Выбрать главу

Aber wenn der König jenseits aller Zweifel wüsste, dass es einen wilden Magier in der Stadt gab, könnte er durchaus willens sein, die Hüttensiedlungen dem Erdboden gleichzumachen.

Dannyl fragte sich, ob den Dieben das klar war. Er hatte diese Möglichkeit bei seinen Gesprächen mit Gorin nicht erwähnt, da er nicht drohend auftreten wollte. Stattdessen hatte er den Dieb nur immer wieder vor der Gefahr gewarnt, die das Mädchen darstellte.

Als er jetzt das Ende der Gasse erreichte, eilte er über eine breitere Straße auf den schmalen Durchgang zwischen zwei Gebäuden zu. Das Gebiet, das dahinter lag, war ein einziges Labyrinth. Der Wind fuhr durch jede schmale Gasse und wimmerte wie ein hungriges Kind. Gelegentlich erstarb er vollkommen, und in einer dieser Pausen hörte Dannyl den Klang von Schritten hinter sich. Er drehte sich um.

Die Gasse war verlassen. Achselzuckend ging er weiter.

Seine Fantasie gaukelte ihm immer wieder vor, dass er verfolgt wurde. In der Stille zwischen seinen eigenen Schritten konnte er das Knirschen anderer Schritte hören, und wenn er sich umdrehte, bemerkte er hier und da eine Bewegung an einer Häuserecke. Während das Gefühl sich verstärkte, wuchs Dannyls Ärger auf sich selbst. Schließlich blieb er an einer Ecke stehen, öffnete geschickt das Schloss einer Tür und schlüpfte in das Gebäude hinein.

Zu seiner Erleichterung hielt sich niemand in dem Raum auf. Er spähte durch das Schlüsselloch und schnaubte leise, als er sah, dass die Gasse draußen immer noch verlassen dalag. Dann kam plötzlich eine Gestalt in Sicht.

Er runzelte die Stirn, als er die Narben in dem breiten Gesicht des Mannes wiedererkannte. Der Sachakaner blickte sich suchend um. Direkt vor ihm blitzte etwas auf, und im nächsten Moment begriff Dannyl, dass der Mann ein Furcht erregendes Messer in der Hand hielt.

Dannyl kicherte leise vor sich hin. Dein Glück, dass ich dich gehört habe, dachte er. Er fragte sich, ob er den Straßenräuber angreifen und auf die nächste Wache schleppen sollte, entschied sich aber dagegen. Die Nacht senkte sich bereits über die Stadt, und Dannyl verspürte ein heftiges Verlangen nach der Wärme seines Quartiers. Der Sachakaner suchte den Boden ab, dann machte er auf dem Absatz kehrt. Dannyl zählte bis hundert, bevor er wieder durch die Tür schlüpfte und seinen Weg fortsetzte. Seine Befürchtung, die Hüttenleute könnten seine wahre Identität kennen, schien unbegründet zu sein. Vom Hüttenvolk wäre niemand töricht genug, einen Magier mit einem bloßen Messer anzugreifen.

Als Cery Soneas Versteck betrat, saß sie über ein großes Buch gebeugt an einem Tisch. Sie blickte auf und lächelte.

»Was macht die Magie?«, erkundigte er sich.

Ihr Lächeln verschwand. »Das Übliche.«

»Das Buch hilft dir nicht?«

Sie schüttelte den Kopf. »Es ist jetzt fünf Wochen her, dass ich angefangen habe zu üben, aber das Einzige, was ich wirklich lerne, ist das Lesen. Ich kann Faren keine Gegenleistung für seinen Schutz anbieten.«

»Das, was du tust, lässt sich nicht beschleunigen«, erwiderte er. Jedenfalls nicht, wenn sie immer nur einmal am Tag üben kann, fügte er in Gedanken hinzu.

Seitdem sie beinahe gefangen worden wäre, lungerten, wann immer sie Magie benutzte, vor jedem von Farens Verstecken einige Magier herum, die ihn dazu zwangen, immer neue Verstecke zu suchen. Cery wusste, dass Faren überall in den Siedlungen Gefälligkeiten einforderte, die die Menschen ihm schuldeten. Außerdem wusste er, dass der Dieb eine feste Überzeugung hatte: Sonea war jede Münze und jede Gefälligkeit wert, die er auf sie verwandte.

»Was brauchst du deiner Meinung nach, um deine Magie beherrschen zu lernen?«, fragte er.

Sie stützte das Kinn auf die Hand. »Ich brauche jemanden, der es mir zeigt.« Sie hob eine Augenbraue. »Hat Faren etwas von diesem Mann gesagt, über den er Erkundigungen einziehen wollte?«

Cery schüttelte den Kopf. »Mir gegenüber jedenfalls nicht. Allerdings habe ich ein Gespräch mitangehört, das nicht allzu hoffnungsvoll klang.«

Sie seufzte. »Du kennst nicht zufällig irgendeinen freundlichen Magier, der bereit wäre, die Geheimnisse der Gilde an die Diebe zu verraten? Vielleicht könntest du ja einen von ihnen für mich entführen.«

Cery lachte, dann brach er jäh ab, als eine Idee Gestalt annahm. »Meinst du –«

»Scht!«, zischte Sonea. »Horch!«

Jetzt hörte auch Cery das leise Klopfen, das aus dem Fußboden kam, und sprang auf.

»Das Signal!«

Cery lief zu dem Fenster hinüber, von dem aus man einen Blick auf die Straße hatte, und spähte in die Schatten unter ihm. Statt des Wächters entdeckte er dort eine unvertraute Gestalt. Er warf Sonea ihren Umhang zu, der über einer Stuhllehne gelegen hatte.

»Steck ihn unter dein Hemd«, befahl er ihr. »Und dann folg mir.«

Er griff sich einen Eimer voll Wasser, der neben ihrem Tisch stand, und kippte seinen Inhalt auf die spärliche Glut in der Feuerstelle. Das Holz zischte, und Dampf stieg im Schornstein auf. Dann zog Cery das Gitter aus der Wand, zwängte sich hindurch und kletterte den Schornstein hinauf, wobei er die Spitzen seiner Stiefel in die Ritzen zwischen den groben, heißen Ziegelsteinen stellte.

»Du machst Witze«, murmelte Sonea von unten.

»Mir nach«, drängte er sie. »Wir gehen über die Dächer.«

Mit einem leisen Fluch machte sie sich an den Aufstieg.

Als die Sonne hinter den Gewitterwolken hervorkam, tauchte sie die Dächer in goldenes Licht. Cery trat in den Schatten eines Schornsteins.

»Es ist so hell«, erklärte er. »Man kann uns bestimmt sehen. Ich denke, wir sollten hier bleiben, bis es dunkel wird.«

Sonea ließ sich neben ihm nieder. »Sind wir weit genug entfernt?«

Er drehte sich zu dem Versteck um, aus dem sie gekommen waren. »Ich hoffe es.«

Sie sah sich um. »Wir sind auf der Hohen Straße, nicht wahr? Diese Seile und Holzbrücken – die Haltegriffe.« Als Cery nickte, lächelte sie. »Das bringt alte Erinnerungen zurück.«

Der sehnsüchtige Ausdruck in ihren Augen entlockte ihm ein Grinsen. »Es scheint alles so weit zurückzuliegen.«

»Das tut es auch. Meistens kann ich nicht glauben, dass wir einige dieser Dinge wirklich getan haben.« Sie schüttelte den Kopf. »Dazu habe ich heute gar nicht mehr den Mut.«

Er zuckte die Achseln. »Wir waren Kinder.«

»Kinder, die sich in Häuser geschlichen und gestohlen haben.« Sie lächelte. »Weißt du noch, wie wir einmal in dem Zimmer dieser Frau standen, die so viele Perücken hatte? Du hast dich auf den Boden gelegt, und wir haben dich mit den Dingern zugedeckt. Als sie dann reinkam, hast du furchtbar gestöhnt.«

Cery lachte auf. »Schreien konnte sie, wahrhaftig.«

Soneas Augen leuchteten im Licht der untergehenden Sonne. »Und ich habe mächtig Ärger gekriegt, als Jonna dahinterkam, dass ich mich nachts aus dem Haus schlich, um mich dir anzuschließen.«

»Was dich allerdings nicht aufgehalten hat«, rief er ihr ins Gedächtnis.

»Nein. Damals hattest du mir schon beigebracht, wie man Schlösser öffnet.«

Er musterte sie eingehend. »Warum bist du dann eines Tages nicht mehr gekommen?«

Sie seufzte und zog die Knie an die Brust. »Die Dinge haben sich verändert. Harrins Bande hat plötzlich angefangen, mich anders zu behandeln. Es war so, als sei ihnen plötzlich eingefallen, dass ich ein Mädchen war, und ich hatte das Gefühl, dass sie glaubten, ich sei aus ganz anderen Gründen mit ihnen zusammen. Es machte einfach keinen Spaß mehr.«

»Ich habe dich nicht anders behandelt…« Er zögerte, dann nahm er all seinen Mut zusammen. »Aber du hattest auch keine Lust mehr, mit mir zusammen zu sein.«

Sie schüttelte den Kopf. »Es lag nicht an dir, Cery. Ich denke, ich bin dieser Dinge irgendwann einfach überdrüssig geworden. Ich musste erwachsen werden und aufhören, mir etwas vorzumachen. Jonna hat mir immer wieder eingeschärft, dass Ehrlichkeit etwas Kostbares sei und Stehlen falsch. Ich dachte, es könne nicht falsch sein, zu stehlen, wenn einem keine andere Wahl blieb, aber das war es nicht, was wir getan haben. Als wir dann in die Stadt zogen, war ich beinahe froh darüber, denn das bedeutete, dass ich über all das nicht länger nachzudenken brauchte.«