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Er mußte erneut eine Pause einlegen, als weiterer Applaus aufbrandete. Hochrufe wurden laut. Der junge Ohnesorg lächelte, verbeugte sich, und dann verschwand sein Hologramm.

Rasch erstarb auch der Applaus, und Stille fiel über die Versammlung, als sich einer nach dem anderen umwandte und den alten Jakob Ohnesorg musterte. Der alte Mann biß sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Ruby stieß ihm den Ellbogen in die Rippen.

»Sag schon was!«

»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, entgegnete Jakob leise, ohne aufzublicken. »Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich bin müde. Ich denke, ich werde mich für eine Weile hinlegen.«

Und mit diesen Worten trat er vom Podium und verließ mit schleppenden Schritten die Halle. Niemand hob eine Hand, um ihn aufzuhalten. Nicht einmal Owen.

Die anschließende Diskussion war hitzig und wirr, doch es konnte keinen Zweifel geben, daß das Auftauchen des jüngeren Ohnesorg die Menge stärker aufgerüttelt hatte, als der alte es jemals vermocht hätte. Sie hatten jemanden gebraucht, der ihren Enthusiasmus und ihr Engagement wachrüttelte, und jetzt waren sie zum Kampf bereit. Giles, Owen und Hazel leiteten das Treffen, so gut sie konnten, aber soweit es die drei anging, besaß keiner von ihnen genügend Autorität, um bindende Entscheidungen zu treffen. Jakob Ohnesorgs Name hatte die Menschen zu der Versammlung in der Todtsteltzer-Fluchtburg geführt, und sie waren nicht bereit, sich von jemand anderem führen zu lassen. Am Ende übernahmen Alexander Sturm und die beiden Stevie Blues als Repräsentanten der Untergrundbewegung von Golgatha den Vorsitz. Sie hatten sich seit vielen Jahren auf eine Rebellion vorbereitet, die das gesamte Imperium überziehen sollte, doch ihnen fehlten die finanziellen Mittel und die Gefolgsleute, um ihre Pläne in die Tat umzusetzen.

Schließlich beruhigte sich alles ein wenig, und ein paar Entscheidungen wurden zur Abstimmung gebracht. Jedermann wußte, daß die Rebellen in einem offenen Krieg gegen die Streitkräfte Löwensteins unweigerlich untergehen würden. Sie besaßen weder genug Leute noch die Disziplin und die Ressourcen der Imperialen Armeen. Statt dessen schlug der Untergrund von Golgatha vor, auf jedem Planeten des Imperiums gleichzeitig Aufstände zu organisieren, zusammen mit Sabotageaktionen und zivilen Unruhen, um die Imperialen Streitkräfte so weit auseinanderzureißen, daß sie in individuellen Auseinandersetzungen und Schlachten bekämpft und besiegt werden konnten.

Allerdings waren vier Planeten von elementarer Bedeutung.

Wer immer die Kontrolle über diese Planeten besaß, würde am Ende gewinnen. Erst wenn das Schicksal dieser Planeten besiegelt war, würde die Rebellion in die letzte Phase eintreten und Golgatha selbst und den Imperialen Palast angreifen können. Wer Golgatha beherrschte, der beherrschte das Imperium.

Die vier Planeten waren Technos III, wo der Wolf-Clan die Hyperraumantriebe konstruierte, Nebelwelt, der Planet der Rebellen, Shannons Welt, der Vergnügungsplanet, und Virimonde, verantwortlich für Nahrungsmittelproduktion und Logistik im gesamten Imperium. Beinahe einstimmig wurde beschlossen, daß Owen und Hazel nach Nebelwelt zurückkehren sollten, wo sie sich bereits auskannten und ihre Kontakte besaßen.

»Oh, großartig«, sagte Owen. »Als ich das letzte Mal dort war, hatte ich alle Mühe, am Leben zu bleiben, und mich hält man für einen Experten?«

»Wenn du auf Nebelwelt am Leben geblieben bist, dann qualifiziert dich das als Experten«, erwiderte Hazel. »Und ich kenne einige Leute, die sich als nützlich erweisen könnten. Das zeichnet uns gegenüber jedem anderen der hier Versammelten aus. Kopf hoch, Kumpel. Vielleicht läuft es diesmal ja gar nicht so schlecht.«

»Es könnte gar nicht schlechter laufen«, widersprach Owen.

»Darauf würde ich an deiner Stelle kein Geld setzen«, meinte Ruby Reise.

»Ich werde in einer Urne zurückkehren«, brummte Owen.

»Ich weiß es ganz genau. Nebelwelt ist der einzige Planet, den ich kenne, gegen den der Imperiale Hof langweilig und zurückhaltend wirkt. Nebelwelt ist keine Zivilisation, sondern Evolution bei der Arbeit. Wenn es auf Nebelwelt auch nur eine Spur gewalttätiger zuginge, könnten sie den Anhängern der Arenaspiele Saisonkarten verkaufen. Es wäre jedenfalls ein Straßenfeger, wenn man es auf Holo übertragen würde. Auf Nebelwelt gibt es mehr Sex und Gewalt als in jedem durchschnittlichen Holofilm. Vielleicht sollten wir verhandeln, um die Rechte zur Übertragung zu erwerben…«

»Owen«, unterbrach ihn Hazel, »du redest Unsinn. Wenn wir den Dschungel von Shandrakor überlebt haben, dann werden wir auch Nebelwelt überleben.«

»Es wird ein böses Ende nehmen«, orakelte Owen.

Der Todtsteltzer bemerkte, daß die Leute ihn anstarrten, und leise vor sich hin murmelnd verstummte er. Die Versammlung wechselte das Thema, doch Hazel hörte nicht mehr länger zu.

Hinter einer unbeweglichen Fassade erschauerte sie innerlich.

Wenn sie die Wolflingswelt verlassen mußte, bedeutete das auch, daß sie ihre Quelle für Wampyrblut hinter sich ließ. Sie konnte ihre Vorräte vor der Abreise natürlich aufstocken, und sie war sicher, daß sich auf Nebelwelt eine neue Quelle finden lassen würde (auf Nebelwelt fand man alles), doch es vergrößerte die Gefahr, daß man hinter ihr Geheimnis kommen würde. Hazel war es egal, was der Rebellenrat von ihr hielt. Man hatte sie bereits verurteilt, nur weil sie früher eine Klonpascherin gewesen war. Doch Owen wäre so schrecklich enttäuscht von ihr. Er würde nicht wütend reagieren, damit hätte sie umgehen können, aber er würde sie mit diesem unendlich traurigen, niedergeschlagenen Blick ansehen, und das konnte sie nicht ertragen. Aus einem Grund, den sie nicht kannte und über den sie nicht nachdenken wollte, verabscheute Hazel den Gedanken, Owen zu enttäuschen. Er durfte es niemals erfahren.

Hazel verschränkte die Arme vor der Brust und preßte die Hände an den Leib. Sie konnte das Gewicht der Blutampulle in ihrer Tasche spüren. Ihr Verlangen wuchs bereits wieder, doch sie kämpfte dagegen an. Hazel hatte noch immer alles unter Kontrolle, im Augenblick jedenfalls. Und vielleicht… vielleicht konnte sie den Abstecher nach Nebelwelt dazu benutzen, einmal mehr von ihrer Blutsucht loszukommen. Sie wäre an einem vertrauten Ort, bei alten Freunden. Der Druck wäre nicht so stark. Hazel D’Ark konnte es schaffen. Sie war stärker als die Droge. Und während sie all das bedachte, preßte sie die Hände immer fester an ihre Seiten, um das Zittern zu unterbinden, das ihr Verlangen nach dem Inhalt der Tasche hervorrief, Hazel zwang sich dazu, der Diskussion zu folgen, und stellte fest, daß man den älteren Jakob Ohnesorg zusammen mit Ruby Reise und Alexander Sturm bestimmt hatte, um als Vertreter der Rebellion nach Technos III zu gehen. Eine Menge Leute Waren sich nicht sicher wegen Jakob Ohnesorgs Identität; doch andererseits wollte ihn auch noch niemand hinauswerfen – also schien es das Beste zu sein, ihn nach Technos III zu entsenden, wo er sich nützlich machen konnte. Der Planet war eine Fabrikwelt, und das bereits seit vielen Generationen. Der größte Teil der Oberfläche war unter einer Schicht stetig wachsender, kilometerlanger Fertigungsstraßen verschwunden. Die Luft war so dreckig, daß man sie schneiden konnte, und die eingeborene Ökologie war bereits vor langer Zeit vollständig ausgestorben.

Nicht, daß das jemanden gekümmert hätte. Nichts wirklich Wichtiges war verlorengegangen. Die Fabriken arbeiteten weiter, als wäre nichts geschehen, und die Produktion stieg sogar an, nachdem man sich keine Gedanken mehr um schädliche Auswirkungen auf die Umwelt machen mußte.