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»Liest der Schreiber nicht deutlich genug?«

»Nein, das ist es nicht. Er macht seine Arbeit gut. Es ist nur, nun ja, es kommen zu viele fremde Wörter in dem Text vor, und manche Dinge ergeben einfach keinen Sinn.«

Faren nickte. »Wenn du ein wenig mehr Zeit hättest, sie zu studieren, würdest du ihre Bedeutung vielleicht verstehen. Ich bin immer noch auf der Suche nach weiteren Büchern.« Er schürzte die Lippen und betrachtete seine beiden Gäste nachdenklich. »Außerdem gehe ich einigen Gerüchten nach. Man erzählt sich seit Jahren, dass ein gewisser Dieb sich mit einem Mann angefreundet habe, der etwas von Magie verstehe. Ich dachte immer, er habe diese Geschichte nur erfunden, um dafür zu sorgen, dass wir anderen uns ordentlich benehmen, aber ich gehe der Sache trotzdem nach.«

»Ein Magier?«, fragte Cery.

Faren zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Ich bezweifle es. Es dürfte sich wohl eher um einen Mann handeln, der einige Tricks gelernt hat und sie als Magie ausgibt. Falls er jedoch irgendwelche Kenntnisse über echte Magie besitzen sollte, könnte er uns vielleicht von Nutzen sein. Sobald ich mehr weiß, gebe ich dir Bescheid.« Er lächelte. »Darüber hinaus habe ich keine Neuigkeiten, aber ich glaube, Cery hat dir etwas zu erzählen.«

Cery nickte. »Harrin und Donia haben deinen Onkel und deine Tante gefunden.«

»Wirklich?« Sonea setzte sich auf die äußerste Kante ihres Stuhls. »Wo sind sie? Geht es ihnen gut? Haben sie ein anständiges Quartier gefunden? Hat Harrin –«

Cery hob die Hände. »He! Eine Frage nach der anderen!«

Grinsend beugte sich Sonea zu ihm hinüber. »Entschuldige. Erzähl mir, was du weißt.«

»Nun«, begann er, »anscheinend konnten sie dort, wo sie früher gelebt haben, kein Zimmer mehr bekommen, haben aber einige Straßen entfernt ein noch besseres gefunden. Ranel hat jeden Tag nach dir gesucht. Die beiden hatten gehört, dass die Magier nach einem Mädchen Ausschau halten, sind aber nicht auf die Idee gekommen, dass es sich um dich handeln könnte.« Er lachte leise. »Als Harrin Jonna erzählte, dass du dich bei der Säuberung seiner Bande angeschlossen hast, hatte deine Tante das eine oder andere zu sagen, aber dann hat er den beiden berichtet, was du getan hast. Zuerst wollten sie ihm nicht glauben. Er hat ihnen erzählt, dass wir versucht haben, dich zu verstecken, und er hat von der Belohnung gesprochen und davon, dass die Diebe dich beschützen. Harrin meint, sie wären nicht so wütend darüber gewesen, wie er es erwartet hatte – nicht nachdem er alles erklärt hatte.«

»Haben sie ihm eine Nachricht für mich mitgegeben?«

»Sie lassen dir ausrichten, dass du auf dich aufpassen sollst. Außerdem sollst du dir genau überlegen, wem du vertraust.«

»Dieser letzte Rat kommt bestimmt von Jonna.« Sonea lächelte wehmütig. »Ich bin sehr froh, dass sie ein Quartier gefunden haben – und dass sie jetzt wissen, dass ich ihnen nicht einfach weggelaufen bin.«

»Harrin hatte Angst, dass Jonna ihm womöglich die Haut vom Leib ziehen würde, weil er dich aufgefordert hat, dich während der Säuberung uns anzuschließen. Er sagt, dass die beiden in Zukunft täglich in das Gasthaus kommen würden, um sich nach dir zu erkundigen. Soll er ihnen etwas von dir ausrichten?«

»Nur dass es mir gut geht und ich in Sicherheit bin.« Sie sah Faren an. »Dürfen die beiden mich besuchen?«

Faren runzelte die Stirn. »Ja, aber erst, wenn ich mich davon überzeugt habe, dass es ungefährlich ist. Es ist möglich – wenn auch zweifelhaft –, dass die Magier wissen, wer die beiden sind, und dass sie versuchen werden, über deinen Onkel und deine Tante an dich heranzukommen.«

Sonea sog scharf die Luft ein. »Was ist, wenn die Magier wissen, wer sie sind, und damit drohen, ihnen etwas anzutun, wenn ich mich nicht stelle?«

Der Dieb lächelte. »Ich glaube nicht, dass sie so etwas tun würden. Gewiss nicht in der Öffentlichkeit. Wenn sie versuchen sollten, es heimlich zu tun…?« Er deutete mit dem Kopf auf Cery. »Wir würden schon einen Ausweg finden, Sonea. Mach dir um solche Dinge keine Gedanken.«

Cery lächelte schwach. Es überraschte Sonea, dass Faren und Cery in dieser Angelegenheit Komplizen zu sein schienen, und sie unterzog ihren Freund einer eingehenden Musterung. Seine Schultern wirkten angespannt, und wann immer er zu Faren hinüberblickte, erschien eine Falte zwischen seinen Brauen. Sie hatte nicht erwartet, dass er sich in Gegenwart des Diebes unbefangen geben würde, aber dennoch kam er ihr allzu nervös vor.

Sie drehte sich zu dem Dieb um. »Dürfen Cery und ich uns ein wenig unterhalten?«, fragte sie. »Ich meine, allein?«

»Natürlich.« Faren erhob sich und ging zur Tür, sah sich dann aber noch einmal um. »Cery, wenn du hier fertig bist, hätte ich eine kleine Aufgabe für dich. Nichts Dringendes. Lass dir Zeit. Und wir sehen uns dann morgen, Sonea.«

»Morgen«, erwiderte sie und nickte.

Als sich die Tür hinter dem Dieb schloss, wandte Sonea sich zu Cery um.

»Bin ich hier wirklich in Sicherheit?«, fragte sie mit leiser Stimme.

»Für den Augenblick ja«, sagte er.

»Und später?«

Er hob die Schultern. »Das hängt von deiner Magie ab.«

Ein Stich der Furcht durchzuckte sie. »Was ist, wenn ich es nie lerne?«

Er beugte sich vor und griff nach ihrer Hand. »Du wirst es lernen. Du brauchst nur Übung. Wenn es so einfach wäre, gäbe es keine Gilde, nicht wahr? Nach allem, was ich gehört habe, brauchen Novizen fünf Jahre, bevor sie so gut sind, dass man sie ›Lord‹ Soundso nennt.«

»Weiß Faren das auch?«

Cery nickte. »Er wird dir Zeit geben.«

»Dann kann mir nichts passieren.«

Er lächelte. »So ist es.«

Sonea seufzte. »Was ist mit dir?«

»Ich mache mich nützlich.«

Sie sah ihn direkt an. »Indem du dich zu Farens Sklaven machst?«

Er wandte den Blick ab.

»Du brauchst nicht hierher zu kommen«, erklärte sie. »Ich bin in Sicherheit. Das hast du selbst gesagt. Geh. Geh fort, bevor sie dich endgültig am Haken haben.«

Kopfschüttelnd erhob er sich und ließ ihre Hand los. »Nein, Sonea. Du brauchst einen Freund. Jemanden, dem du vertrauen kannst. Ich werde dich nicht mit den Dieben allein lassen.«

»Aber du darfst dich nicht zu Farens Sklaven machen, nur damit ich einen Freund zum Reden habe. Geh zurück zu Harrin und Donia. Faren wird dir gewiss gestatten, mich ab und zu zu besuchen.«

Er wandte sich der Tür zu, dann drehte er sich wieder zu Sonea um. »Ich möchte das tun, Sonea.« Seine Augen leuchteten. »Seit ich denken kann, reden die Leute, als würde ich schon lange für die Diebe arbeiten. Jetzt habe ich die Gelegenheit, ihrem Gerede einen echten Anlass zu geben.«

Sonea starrte ihn an. War es wirklich das, was er wollte? Konnte ein so netter Kerl wie Cery aus freien Stücken zu einem Dieb werden? Zu einem unbarmherzigen, geldgierigen Mörder? Sie wandte den Blick ab. Das war es, was Jonna von den Dieben dachte. Cery selbst hatte immer beteuert, die Diebe trachteten ebenso danach, anderen zu helfen und sie zu beschützen, statt nur zu schmuggeln und zu stehlen.

Sie konnte – durfte – ihn nicht daran hindern, zu tun, was er immer hatte tun wollen. Falls sich herausstellte, dass diese Arbeit seinen Hoffnungen nicht entsprach, war er klug genug, um aus dem Netz der Diebe wieder zu entkommen. Sie schluckte und stellte fest, dass ihre Kehle plötzlich wie zugeschnürt war.

»Wenn es das ist, was du willst«, sagte sie. »Gib nur auf dich Acht.«

Er zuckte die Achseln. »Das tue ich immer.«

Sie lächelte. »Es wäre wunderbar, wenn du jeden Tag vorbeikommen könntest.«

Er grinste. »Nichts könnte mich davon abhalten.«

Das Bordell lag im dunkelsten und schmutzigsten Teil der Hüttenviertel. Wie in den meisten Fällen war die untere Etage ein Bolhaus, in den oberen Räumen arbeiteten die hübscheren Mädchen, und alle anderen Geschäfte wurden in den Ställen im hinteren Teil des Gebäudes abgewickelt.

Als Cery eintrat, gingen ihm noch einmal Farens Worte durch den Kopf. »Er kennt die meisten Gesichter. Aber dich wird er nicht erkennen. Tu so, als seist du neu in dem Gewerbe. Biete ihm einen guten Preis für das, was er hat. Und bring seine Waren dann zu mir.«