnte. Warum sollte man dieser Liste noch eine nichtmagische Fähigkeit hinzufügen?

Auf den Stufen, die die Arena umgaben, standen zwei Magier, die das Geschehen aufmerksam verfolgten. Rothen erkannte Ferguns Freund, Lord Kerrin, und neben ihm Lord Elben, einen Lehrer der Alchemie. Beide stammten aus dem mächtigen Haus Maron, ebenso wie Fergun selbst. Rothen lächelte. Wenn jemand der Gilde beitrat, erwartete man, dass er sich von allen Bündnissen und Feindseligkeiten zwischen den Häusern abwandte, aber nur wenige Magier befolgten dieses Gebot.

Jetzt rief Fergun einen der Novizen zu sich herüber. Lehrer und Novize grüßten einander und ließen sich dann in die Hocke sinken. Als der Novize mit blitzendem Schwert zum Angriff ansetzte, hielt Rothen den Atem an. Fergun trat vor, und seine Waffe wurde praktisch unsichtbar, so schnell ließ er sie durch die Luft wirbeln. Der Novize erstarrte. Ferguns Schwert drückte sich auf seine Brust.

»Verlangt es Euch etwa, an Lord Ferguns Unterricht teilzunehmen?«, erklang eine vertraute Stimme hinter ihm.

Rothen drehte sich um. »In meinem Alter, Administrator?« Er schüttelte den Kopf. »Und selbst wenn ich dreißig Jahre jünger wäre, könnte ich keinen Sinn darin entdecken.«

»Wie ich höre, schärft die Kampfkunst die Reflexe, und überdies soll sie recht nützlich sein, wenn es darum geht, jemandem Disziplin und Konzentration beizubringen«, erwiderte Lorlen. »Lord Fergun findet derzeit bei vielen Magiern Unterstützung für diese alte Kunst, und er hat uns darum gebeten, einmal darüber nachzudenken, ob wir den Schwertkampf nicht in die Studienpläne der Universität aufnehmen wollen.«

»Diese Entscheidung läge doch bei Lord Balkan, nicht wahr?«

»Zum Teil. Das Oberhaupt der Krieger müsste den Höheren Magiern eine solche Erweiterung der Studienpläne zur Abstimmung vorlegen. Ob er das tut, liegt allein bei ihm.« Lorlen breitete die Hände aus. »Wie ich höre, habt Ihr beschlossen, den Suchern für heute freizugeben.«

Rothen nickte. »Sie haben alle hart gearbeitet, manchmal bis spät in die Nacht hinein.«

»Es waren anstrengende vier Wochen für Euch alle«, pflichtete Lorlen ihm bei. »Habt Ihr Fortschritte gemacht?«

»Eigentlich nicht«, gab Rothen zu. »Jedenfalls nicht mehr seit der vergangenen Woche. Wann immer wir sie wahrnehmen, wechselt sie ihren Standort, bevor wir sie finden.«

»Wie Dannyl es vorausgesagt hat.«

»Ja, aber wir haben Ausschau nach Mustern in ihren Bewegungen gehalten. Wenn sie irgendwann zu einem früheren Versteck zurückkehrt, könnten wir sie schneller aufspüren als beim ersten Mal.«

»Und was ist mit diesem Mann, der ihr geholfen hat zu fliehen? Glaubt Ihr, er war einer der Diebe?«

Rothen zuckte die Achseln. »Möglicherweise. Er hat Lord Jolen beschuldigt, in sein Territorium eingedrungen zu sein, was die Vermutung nahelegt, dass er ein Dieb war. Aber mir fällt es schwer zu glauben, dass einer der Diebe ein Lonmar sein soll. Vielleicht war der Mann lediglich ein Beschützer und seine Anklage dazu gedacht, Jolen auf die Falltür zu locken.«

»Dann besteht also die Möglichkeit, dass sie nichts mit den Dieben zu tun hat?«

»Die Möglichkeit, ja, aber es ist unwahrscheinlich. Ich bezweifle, dass sie das Geld hat, um Beschützer zu bezahlen. Der Mann, dem Jolen in dem Tunnel begegnet ist, und die behaglichen Räume, in denen das Mädchen untergebracht war, lassen darauf schließen, dass jemand sich um sie kümmert. Und zwar jemand, der sowohl über die finanziellen Mittel als auch über die Organisation dafür verfügt.«

»So oder so – das sind keine guten Neuigkeiten.« Lorlen seufzte und betrachtete die Novizen in der Arena. »Der König ist gar nicht glücklich über die Entwicklung der Dinge, und daran wird sich auch nichts ändern, solange wir das Mädchen nicht unter Kontrolle haben.«

»Das Gleiche gilt für mich.«

Lorlen nickte. Er schürzte die Lippen, dann sah er Rothen wieder an. »Da ist noch etwas, über das ich mit Euch reden sollte.«

»Ja?«

Lorlen zögerte, als wolle er seine Worte sorgfältig abwägen. »Lord Fergun hat den Wunsch geäußert, zu ihrem Mentor bestellt zu werden.«

»Ja, ich weiß.«

Lorlen zog die Augenbrauen in die Höhe. »Ihr seid unerwartet gut informiert, Lord Rothen.«

Rothen lächelte. »Unerwartet, ja. Ich habe durch Zufall davon erfahren.«

»Habt Ihr immer noch die Absicht, Eurerseits den Antrag zu stellen, als Mentor für das Mädchen eingesetzt zu werden?«

»Ich habe mich noch nicht entschieden. Sollte ich?«

Lorlen schüttelte den Kopf. »Ich halte es nicht für nötig, dieses Problem anzugehen, bevor wir sie finden. Aber Euch ist doch klar, dass ich eine Anhörung einberufen muss, sobald wir sie haben, falls Ihr beide zu ihrem Mentor bestellt werden wollt?«