Выбрать главу

Wurden weibliche Magier in eine Art goldenen Käfig gesperrt? Legte man ihnen nahe, die Leitung der Gilde den Männern zu überlassen? Es musste frustrierend sein, über starke magische Kräfte zu verfügen und trotzdem ganz und gar von anderen beherrscht zu werden.

Als die Familie außer Sicht war, wollte Sonea sich vom Fenster zurückziehen, aber dann bemerkte sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung in einem der Fenster der Universität. Ein bleiches, ovales Gesicht war dort erschienen.

Aufgrund des Zuschnitts der Kleidung des Fremden vermutete sie, dass es sich um einen Magier handelte. Wegen der Dunkelheit und der Entfernung konnte sie sich nicht sicher sein, aber sie hatte den starken Verdacht, dass der Mann sie beobachtete. Ein Frösteln überlief sie, und sie schob hastig die Papierblende vors Fenster.

Verstört durchquerte sie den Raum, blies die Kerze aus und legte sich dann auf das Bett, um die Decke bis zum Kinn hochzuziehen. Sie war erschöpft, und sie war es müde, zu denken, war es müde, Angst zu haben. War es müde, müde zu sein…

Aber als sie zur Decke hinaufstarrte, wusste sie, dass der Schlaf auf sich warten lassen würde.

18

Abseits neugieriger Blicke

Ein zartes Licht hatte sich über die Bäume und Bauten der Gilde gelegt. Cery runzelte die Stirn. Als er das letzte Mal hingesehen hatte, war alles in Dunkelheit getaucht gewesen. Er musste eingenickt sein, konnte sich aber nicht daran erinnern, die Augen geschlossen zu haben. Jetzt rieb er sich das Gesicht, sah sich um und ließ die lange Nacht, die soeben verstrichen war, in Gedanken noch einmal an sich vorüberziehen.

Begonnen hatte es mit Faren. Nachdem Cery sich ein wenig erholt und gegessen hatte, hatte er den Dieb gefragt, ob er ihm helfen werde, Sonea zurückzuholen. Farens Ablehnung war unmissverständlich gewesen.

»Wenn die Garde sie gefangen hätte oder sie im Palast eingekerkert wäre, hätte ich sie bereits befreit – und es hätte mir großen Spaß gemacht, zu beweisen, dass ich dazu imstande bin.« Faren lächelte kurz, dann verhärtete seine Miene sich wieder. »Aber hier geht es um die Gilde, Cery. Was du vorschlägst, übersteigt meine Möglichkeiten.«

»Nein, das tut es nicht«, hatte Cery beharrt. »Sie stellen keine Wachen auf, und es gibt auch keine magischen Barrieren. Sie –«

»Nein, Cery.« Farens Augen blitzten. »Es geht nicht um Wachen oder Barrieren. Die Gilde hatte nie einen wirklich triftigen Grund, sich aufzuraffen und etwas gegen uns zu unternehmen. Wenn wir auf ihr ureigenstes Territorium vordringen und Sonea entführen würden, dann würden wir ihnen damit vielleicht einen Grund liefern, es doch einmal zu versuchen. Glaub mir, Cery, niemand möchte herausfinden, ob wir in der Lage wären, es mit den Magiern aufzunehmen oder nicht.«

»Die Diebe haben Angst vor der Gilde?«

»Ja.« Farens Gesichtsausdruck war ungewöhnlich nüchtern gewesen. »So ist es. Und wir haben einen guten Grund dafür.«

»Wenn wir es so aussehen ließen, als hätte jemand anders sie gerettet…«

»Dann würde die Gilde vielleicht trotzdem glauben, dass wir es waren. Hör mir zu, Cery. Ich kenne dich gut genug, um zu erraten, dass du versuchen wirst, sie ganz allein zu befreien. Aber denk einmal über Folgendes nach: Wenn die anderen glauben müssten, du seist eine Bedrohung für sie, werden sie dich töten. Sie werden uns genau beobachten.«

Cery hatte mit Schweigen auf diese Warnung reagiert.

»Möchtest du weiterhin für mich arbeiten?«

Cery hatte genickt.

»Gut. Ich habe einen neuen Auftrag für dich, wenn du willst.«

Farens Auftrag hatte Cery zum Hafen geführt, so weit weg von der Gilde wie nur möglich. Anschließend war er quer durch die Stadt gegangen, über die Mauer der Gilde geklettert und im Wald untergetaucht, um zu beobachten, was geschah.

Als das Treiben auf dem Grundstück der Gilde langsam verebbt und die Nacht dunkler geworden war, hatte Cery in einem der Fenster der Universität eine Bewegung wahrgenommen. Ein Gesicht. Es war das Gesicht eines Mannes gewesen, und er hatte konzentriert zum Gebäude der Magier hinübergeblickt.

Eine halbe Stunde lang war der Beobachter auf seinem Posten geblieben. Schließlich war in einem Fenster im Magierquartier ein blasses Gesicht aufgetaucht, und Cerys Herz hatte einen Satz gemacht. Selbst aus dieser Entfernung hatte er Sonea erkannt.

Sonea hatte minutenlang in die Gärten hinausgesehen, bis sie den Beobachter entdeckt und sich hastig zurückgezogen hatte.

Kurz darauf war der Mann dann ebenfalls verschwunden. Cery hatte die ganze Nacht ausgeharrt, aber es hatte sich nichts mehr getan. Jetzt, da die Morgendämmerung nah war, wusste er, dass er zu Faren zurückkehren sollte. Der Dieb würde nicht gutheißen, was Cery getan hatte, aber er wusste bereits, wie er vorgehen wollte. Ein Eingeständnis, dass Sonea zu gut bewacht wurde, würde genügen, um den Dieb zu beschwichtigen. Faren hatte ihm nicht verboten, einen Rettungsversuch zu wagen oder Informationen zu sammeln, und er musste damit gerechnet haben, dass Cery sich davon würde überzeugen wollen, dass Sonea noch lebte.

Cery stand auf und reckte sich. Er würde Faren allerdings nicht erzählen, was er in dieser Nacht herausgefunden hatte. Abgesehen von dem rätselhaften Beobachter, hatten die Magier keine Wachen vor den Gebäuden aufgestellt. Falls Sonea allein in diesem Raum war, bestand noch Hoffnung für sie.

Zum ersten Mal seit Tagen lächelte Cery, als er sich durch den Wald auf den Heimweg machte.

Sonea schreckte jäh aus dem Schlaf hoch. Rothens Dienerin blickte auf sie hinab.

»Ich bitte um Vergebung, Lady«, sagte die Frau hastig. »Aber als ich sah, dass das Bett leer war, dachte ich… Warum schlaft Ihr auf dem Boden?«

Sonea rappelte sich auf und befreite sich aus den Decken. »Das Bett«, erklärte sie. »Es sinkt so tief ein. Ich habe das Gefühl, als würde ich durch die Matratze hindurchfallen.«

»Es sinkt ein?« Die Frau blinzelte überrascht. »Ihr meint, es ist zu weich?« Sie lächelte strahlend. »Aber wahrscheinlich habt Ihr noch nie zuvor auf einer Matratze aus Reber-Wolle geschlafen. Hier.«

Sie zog die Laken vom Bett, und darunter kamen mehrere Schichten dicker, weicher Matratzen zum Vorschein. Die Dienerin nahm etwa die Hälfte des Stapels weg.

»Meint Ihr, so wäre es bequemer für Euch?«, fragte sie.

Sonea zögerte, dann prüfte sie mit der Hand die restlichen Lagen der Matratze. Das Bett war immer noch weich, aber jetzt konnte sie das hölzerne Gerüst darunter spüren. Sie nickte.

»Wunderbar«, gurrte die Dienerin. »Also, ich habe Euch Wasser zum Waschen mitgebracht und – oh! Ihr habt in Euren Kleidern geschlafen. Aber egal. Ich habe Euch frische Sachen mitgebracht. Wenn Ihr fertig seid, kommt bitte ins Gästezimmer. Dort stehen Kuchen und Sumi bereit, um Euch für den vor Euch liegenden Tag zu stärken.«

Belustigt beobachtete Sonea, wie die Frau die überflüssigen Matratzen zusammenraffte und damit aus dem Zimmer huschte. Als die Tür hinter ihr zugefallen war, setzte sich Sonea aufs Bett und seufzte.

Ich bin immer noch hier.

In Gedanken ging sie noch einmal den vergangenen Tag durch: das Gespräch mit Rothen, ihre Entschlossenheit zu fliehen, die Menschen, die sie am Abend durch das Fenster beobachtet hatte. Schließlich erhob sie sich und begutachtete die Schale mit Wasser, die Seife und das Handtuch, die die Dienerin mitgebracht hatte.

Mit einem Achselzucken zog sie sich aus, wusch sich und schlüpfte in die frischen Sachen, bevor sie zur Tür ging. Als sie jedoch die Hand auf den Griff legte, zögerte sie plötzlich. Zweifellos würde Rothen auf der anderen Seite auf sie warten. Eine leichte Nervosität durchzuckte sie, aber sie hatte keine Angst.