»wenn die Verbindung weiterhin stärker und intensiver wird.«
»Das klingt in meinen Ohren nach einem verdammt guten Grund, sich aufzuteilen und eine gewisse Entfernung voneinander einzuhalten«, bemerkte Ohnesorg. »Ich will niemandem zu nahe treten, aber ich will auch niemand anderen als mich selbst in meinem Kopf haben.«
»Richtig«, stimmte Hazel ihm zu. »Und außerdem denke ich nicht, daß die Menschheit bereit ist, eine Göttin wie Ruby zu ertragen.«
»Du hast eben keinen Ehrgeiz«, lamentierte Ruby.
»Die Tatsache bleibt, daß wir zusammen viel stärker sind als getrennt«, sagte Owen. »Erinnert Ihr Euch an den Schild, den wir gegen die Truppen von Kapitän Schwejksam errichtet haben? Sie konnten ihn mit nichts durchdringen, sosehr sie sich auch bemühten. Ich glaube nicht, daß einer von uns allein dazu imstande wäre. Gut möglich, daß es auch noch andere Dinge gibt, die wir zusammen fertigbringen. Und haben wir nicht die Verpflichtung gegenüber der Rebellion, daß wir so stark werden wie nur irgend möglich? Wir sind die geheimste Waffe der Rebellion, ein As, das tief im Ärmel steckt, und vielleicht sind wir das Zünglein an der Waage, das den Ausschlag über Sieg oder Niederlage gibt. Ist es nicht egoistisch von uns, wenn wir unsere Individualität über die Nöte und Bedürfnisse der Rebellion stellen?«
»Vielleicht ist es genau das, wofür wir kämpfen – jedermanns Recht auf Individualität«, hielt Ohnesorg dagegen. »Wir können die Menschheit nicht retten, indem wir unmenschlich werden. Die einzigen anderen Wesen, die lebend durch das Labyrinth des Wahnsinns gekommen sind, waren die Wissenschaftler, die am Ende die Hadenmänner erschufen. Wollen wir vielleicht etwas Ähnliches als unser Vermächtnis?«
»Er hat recht«, gestand Giles zögernd. »Wir alle tragen ein Monster in uns. Was, wenn unsere wachsende Macht diese Monster freisetzt? Wer weiß denn schon, was dann aus uns wird?«
Sie verstummten, und jeder hing für eine Weile schweigend seinen eigenen Gedanken nach. Owen überlegte, wie einfach es für ihn gewesen war, den Blutläufer zu töten, der sich irgendwo am anderen Ende des Imperiums im Obeahsystem befunden hatte. Schließlich seufzte Jakob Ohnesorg laut und beugte sich vor. »Das alles ist doch vollkommen unwichtig. Wir können einfach nicht zusammenbleiben. Man braucht uns auf drei verschiedenen Planeten, und das zur gleichen Zeit. Wir werden aufbrechen, sobald die Schiffe der Hadenmänner bereit sind.
Alles Weitere wird bis zu unserer Rückkehr warten müssen.
Gibt es sonst noch etwas, das wir vorher besprechen sollten?
Ich gebe unumwunden zu, daß mich der heutige Tag ziemlich geschafft hat. Irgendwo steht ein Bett mit einer bequemen Matratze und schwerer Wäsche, das laut meinen Namen ruft.«
»Eine Sache noch«, begann Owen zögernd. »Erinnert Ihr Euch an meine KI Ozymandius? Sie entpuppte sich als Imperialer Spion, und ich zerstörte sie mit Hilfe meiner neuen Fähigkeiten, bevor sie uns zerstören konnte. Nun… Ozymandius ist wieder da. Er spricht mit mir, aber es scheint, ich bin der einzige, der ihn hören kann. Manchmal habe ich direkt Angst, daß ich allmählich unter dem Druck wahnsinnig werde und mir das alles nur einbilde, aber es ist durchaus möglich, daß etwas Ernsthafteres dahintersteckt.«
»Davon hast du bisher kein Wort gesagt«, brummte Ruby Reise.
»Wahrscheinlich hatte er Angst, daß wir ihn für verrückt halten«, sagte Hazel. »Keine Sorge, Owen, wir halten dich nicht für verrückt. Jeder von uns weiß, was der Druck mit uns macht.«
»Außerdem«, ergänzte Ohnesorg, »hätten wir ganz sicher etwas durch unsere Verbindung gespürt, wenn Ihr verrückt geworden wärt.«
»Besitzt Ozymandius noch immer Kenntnis über die Kontrollworte, die er in deinen und Hazels Verstand eingepflanzt hat?« erkundigte sich Giles besorgt.
»Er sagt nein«, antwortete Owen. »Aber ich weiß nicht, ob er mich belügt oder nicht. Bisher hat er jedenfalls nicht versucht, die Worte zu benutzen.«
»Sprecht mit ihm«, sagte Ohnesorg. »Jetzt. Wir werden versuchen mitzuhören. Jeder soll seinen Komm-Kanal weit öffnen und gleichzeitig über die mentale Verbindung lauschen. Fangt an, Owen.«
»Also schön«, erwiderte Owen ohne rechtes Selbstbewußtsein. »Ozymandius, bist du da?«
»Natürlich bin ich da, Owen«, meldete sich die KI. »Wo sollte ich denn sonst sein? Du selbst hast mir befohlen, den Mund zu halten, erinnerst du dich? Wenn du mich fragst, ich bin ganz erstaunt, wie du ohne meine Hilfe über die letzte Zeit gekommen bist. Ich hätte dir jede Menge guter Ratschläge während der Versammlung geben können, nur als Beispiel… Aber ich schätze, du brauchst mich nicht mehr, mit all deinen neuen magischen Fähigkeiten. Ich meine, ich bin schließlich nur eine KI der Klasse Sieben, und ich besitze mehr Informationen, als du in deinem ganzen Leben verarbeiten kannst…«
»Halt die Klappe, Ozymandius«, befahl Owen und blickte die anderen der Reihe nach an. »Nun? Hat jemand die Unterhaltung gehört?«
»Kein Wort«, sagte Ohnesorg. Die anderen schüttelten die Köpfe. Ohnesorg blickte Owen nachdenklich an. »Glaubt Ihr, daß es wirklich Eure KI ist?«
»Nein«, erwiderte Owen. »Es kann nicht sein. Ich habe sie selbst zerstört, als wir im Labyrinth des Wahnsinns waren. Ich zerstörte ihr Bewußtsein vollständig, dank meiner neuen Fähigkeiten. Und ich habe gespürt, wie Ozymandius starb.«
»Aber wer ist es dann?« fragte Hazel.
»Woher soll ich das wissen?« entgegnete Owen.
»Könnte es sein, daß es sich um einen weiteren Nebeneffekt aus dem Labyrinth handelt?« warf der Wolfling ein. »Ich habe es Ewigkeiten studiert, ohne dem Rätsel auch nur einen einzigen Schritt näherzukommen oder es auch nur in Ansätzen zu verstehen.«
»Oh, wie tröstend«, sagte Ruby Reise. »Meint Ihr vielleicht, wir würden am Ende alle derartige Wahnvorstellungen entwickeln?«
»Wenn du nichts Gescheites zu sagen hast, dann halt gefälligst die Klappe«, wies Hazel ihre Freundin zurecht. »Kein Wunder, daß Owen mit niemandem von uns darüber sprechen wollte.«
»Ich muß gestehen, daß ich nicht die leiseste Ahnung habe, wie wir Euch helfen könnten, Owen«, gestand Ohnesorg. »Haltet uns trotzdem über alle neuen Entwicklungen auf dem laufenden. Das gilt für die anderen ebenso. Aber ich denke, wir sollten unsere Unterhaltung auf einen späteren Zeitpunkt vertagen, wenn wir von unseren Missionen zurückgekehrt sind. Sie haben in jedem Fall Vorrang. Ich schlage vor, daß Ihr ein paar Diagnosen an Euren Komm-Implantaten durchführt, bevor wir aufbrechen müssen, Owen, und seht nach, ob Ihr einen Fehler finden könnt. Hat sonst noch jemand Probleme, über die er gerne sprechen möchte?«
Alle blickten sich an. Hazel schwieg. Sie konnte den anderen nichts von ihrer Sucht erzählen. Sie würden sie nicht verstehen.
Es war ihr persönliches Problem, und sie mußte allein damit fertig werden. Hazel hatte es auch schon früher einmal geschafft, auf Nebelwelt, und dorthin würde sie zusammen mit Owen gehen. Das war ein Zeichen. Es mußte eines sein. Die Stille zog sich in die Länge, bis Ohnesorg schließlich seinen Stuhl zurückschob und sich erhob.
»Gute Nacht zusammen. Mein linker Fuß ist bereits eingeschlafen, und ich würde es ihm gerne so rasch wie möglich gleichtun. Schlaft Euch aus, so gut Ihr könnt, bevor wir aufbrechen. Ich habe den starken Verdacht, daß es eine ganze Weile dauern wird, bis wir wieder in einem richtigen Bett schlafen können.«
Jakob nickte den anderen zu, machte kehrt und verließ die Kombüse. Ruby Reise schnappte sich eine halbleere Flasche Wein und folgte ihm. Hazel nickte Owen zu und zog sich so rasch zurück, wie sie konnte, ohne daß es jemandem auffiel.
Sie wagte nicht, den Mund aufzumachen. Vielleicht hätte sie die Wahrheit gesagt. Wenn jemand sie verstand, dann war es Owen. Aber Hazel durfte das Risiko nicht eingehen, und so verließ sie schweigend die Kombüse, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen, und marschierte allein in Richtung ihres Quartiers. Auch der Wolfling erhob sich und wünschte höflich eine gute Nacht. Giles und Owen saßen sich an dem großen runden Tisch allein gegenüber und blickten sich an.