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»Ich will meine eigenen Sachen«, protestierte sie.

»Ich habe sie verbrennen lassen.«

Ungläubig starrte sie ihn an. Ihr Mantel war zwar schmutzig und an manchen Stellen verkohlt, aber von guter Qualität gewesen – und Cery hatte ihn ihr geschenkt.

Es klopfte an der Tür. Rothen erhob sich.

»Ich muss jetzt gehen, Sonea«, sagte er. »In einer Stunde bin ich zurück.«

Er ging zur Tür hinüber, und dahinter konnte sie kurz einen weiteren luxuriösen Raum erkennen. Als er die Tür schloss, horchte sie auf das Geräusch eines Schlüssels, der im Schloss gedreht wurde, und eine schwache Hoffnung flackerte in ihr auf, als das Geräusch ausblieb.

Stirnrunzelnd betrachtete sie die Tür. War sie durch Magie verschlossen worden? Sie trat einen Schritt näher, dann hörte sie auf der anderen Seite der Tür gedämpfte Stimmen.

Es hatte keinen Sinn, jetzt schon einen Fluchtversuch zu wagen, aber vielleicht später…

Schmerz umklammerte seinen Kopf wie eine eiserne Zange, aber er konnte etwas Kühles spüren, das ihm hinter den Ohren über den Schädel tropfte. Als er die Augen aufschlug, sah Cery ein verschwommenes Gesicht in der Dunkelheit. Das Gesicht einer Frau.

»Sonea?«

»Hallo.« Die Stimme war ihm fremd. »Es wurde aber auch Zeit, dass du wieder zu dir kommst.«

Cery schloss die Augen noch einmal und öffnete sie dann wieder. Das Gesicht wurde klarer. Langes, dunkles Haar umrahmte auf exotische Weise schöne Züge. Die Haut der Frau war dunkel, aber nicht so tintenschwarz wie die Farens. Die vertraute, gerade kyralische Nase verlieh dem länglichen Gesicht Eleganz. Es war, als seien Sonea und Faren zu einer einzigen Person verschmolzen.

Ich träume, dachte er.

»Nein, das tust du nicht«, erwiderte die Frau. Sie blickte zu etwas über seinem Kopf empor. »Er muss einen ziemlich üblen Schlag abbekommen haben. Möchtest du jetzt mit ihm reden?«

»Versuchen kann ich es ja.« Diese Stimme war ihm bekannt. Als Faren in sein Gesichtsfeld trat, kehrte die Erinnerung zurück, und Cery versuchte, sich aufrecht hinzusetzen. Die Dunkelheit begann sich zu drehen, und sein Kopf hämmerte vor Schmerz. Dann legte ihm jemand eine Hand auf die Schulter, und widerstrebend ließ er sich wieder auf sein Lager hinunterdrücken.

»Hallo, Cery. Das ist Kaira.«

»Sie sieht aus wie du, nur hübsch«, murmelte Cery.

Faren lachte. »Vielen Dank. Kaira ist meine Schwester.«

Die Frau lächelte und verschwand. Cery hörte irgendwo zu seiner Rechten eine Tür zuschlagen. Er blickte zu Faren auf.

»Wo ist Sonea?«

Der Dieb wurde mit einem Schlag ernst. »Die Magier haben sie. Sie haben sie in die Gilde gebracht.«

Die Worte hallten in Cerys Gedanken wider. Er hatte das Gefühl, als zerre ein schreckliches Ungeheuer an seinen Eingeweiden. Sie ist fort! Wie hatte er nur glauben können, er sei in der Lage, sie zu beschützen? Aber nein. Faren sollte auf sie aufpassen. Ärger blitzte in ihm auf. Er holte tief Luft, um zu sprechen…

Nein. Ich muss sie finden. Ich muss sie zurückholen. Und vielleicht werde ich dazu Farens Hilfe benötigen.

Aller Zorn fiel von ihm ab. »Was ist passiert?«, fragte er kleinlaut.

Faren seufzte. »Das Unvermeidliche. Sie haben uns entdeckt.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich hätte tun können, um sie aufzuhalten. Ich hatte bereits alles versucht.«

Cery nickte. »Und jetzt?«

Ein freudloses Lächeln umspielte die Lippen des Diebs. »Ich habe meine Seite unseres Handels nicht einhalten können. Sonea hatte ihrerseits nie eine Chance, ihre Magie für mich einzusetzen. Wir haben uns beide große Mühe gegeben und sind gescheitert. Was dich betrifft…« Farens Lächeln verschwand. »Ich würde dich gern bei mir behalten.«

Cery starrte den Dieb an. Wie konnte er Sonea so einfach aufgeben?

»Es steht dir frei, zu tun, was du möchtest«, fügte Faren hinzu.

»Was ist mit Sonea?«

Der Dieb runzelte die Stirn. »Sie ist in der Gilde.«

»Es ist nicht weiter schwierig, dort einzubrechen. Ich habe es schon früher getan.«

Farens Stirnrunzeln vertiefte sich. »Das wäre ausgesprochen töricht. Man wird sie streng bewachen.«

»Wir werden die Magier ablenken.«

»Wir werden nichts dergleichen tun.« Farens Augen blitzten. Er entfernte sich einige Schritte, dann kehrte er zu Cery zurück. »Die Diebe haben sich niemals mit der Gilde angelegt und werden es auch niemals tun. Wir sind nicht so dumm zu glauben, wir könnten einen solchen Kampf gewinnen.«

»So klug sind die Magier gar nicht. Glaub mir, ich habe –«

»NEIN!«, schnitt Faren ihm das Wort ab. Er holte tief Luft, dann stieß er den Atem langsam wieder aus. »Es ist nicht so einfach, wie du denkst, Cery. Ruh dich ein wenig aus. Werde gesund. Denk noch einmal über meinen Vorschlag nach. Wir werden bald wieder miteinander reden.«

Faren verschwand aus seinem Gesichtsfeld. Cery hörte das Klicken, mit dem er die Tür öffnete und kurz darauf entschlossen hinter sich zuzog. Er versuchte aufzustehen, aber sein Kopf fühlte sich so an, als würde er vor Schmerz explodieren. Seufzend schloss er die Augen und legte sich schwer atmend flach auf den Rücken.

Er konnte versuchen, Faren dazu zu überreden, Sonea zu retten, aber er wusste, dass er keinen Erfolg haben würde. Nein. Wenn sie gerettet werden sollte, würde er das selbst in die Hand nehmen müssen.

17

Soneas Entscheidung

Sonea sah sich abermals in dem Raum um. Er war zwar nicht groß, aber luxuriös. Sie trat ans Fenster und schob die hübsch dekorierte Papierblende, die es bedeckte, beiseite. Vor ihr lagen die Gärten der Gilde. Auf der rechten Seite ragte das Universitätsgebäude empor, und auf der linken konnte sie, halb verborgen hinter den Bäumen, das Haus des Hohen Lords erkennen. Sie selbst befand sich im zweiten Stockwerk des Gebäudes, das Cery das »Haus der Magier« genannt hatte.

In der Gilde wimmelte es von Magiern. Wo sie auch hinsah, entdeckte sie in Roben gekleidete Gestalten: im Garten, in den Fenstern und auf dem schneegesäumten Fußweg direkt unter ihrem Fenster. Zitternd schob sie die Papierblende wieder an ihren Platz.

Tiefe, trostlose Verzweiflung schlug über ihr zusammen. Ich sitze in der Falle. Ich werde nie wieder von hier fortkommen. Ich werde Jonna und Ranel nicht wiedersehen und Cery auch nicht. Nie mehr.

Blinzelnd kämpfte sie gegen die Tränen an, die ihr die Sicht raubten. Als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm, drehte sie sich um und fand sich einem leuchtenden, ovalen Spiegel gegenüber. Sie betrachtete das Gesicht mit den roten Augen. Der Mund des Mädchens verzog sich voller Verachtung.

Soll ich so leicht aufgeben?, fragte sie das Spiegelbild. Soll ich plärren wie ein Kind?

Nein! Tagsüber mochten sich überall in der Gilde Magier aufhalten, aber sie hatte die Gilde bei Nacht gesehen und wusste, wie einfach es war, sich unbemerkt auf dem Grundstück zu bewegen. Wenn sie wartete, bis es dunkel wurde, und es ihr gelang, aus dem Haus zu schlüpfen, würde sie nichts daran hindern, in die Hüttenviertel zurückzukehren.

Das Schwierigste bei dem Unterfangen würde es natürlich sein, hinauszukommen. Wahrscheinlich würden die Magier sie einschließen. Andererseits hatte Rothen selbst gesagt, dass die Magier durchaus bisweilen Fehler machten. Also würde sie warten und ihre Umgebung genau beobachten. Sobald sich eine Gelegenheit bot, würde sie bereit sein, sie zu ergreifen.

Das Gesicht im Spiegel hatte aufgehört zu weinen und war jetzt starr vor Entschlossenheit. Sie fühlte sich ein wenig besser und ging zu dem kleinen Tisch hinüber. Nach kurzem Zögern griff sie nach einer Haarbürste und strich beinahe liebevoll über den silbernen Griff. Wenn sie etwas wie diese Bürste zum Pfandleiher brachte, konnte sie sich davon neue Kleider kaufen und genug zu essen für mehrere Wochen.

Hatte Rothen auch nur darüber nachgedacht, dass sie ihn vielleicht bestehlen würde? Natürlich brauchte er sich keine Gedanken über einen möglichen Diebstahl zu machen, wenn er darauf baute, dass sie nicht fliehen konnte. Solange sie in der Gilde festsaß, würde es ihr nichts nutzen, wertvolle Gegenstände an sich zu bringen.