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Sonea zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht, aber für die Hüttenleute würde es keinen Unterschied machen. Wann habt Ihr uns jemals etwas Gutes getan?«

Rothens Augen wurden schmal. »Es gibt viele Dinge, von denen du nichts bemerkst.«

»Zum Beispiel?«

»Wir halten zum Beispiel den Hafen frei von Schlick. Ohne uns könnten keine Schiffe in Imardin vor Anker gehen, und der Handel mit anderen Ländern käme zum Erliegen.«

»Welchen Nutzen haben die Hüttenleute davon?«

»Der Handel gibt allen Ständen von Imardin Arbeit. Mit den Schiffen kommen Seeleute, die Geld für Unterkunft, Verpflegung und allerlei anderes ausgeben. Arbeiter verpacken und transportieren Waren. Die Zünftler stellen die Waren her.« Er musterte sie kurz, dann schüttelte er den Kopf. »Vielleicht ist unsere Arbeit zu weit von deinem eigenen Leben entfernt, als dass du ihren Nutzen erkennen könntest. Du müsstest sehen, wie wir den Menschen direkt helfen, zum Beispiel durch die Bemühungen unserer Heiler. Sie arbeiten hart, um –«

»Heiler!« Sonea verdrehte die Augen. »Wer hat denn das Geld, um einen Heiler zu bezahlen? Das Honorar beträgt das Zehnfache von dem, was ein guter Dieb in seinem ganzen Leben verdienen kann!«

Rothen stutzte. »Natürlich, du hast Recht«, sagte er leise. »Wir verfügen nur über eine begrenzte Anzahl an Heilern – kaum genug, um die vielen Kranken zu versorgen, die bei uns Hilfe suchen. Die hohen Honorare schrecken Menschen mit nur geringfügigen Leiden davon ab, die Zeit der Heiler unnötig zu verschwenden. Dafür bilden wir auch nichtmagiekundige Heiler aus. Diese Bader behandeln die übrigen Bürger von Imardin.«

»Aber nicht die Hüttenleute«, entgegnete Sonea. »Wir haben Kurierer, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Menschen töten, ist genauso groß wie die, dass sie jemanden kurieren. Bader kenne ich nur vom Hörensagen aus der Zeit, als ich im Nordviertel lebte, und sie zu Rate zu ziehen kostet eine Stange Gold.«

Rothen blickte aus dem Fenster und seufzte. »Sonea, wenn ich das Problem der Armut in der Stadt lösen könnte, würde ich es tun, ohne einen Moment lang zu zögern. Aber wir können nur wenig ausrichten, selbst wir Magier.«

»Ach ja? Wenn Euch die Säuberung wirklich nicht gefällt, dann weigert Euch doch einfach, Euch daran zu beteiligen. Sagt dem König, dass Ihr alles andere tun würdet, was er befiehlt, nur das nicht. So etwas hat es durchaus schon gegeben.«

Es war offensichtlich, dass ihre Bemerkung ihn verwirrte.

»Damals, als König Palen sich weigerte, die Bündnisverträge zu unterzeichnen.« Als sie die Überraschung in seinem Gesicht sah, musste sie ein Lächeln unterdrücken. »Und dann bringt den König dazu, in den Hüttenvierteln eine ordentliche Kanalisation und ähnliche Dinge bauen zu lassen. Sein Urgroßvater hat das für den Rest der Stadt getan, warum sollte er es nicht für uns tun?«

Rothen zog die Augenbrauen in die Höhe. »Du hättest nicht den Wunsch, die Hüttenleute in die Stadt umzusiedeln?«

Sonea schüttelte den Kopf. »Einige Viertel des Äußeren Rings sind gut. Die Stadt wird sowieso nicht aufhören zu wachsen. Vielleicht sollte der König noch eine weitere Mauer errichten lassen.«

»Mauern sind überflüssig geworden. Wir haben keine Feinde. Aber deine anderen Vorschläge sind… interessant.« Er musterte sie anerkennend. »Und was sollten wir deiner Meinung nach sonst noch tun?«

»Geht in die Hütten und heilt die Menschen dort.«

Er verzog das Gesicht. »Dafür gibt es nicht genug Heiler.«

»Ein paar Heiler wären besser als gar keine. Warum ist der gebrochene Arm des Sohns eines Hauses wichtiger als der gebrochene Arm eines Hüttensohns?«

Jetzt lächelte er, und Sonea befiel der beunruhigende Verdacht, dass ihre Antworten ihn lediglich erheiterten. Was kümmerten diese Dinge ihn überhaupt? Er hatte nur das Ziel, sie glauben zu machen, er habe Verständnis für sie. Aber es gehörte schon mehr dazu, ihr Vertrauen zu gewinnen.

»Ihr werdet all das niemals tun«, murmelte sie ungehalten. »Ihr behauptet immer wieder, einige von Euch würden helfen, wenn sie könnten, aber die Wahrheit sieht anders aus: Wenn den Magiern wirklich etwas an den Hüttenleuten liegen würde, wären sie dort draußen. Es gibt kein Gesetz, das sie daran hindern könnte. Aber warum sieht man sie niemals in den Hüttensiedlungen? Ich werde Euch sagen, warum. Die Hüttenviertel stinken, und die Verhältnisse dort sind erbärmlich. Deshalb tut Ihr lieber so, als gäbe es sie gar nicht. Hier habt Ihr alle erdenklichen Annehmlichkeiten.« Sie zeigte auf die prächtigen Möbel im Raum. »Jeder weiß, dass der König Euch eine Menge Gold für Eure Arbeit bezahlt. Nun, wenn Ihr alle so viel Mitleid für uns empfindet, dann solltet Ihr einen Teil des Geldes dazu benutzen, den Menschen zu helfen, aber genau das tut Ihr nicht. Ihr behaltet Euren Wohlstand lieber für Euch.«

Er schürzte die Lippen und musterte sie nachdenklich. Sie war sich der Stille im Raum plötzlich eigenartig bewusst. Als ihr klar wurde, dass sie sich von ihm hatte provozieren lassen, knirschte sie mit den Zähnen.

»Wenn man irgendeinem der Menschen in den Hütten, die du kennst, eine große Summe Geldes gäbe«, sagte er, »meinst du, er würde alles hergeben, um anderen zu helfen?«

»Ja«, lautete ihre Antwort.

Er zog eine Augenbraue in die Höhe. »Also würde nicht ein Einziger von ihnen sich versucht fühlen, das Geld für sich zu behalten?«

Sonea hielt inne. Sie kannte einige Menschen, die sich so verhalten würden. Nun ja, mehr als nur einige.

»Ein paar von ihnen würden das Geld wohl behalten«, gab sie zu.

»Ah«, sagte er. »Aber du möchtest nicht, dass ich glaube, alle Hüttenleute seien egoistisch, nicht wahr? Ebenso wenig solltest du glauben, dass alle Magier nur an sich selbst denken. Zweifellos würdest du mir außerdem versichern, dass die Menschen, die du kennst, trotz ihrer Verstöße gegen das Gesetz oder ihrer rauen Art zum größten Teil anständige Leute sind. Dann ergibt es keinen Sinn, dass du alle Magier für die Fehler, die einige von ihnen machen, oder für ihre hohe Geburt verurteilst. Die meisten von uns, das kann ich dir versichern, bemühen sich darum, anständige Menschen zu sein.«

Stirnrunzelnd wandte Sonea den Blick ab. Was er sagte, klang vernünftig, aber es tröstete sie keineswegs. »Vielleicht«, erwiderte sie. »Trotzdem habe ich in den Hütten keinen einzigen Magier gesehen, der den Menschen dort hilft.«

Rothen nickte. »Weil wir wissen, dass die Hüttenleute unsere Hilfe ablehnen würden.«

Sonea zögerte. Er hatte natürlich Recht, aber wenn die Hüttenleute die Hilfe der Gilde ablehnten, dann nur deshalb, weil die Gilde ihnen allen Grund gegeben hatte, sie zu hassen.

»Geld würden sie nicht ablehnen«, bemerkte sie.

»Angenommen, du gehörst nicht zu den Menschen, die ihren Reichtum horten würden – was würdest du tun, wenn ich dir hundert Goldmünzen gäbe, die du nach eigenem Belieben verteilen könntest?«

»Ich würde den Menschen zu essen geben«, antwortete sie.

»Hundert Goldstücke würden ausreichen, um einige wenige Menschen für viele Wochen mit Nahrung zu versorgen, oder viele für nur einige wenige Tage. Danach wären diese Menschen wieder genauso arm wie zuvor. Du hättest kaum etwas ausgerichtet.«

Sonea öffnete den Mund, dann schloss sie ihn wieder. Darauf wusste sie nichts zu sagen. Er hatte Recht und auch wieder nicht. Es konnte nicht richtig sein, wenn man nicht einmal versuchte zu helfen.

Seufzend blickte sie an sich hinunter und verzog das Gesicht angesichts der unförmigen Kleidungsstücke, die sie trug. Obwohl sie wusste, dass ein Themenwechsel bei ihm vielleicht den Eindruck erwecken würde, dass er die Auseinandersetzung gewonnen hatte, zupfte sie an dem Morgenmantel.

»Wo sind meine Kleider?«

»Weg. Ich werde dir neue geben.«