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»Hallo«, sagte die Frau mit einem nervösen Lächeln. Ihr Blick flackerte zu Sonea hinüber, dann sah sie hastig wieder weg.

Die Dienerin brachte das Tablett an den Tisch und stellte es ab. Als die Frau nach der Abdeckung griff, zitterten ihre Finger. Sonea runzelte die Stirn. Wovor fürchtete sich die Dienerin? Doch gewiss nicht vor einem Hüttenkind.

Die Frau ordnete einige Dinge auf dem Tablett, dann drehte sie sich um und machte eine tiefe Verbeugung vor Sonea, bevor sie sich hastig aus dem Raum zurückzog.

Minutenlang konnte Sonea nur die Tür anstarren. Die Frau hatte sich vor ihr verneigt. Das war… eigenartig. Beunruhigend. Sie konnte nicht begreifen, was das bedeutete.

Dann lenkte der Geruch von warmem Brot und etwas, das nach köstlichen Gewürzen duftete, ihre Aufmerksamkeit auf das Tablett. Eine große Schale Suppe und ein Teller mit kleinen, süßen Kuchen standen dort für sie bereit, und sie hörte, wie ihr Magen zu knurren begann.

Sie lächelte. Die Magier würden schon noch herausfinden, dass man sie nicht bestechen konnte, damit sie Faren verriet, aber sie brauchten es ja nicht sofort zu erfahren. Wenn sie ihr Spiel für eine Weile mitspielte, würden sie sie vielleicht noch sehr lange Zeit so behandeln.

Und sie hatte keine Skrupel, ihre Gastfreundschaft auszunutzen.

Mit der ganzen wachsamen Nervosität eines wilden Tieres, das aus einem Käfig trat, stahl Sonea sich in das Gästezimmer. Mit flackerndem Blick sah sie sich im Raum um, wobei sie vor allem die Türen ausgiebig betrachtete, bevor sie sich Rothen zuwandte.

»Von dort aus kommst du in einen kleinen Waschraum«, erklärte ihr Rothen und zeigte auf die linke Seite des Raums. »Dort drüben liegt mein Schlafzimmer, und diese Tür führt zum Hauptkorridor der Magierquartiere.«

Sie betrachtete die letzte Tür, dann ging sie zu den Bücherregalen hinüber. Rothen lächelte. Es gefiel ihm offenkundig, dass sie sich zu den Büchern hingezogen fühlte.

»Nimm dir, was immer dich interessiert«, forderte er sie auf. »Ich werde dir helfen zu lesen, was du dir ausgesucht hast, und dir erklären, was du nicht verstehst.«

Mit hochgezogenen Brauen blickte sie noch einmal zu ihm hinüber, dann beugte sie sich über die Bücher. Sie wollte gerade mit dem Finger über den Rücken eines der Bände streichen, als der Gong der Universität erklang, und sie erstarrte.

»Das Läuten sagt den Novizen, dass es an der Zeit ist, in ihre Klassen zurückzukehren«, erklärte er. Er trat an eines der Fenster und bedeutete ihr, hinauszusehen.

Sie folgte seiner Aufforderung. Während sie die Magier und Novizen draußen beobachtete, wie sie zur Universität hinübergingen, versteifte sie sich vor Anspannung.

»Was haben die Farben zu bedeuten?«

Rothen runzelte die Stirn. »Farben?«

»Die Roben. Sie haben verschiedene Farben.«

»Ah.« Er beugte sich über das Fenstersims und lächelte. »Zuerst sollte ich dir wohl etwas über die verschiedenen Disziplinen sagen. Es gibt drei wesentliche Bereiche, in denen Magie Anwendung findet: die Heilkunst, die Alchemie und die Kriegskunst.« Er zeigte auf zwei Heiler, die langsam durch die Gärten schlenderten. »Die Heiler tragen Grün. Um die Heilkunst ausüben zu können, muss man mehr lernen als nur die magischen Methoden, mit denen man Verletzungen und Krankheiten kuriert. Ein Heiler muss außerdem über genaue Kenntnisse sämtlicher Heilmittel verfügen, was die Heilkunst zu einer Disziplin macht, der man sein ganzes Leben widmen muss.«

Als er Sonea ansah, bemerkte er das Interesse, das in ihren Augen aufgeflackert war.

»Die Krieger tragen Rot«, fuhr er fort, »und sie studieren Strategie und die verschiedenen Methoden, wie man in einer Schlacht Magie einsetzen kann. Einige von ihnen üben sich außerdem in den traditionellen Formen des Kampfes und des Schwerterspiels.«

Er deutete auf seine eigenen Roben. »Purpur steht für Alchemie, und darunter fällt so ziemlich alles andere, was man mit Magie tun kann. Die Alchemie schließt Chemie, Mathematik, Architektur und viele andere Bereiche ein.«

Sonea nickte langsam. »Was ist mit den braunen Roben?«

»Die werden von Novizen getragen.« Er zeigte auf zwei Jungen draußen im Garten. »Siehst du, dass ihre Roben nur bis zum Oberschenkel reichen?« Sonea nickte. »Erst nach ihrem Abschluss bekommen sie volle Roben, und bis dahin haben sie sich entschieden, welcher Disziplin sie folgen wollen.«

»Was ist, wenn sie mehr als eine Disziplin erlernen wollen?«

Rothen kicherte. »Dafür bleibt einfach nicht genug Zeit.«

»Wie lange dauert das Studium?«

»Das kommt darauf an, wie lange sie brauchen, um die notwendigen Fähigkeiten zu erwerben. Im Allgemeinen sind es fünf Jahre.«

»Und was ist mit dem da?«, fragte Sonea und zeigte auf einen Mann draußen. »Er trägt einen andersfarbigen Gürtel.«

Rothen folgte ihrem Blick und bemerkte Lord Balkan, der unter dem Fenster vorbeiging. Auf seinem kantigen Gesicht lag ein konzentrierter Ausdruck, als grüble er über ein schwieriges Problem nach.

»Ah, du bist eine gute Beobachterin.« Rothen lächelte anerkennend. »Die Schärpe ist schwarz. Das bedeutet, dass der Mann, den du da siehst, der Dekan, das heißt das Oberhaupt, der von ihm erwählten Disziplin ist.«

»Das Oberhaupt der Krieger.« Sonea betrachtete Rothens Robe, und ihre Augen wurden schmal. »Welche Art von Alchemie studiert Ihr?«

»Die Chemie. Außerdem unterrichte ich dieses Fach.«

»Was ist das?«

Er dachte kurz darüber nach, wie er ihr sein Fach so erklären konnte, dass sie es verstehen würde. »Wir arbeiten mit verschiedenen Substanzen: mit Flüssigkeiten, mit festen Stoffen und mit Gasen. Diese Substanzen vermischen wir, oder wir erhitzen sie, oder wir setzen sie irgendwelchen anderen Einflüssen aus und beobachten, was geschieht.«

Sonea runzelte die Stirn. »Warum?«

Rothen breitete die Hände aus. »Um festzustellen, ob wir irgendetwas Nützliches dabei herausfinden können.«

Sonea zog die Augenbrauen hoch. »Welche nützlichen Dinge habt Ihr denn bisher herausgefunden?«

»Ich selbst oder die Chemiker der Gilde?«

»Ihr selbst.«

Er lachte. »Nicht viel! Man könnte mich wohl als einen gescheiterten Alchemisten bezeichnen, aber im Laufe der Zeit habe ich eine wichtige Entdeckung gemacht.«

Sonea zog erneut die Brauen hoch. »Und die wäre?«

»Dass ich ein sehr guter Lehrer bin.« Er wandte sich vom Fenster ab und blickte zum Bücherregal hinüber. »Wenn du es mir erlaubst, könnte ich dir helfen, deine Fähigkeiten im Lesen zu verbessern. Hättest du Lust, heute Nachmittag daran zu arbeiten?«

Sie sah ihn lange an, und ihr Gesichtsausdruck war zurückhaltend und nachdenklich. Schließlich nickte sie steif. »Was sollte ich Eurer Meinung nach als Erstes lesen?«

Rothen trat vor das Bücherregal und ließ den Blick über die verschiedenen Bände wandern. Er brauchte etwas, das leicht zu lesen war, das aber dennoch das Interesse des Mädchens wach halten würde. Schließlich griff er nach einem Buch und blätterte darin.

Sie war williger, als er erwartet hatte. Ihre Neugier war stark ausgeprägt, und ihre Fähigkeit zu lesen sowie ihr Interesse an seinen Büchern waren Vorteile, mit denen er nicht gerechnet hatte. Beides ließ darauf schließen, dass sie sich wahrscheinlich recht gut an ein Leben in der Universität würde gewöhnen können.

Jetzt brauchte er sie also nur noch davon zu überzeugen, dass die Gilde nicht so schlecht war, wie sie glaubte.

Dannyl lächelte seinen Freund an. Seit er an diesem Abend mit Yaldin und seiner Frau zusammensaß, hatte Rothen ohne Unterlass geredet. Noch nie zuvor hatte Dannyl Rothen so lebhaft über einen potenziellen Novizen sprechen hören – obwohl Dannyl insgeheim hoffte, dass sein Freund genauso begeistert darüber gewesen war, seine Ausbildung überwachen zu dürfen.

»Du bist so ein Optimist, Rothen. Du hast sie kaum kennen gelernt, und schon redest du, als würde sie einmal die Zierde der Universität sein.«

Er musste sich ein Grinsen verkneifen, als sein Freund sofort in Abwehrhaltung ging.