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An jeder Ecke ragte ein Turm auf. Zwischen den Türmen schimmerten weiße Mauern im Mondlicht. Auf der Vorderseite wölbten sich steinerne Bögen, die sich über die gesamte Breite des Bauwerks zogen, einer über dem anderen, und von jedem dieser Bögen hing ein Vorhang aus Stein herab. Eine breite Treppe führte zu zwei prächtigen Portalen hinauf, die beide offen standen.

»Es ist wunderschön«, wisperte Sonea.

Cery lachte leise. »Ja, nicht wahr? Siehst du diese Türen? Sie sind ungefähr viermal so hoch wie ein ausgewachsener Mann.«

»Sie müssen furchtbar schwer sein. Wie schließt man sie?«

»Mit Magie, vermute ich.«

Als eine Gestalt in blauen Roben in der Tür erschien, verkrampfte Sonea sich jäh. Der Mann hielt inne, dann ging er mit langen Schritten die Treppe hinunter und näherte sich einem kleineren Gebäude auf der rechten Seite.

»Keine Angst. Sie können uns nicht sehen«, versicherte ihr Cery.

Sonea stieß den Atem, den sie angehalten hatte, aus und riss den Blick von der fernen Gestalt los. »Was befindet sich im Innern des Gebäudes?«

»Unterrichtsräume. Das ist die Universität.«

Drei Fensterreihen zogen sich an der Seitenmauer des Gebäudes entlang. Die beiden unteren Reihen verschwanden beinahe hinter den Bäumen, aber Sonea konnte ein warmes, gelbes Licht ausmachen, das durch die Blätter schien. Links von der Universität befand sich ein großer Garten. Cery zeigte auf ein Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite.

»Dort sind die Novizen untergebracht«, erklärte er. »Auf der anderen Seite der Universität befindet sich ein ganz ähnliches Gebäude, in dem die Magier leben. Da drüben…« Er zeigte auf einen Rundbau, der einige hundert Schritte links von ihnen lag. »Dort verrichten die Heiler ihre Arbeit.«

»Und was ist das?«, fragte Sonea und deutete mit dem Kopf auf eine Reihe gebogener Masten, die aus dem Garten aufragten.

Cery zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht«, gab er zu. »Das konnte ich nicht herausfinden.«

Er zeigte auf die Straße vor ihnen. »Wenn man dort hinuntergeht, kommt man zu den Dienstbotenquartieren.« Er zeigte nach links, dann drehte er sich um. »Und in der Richtung liegen die Ställe. Hinter der Universität befinden sich noch einige andere Gebäude, und vor den Quartieren der Magier liegt ein weiterer Garten. Oh, außerdem kommst du, wenn du den Hügel hinaufgehst, zu einigen Häusern, in denen ebenfalls Magier leben.«

»So viele Gebäude«, flüsterte sie. »Wie viele Magier gibt es eigentlich?«

»Hier leben über hundert von ihnen«, antwortete er. »Es gibt noch weitere, die nicht hier wohnen. Einige leben in der Stadt, einige draußen auf dem Land, und in anderen Ländern gibt es natürlich noch mehr von ihnen. Außerdem sind in der Gilde ungefähr zweihundert Diener untergebracht. Die Magier haben Mägde, Stallburschen, Köche, Schreiber, Gärtner und sogar Bauern.«

»Bauern?«

»In der Nähe der Dienstbotenquartiere gibt es einige Felder.«

Sonea runzelte die Stirn. »Warum kaufen sie ihr Getreide nicht einfach?«

»Ich habe gehört, dass sie alle möglichen Pflanzen anbauen, um daraus Medizin herzustellen.«

»Oh.« Sonea sah Cery beeindruckt an. »Woher weißt du so viel über die Gilde?«

Er grinste. »Ich habe eine Menge Fragen gestellt, vor allem nachdem ich mich das letzte Mal hier umgesehen hatte.«

»Warum?«

»Ich war neugierig.«

»Neugierig?« Sonea schnaubte. »Einfach nur neugierig?«

»Jeder fragt sich, was sie hier drin tun. Du nicht?«

Sonea zögerte. »Nun ja… manchmal.«

»Natürlich stellst du dir Fragen. Du hast mehr Grund dazu als die meisten anderen. Also, möchtest du ein paar Magier ausspionieren?«

Sonea blickte zu den Gebäuden hinauf. »Wie können wir sie beobachten, ohne gesehen zu werden?«

»Der Garten führt direkt bis zu den Mauern der Gebäude«, erklärte Cery. »Das ganze Grundstück ist von Wegen überzogen, die kreuz und quer verlaufen, und all diese Wege werden von Hecken zu beiden Seiten gesäumt. Zwischen diesen Hecken kannst du umhergehen, ohne dass dich irgendjemand sieht.«

Sonea schüttelte den Kopf. »Nur du kannst auf eine so verrückte Idee kommen.«

Er lächelte. »Aber du weißt, dass ich keine törichten Risiken eingehe.«

Sie biss sich auf die Unterlippe, immer noch beschämt darüber, dass sie auf den Gedanken gekommen war, er könne sie verraten haben. Er war schon immer der Klügste in Harrins Bande gewesen. Wenn es möglich war, die Gilde auszuspionieren, dann würde Cery wissen, wie man es machte.

Sie wusste, dass sie ihn eigentlich hätte bitten müssen, sie zu Faren zurückzubringen. Wenn irgendjemand sie entdeckte… Es war zu furchtbar, auch nur darüber nachzudenken. Cery musterte sie erwartungsvoll. Es wäre eine Schande, es nicht wenigstens zu versuchen, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf, und vielleicht bekomme ich ja wirklich etwas Nützliches zu sehen.

»Also gut.« Sie seufzte. »Wohin zuerst?«

Cery grinste und zeigte auf das Gebäude der Heiler. »Wir werden in die Gärten dort unten gehen, wo die Straße im Dunkeln liegt. Folge mir.«

Er huschte zurück in den Wald und bahnte sich einen Weg zwischen den Bäumen hindurch. Nach einigen hundert Schritten wandte er sich wieder in Richtung Straße und blieb schließlich neben einem Baum stehen.

»Die Magier sind im Augenblick beim Unterricht«, murmelte er. »Und einige andere sind in ihre Quartiere gegangen. Wir haben Zeit, bis die Abendkurse zu Ende sind, dann werden wir uns verstecken. Fürs Erste brauchen wir nur nach Dienstboten Ausschau zu halten. Stopf dir den Umhang in dein Hemd. Er würde dir nur im Weg sein.«

Sie gehorchte. Cery griff nach ihrer Hand und ging auf die Straße zu. Sonea blickte zweifelnd zu den Fenstern der Universität empor.

»Was ist, wenn sie nach draußen sehen? Sie würden uns entdecken.«

»Keine Sorge«, antwortete er. »In all ihren Räumen brennt helles Licht, so dass sie draußen nichts sehen können, es sei denn, sie würden direkt ans Fenster treten. Und dazu sind sie viel zu beschäftigt.«

Er zog sie hinter sich her auf die andere Straßenseite. Mit angehaltenem Atem suchte sie nach Beobachtern in den Fenstern, aber niemand tauchte auf. Als sie in die Dunkelheit des Gartens kamen, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus.

Im nächsten Moment ließ Cery sich auf den Bauch fallen und schlängelte sich durch eine Hecke. Sonea tat es ihm gleich, bis sie kurz darauf unter dichtem Blätterwerk hockte.

»Die Hecke ist ein wenig gewachsen, seit ich das letzte Mal hier war«, murmelte Cery. »Wir werden hindurchkriechen müssen.«

Auf Händen und Knien bewegten sie sich vorwärts, durch einen dichten Tunnel aus Pflanzen. Etwa alle zwanzig Schritte mussten sie sich an einem Baumstamm vorbeizwängen. Nachdem sie auf diese Weise mehrere hundert Schritt zurückgelegt hatten, hielt Cery inne.

»Wir befinden uns jetzt direkt vor dem Gebäude der Heiler«, erklärte er. »Wir überqueren einen Weg, dann verstecken wir uns zwischen den Bäumen vor einer der Mauern. Ich gehe vor. Du wirst dich zuerst davon überzeugen, dass die Luft rein ist, dann folgst du mir.«

Wieder legte er sich bäuchlings auf den Boden, schob sich durch die Hecke und verschwand. Durch die Lücke, die er dabei geschaffen hatte, spähte Sonea auf die andere Seite hinüber. Entlang der Hecke verlief ein Fußweg.

Es war niemand zu sehen, daher eilte sie Cery hinterher. Als sie ihn erreichte, saß er, mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt, gegenüber einer hohen Mauer.

»Glaubst du, du kannst da raufklettern?«, fragte Cery leise und klopfte auf die Mauer. »Du musst in den zweiten Stock hinauf. Dort findet der Unterricht statt.«

Sonea besah sich die Mauer, die aus großen Ziegeln bestand. Der Mörtel in den Fugen war bereits alt und krümelig. Zwei Mauervorsprünge verliefen rund um das Gebäude und bildeten die Simse der Fenster. Sobald sie eins der Fenster erreicht hätte, würde sie sich auf den Mauervorsprung hocken können, während sie hineinspähte.