Schwejksam spürte ein brennendes Verlangen, beinahe eine Besessenheit, an seinen rechtmäßigen Platz im Orbit von Golgatha zurückzukehren, wo er die Imperatorin schützen konnte.
Löwenstein hatte seine Berichte über die Rebellen und ihre Anführer auch nicht im entferntesten ernst genug genommen.
Schwejksam hatte versucht, mit Frost über seine Bedenken zu sprechen, in der Erwartung eines verständnisvollen Ohrs, doch sie hatte leichthin die Schultern gezuckt und erwidert, daß es wenigstens für alle genug zu kämpfen gäbe, falls es zu einer Rebellion kam, die das gesamte Imperium überzog. Ganz egal, wer die Gegner waren. Frost hatte schon immer eine eher praktische Ader besessen.
Schwejksam trommelte mit den Fingern auf seiner Armlehne.
Irgendwo tief in seinem Innern rief eine leise, aber hartnäckige Stimme nach einem Drink, um seine flatternden Nerven zu beruhigen, doch er hörte nicht auf sie. Er hatte es ausprobiert, doch es hatte nicht funktioniert. Schwejksam hatte es geschafft, rückwärts aus der Flasche zu klettern – wobei Frost ihm ein wenig geholfen hatte –, und er würde dem Drängen nicht wieder nachgeben. Er hatte sich der Schande des Versagers mit seinem glorreichen Sieg über die Fremden im Orbit von Golgatha entledigt und entgegen aller Erwartungen eine weitere Chance bekommen, um sich zu beweisen, und er wollte verdammt sein, wenn er sich jetzt von seinen eigenen Schwächen besiegen ließ. Es hatte eine Weile gedauert, doch die Mannschaft hatte schließlich begonnen, ihren Kapitän wieder zu respektieren, und das war gut so. Sie waren gute Leute, und sie verdienten einen starken Kapitän. Natürlich gab es noch immer dunkle Ecken, in denen noch dunklere Gerüchte die Runde machten; Ecken, in denen sich die Männer sicher fühlten vor den Überwachungssystemen der Unerschrocken. Unter Deck erzählte man sich, daß Frost und Schwejksam verhext waren.
Das Pech klebte an ihren Fersen. Sie waren Jonasse, alle beide.
In ihrer Umgebung geschahen die unmöglichsten Dinge. Immerhin hatte Schwejksam sein letztes Schiff, die Dunkelwind, bei einem Zusammenstoß mit Piraten verloren, und sein letzter Auftrag auf der Wolflingswelt war genauso unerwartet in die Hose gegangen. Und wie jedermann wußte, so erzählten die Gerüchte, kam ein Unglück selten allein. Die abergläubischeren unter seinen Männern hatten untereinander Wetten abgeschlossen, aber nicht, wann das nächste Mal etwas wirklich vollkommen danebenging, sondern welcher Art der Unglücksfall sein würde.
Schwejksam tolerierte es. Insgesamt betrachtet, war seine Besatzung noch immer wachsam und diszipliniert, und die Männer erfüllten ihre Pflichten auf vollkommen ausreichende Weise. Der Sieg über das Raumschiff der Fremden im Orbit um Golgatha hatte ihre Moral wesentlich gestärkt und ihnen nach dem Debakel auf der Wolflingswelt das Selbstvertrauen zurückgegeben. Die meisten von ihnen hatten während des Angriffs der Fremden auf den Raumhafen und die Hauptstadt von Golgatha einen oder mehrere Freunde verloren oder kannten zumindest jemanden, dem es so ergangen war, und im kollektiven Herzen der Besatzung brannte ein unterschwelliger, aber nichtsdestotrotz heißer und inniger Wunsch nach Rache.
Bisher war Schwejksam imstande gewesen, stets rechtzeitig ein Ventil für die unterdrückte Wut seiner Männer zu finden, doch er zweifelte keinen Augenblick daran, daß sie sich irgendwann verselbständigen würde. Irgendwann würden ein paar Nichtmenschen auf einer der Imperialen Welten ein falsches Wort zuviel sagen, und dann müßte man sie bestrafen. Schwejksam würde sich zurücklehnen und die Mannschaft in gewalttätige Raserei und wütende Rache verfallen lassen, bis sie genug hatte. Es würde hart für die Nichtmenschen werden, aber im Grunde genommen waren sie schließlich dazu da.
Im großen und ganzen hatte Schwejksam Frost alle Kontakte mit den außerirdischen Rassen des Imperiums überlassen.
Schließlich war sie die Expertin, was den Umgang mit fremden Kulturen betraf. Wenn ihm auch ihre recht extremem Praktiken manchmal ein gewisses Unbehagen bereiteten, so behielt er es für sich. Frost war verantwortlich für die Sicherheit der menschlichen Spezies, und wenn das bedeutete, sowohl brutal als auch effizient gegen Fremde vorzugehen, dann mußte es eben sein. Frost scherte sich einen Dreck darum. Unwillkürlich lächelte Schwejksam. Sicherlich hatte Frost nie eine Ausbildung in Diplomatie erhalten – oder wenn, dann hatte sie längst wieder alles vergessen, was man ihr beigebracht hatte. Ihr Vorgehen war ebenso geradlinig wie einfach: Frost wandte sich an das, was bei den anderen die Autorität verkörperte, stellte im Namen der Imperatorin ihre Forderungen und verkündete Warnungen und Drohungen für den Fall, daß man ihnen nicht nachkam. Aber sie brachte Ergebnisse. Schwejksam mochte seine Vorbehalte gegen ihre Methoden haben, doch er konnte nicht anders, als sie insgeheim zu bewundern. Die Sicherheit der menschlichen Spezies stand immer an oberster Stelle. Basta.
Auch Schwejksam war einst wie Frost gewesen, kalt, schroff und voller Autorität, bis er die Quittung dafür auf einem Hinterweltplaneten namens Unseeli erhalten hatte. Die eingeborene Spezies hatte wegen der extensiven Bergbauaktivitäten des Imperiums auf ihrem Planeten rebelliert. Das Imperium benötigte das Erz aus diesen Minen, und so hatte man den frisch zum Kapitän beförderten Johan Schwejksam abkommandiert, um die Rebellion niederzuschlagen. Ganz egal, mit welchen Mitteln. Er hatte es mit Diplomatie versucht und, als das nichts genutzt hatte, mit Härte, Entschlossenheit und Gewalt und schließlich mit Krieg. Dann hatte sich herausgestellt, daß auf Unseeli geheime Mächte und fremde Kräfte am Werke waren, und Schwejksam war gezwungen gewesen, seine Streitmacht fluchtartig von der Oberfläche abzuziehen. Anschließend hatte er Befehl erteilt, den gesamten Planeten aus dem Orbit heraus zu sengen.
Die fremde Rasse war heute ausgelöscht, doch die Geister der Toten spukten noch immer in den metallenen Wäldern des Planeten.
Schwejksam runzelte die Stirn, als er über seine bisherigen Kontakte mit außerirdischen Spezies nachdachte. Nur wenige waren so verlaufen, wie er es sich gewünscht hätte, doch am Ende hatte er immer bekommen, was das Imperium wollte, ohne noch einmal einen Planeten einäschern zu müssen. Er war nicht sicher, ob er imstande war, wieder einen derartigen Befehl zu erteilen. Obwohl Schwejksam keinen Augenblick daran zweifelte, daß Frost an seiner Stelle den Befehl erteilen würde, sollte sich erneut eine derartige Situation ergeben und er zögern. Und wer wollte schon ein Urteil fällen, wer von ihnen beiden im Endeffekt richtig handelte? Die Menschheit mußte geschützt werden, unter allen Umständen, und während die meisten Kontakte mit fremden Spezies nur eigenartig und merkwürdig verliefen, so gab es doch einige, die Schwejksam zutiefst beunruhigten. Das Leben hatte vielerlei Formen angenommen, und nur wenige davon waren annähernd als humanoid zu bezeichnen, weder in der Gestalt noch im Geist. Manche Rassen blieben schlichtweg undurchschaubar und geheimnisvoll. Schwejksam war sich nicht sicher, ob einige von ihnen überhaupt wußten, daß sie zum Imperium der Menschheit gehörten und Untertanen einer Imperatorin namens Löwenstein XIV waren.
Shanna IV war eine desolate Welt voller endloser Wüsten von festgebackener Erde. Das einzige Wasser befand sich tief unter der Oberfläche. Eine große, heiße Sonne brannte aus einem Himmel herab, der niemals Wolken gekannt hatte, und das einzige Anzeichen von intelligentem Leben waren die großen Pyramiden aus bernsteinartigem Material und verharztem Sand, die vor langer Zeit von den einzigen Bewohnern des Planeten errichtet worden waren. Jede der Pyramiden glich den anderen bis aufs Haar, obwohl manche Tausende von Kilometern auseinander lagen. Hundertdreißig Meter hoch, scharfkantig und mit glatten rötlichen Seitenwänden. Niemand wußte, was sich in ihnen verbarg oder ob es überhaupt ein Innen gab; keine der Investigatorgruppen des Imperiums war imstande gewesen, einen Eingang zu finden. Natürlich hatten sie versucht, einen zu schaffen – schließlich waren sie Investigatoren