»Impe’ium«, summte die dunkle Gestalt, ohne daß ein Mund zu sehen war. »Ve’hö’. Antwo’t.«
Frost steckte die Waffe weg und versuchte, so zu tun, als hätte sie nie eine gezogen. »Ja, wir repräsentieren das Imperium«, sagte sie tonlos. »Hat man Euch informiert, warum wir hier sind?«
Auf Shanna IV gab es eine Imperiale Basis, die von einer Handvoll Wissenschaftler bewohnt wurde und von einer kleinen Abteilung Soldaten, die es alle irgendwie geschafft hatten, ihre Vorgesetzten ziemlich zu ärgern, um nach hier strafversetzt zu werden – doch sowohl Wissenschaftler als auch Soldaten beschränkten den Kontakt mit den Eingeborenen auf ein absolutes Minimum. Möglicherweise hatten sie das Treffen arrangiert, möglicherweise aber auch nicht. Das war typisch für diese Sorte von Basis.
Schwejksam starrte die humanoide Gestalt an, und sie starrte zurück – und obwohl keine Augen in dem flachen, glänzenden Gesicht zu erkennen waren, zweifelte Schwejksam nicht einen Augenblick daran, daß der Vertreter des Insektenvolkes ihn beobachtete. Er konnte den Blick förmlich spüren, wie eine eisige Brise in der kochenden Hitze des Tages. Plötzlich wackelten die Insekten, aus denen die humanoide Gestalt zusammengesetzt war. Hunderte von Beinen spannten sich und erzeugten ein Glänzen, das über den gesamten Körper verlief, und dann war es wieder vorbei. Schwejksam zuckte zusammen, als sich in seiner Stirn ein plötzlicher Kopfschmerz ausbreitete.
Es war, als könnte er beinahe etwas sehen oder hören, das man vor ihm verstecken wollte. Er konzentrierte sich auf das Gefühl. Es war der mentalen Verbindung zu Frost sehr ähnlich. Er blickte zu ihr, um zu sehen, ob sie das gleiche empfand. Frost zeigte ein mürrisches Gesicht, doch das war nichts Ungewöhnliches bei ihr. Mit Sicherheit wirkte sie nicht so verstört, wie Schwejksam sich fühlte. Er griff nach dem vagen Gefühl, versuchte, sich darauf zu konzentrieren, doch es entschlüpfte ihm wie Wasser, das durch die Finger rann, und dann war es verschwunden. Nur der Kopfschmerz blieb.
»‘ebellen«, sagte der Vertreter der Insekten unvermittelt.
»Ve’meiden. Best’afung.«
»Verstanden«, erwiderte Frost. »Wenn jemand versucht, mit Euch in Verbindung zu treten, gleichgültig, ob Rebell oder fremde Rasse, dann sagt Ihr, daß er sich zur Hölle scheren soll, und meldet anschließend den Vorfall der Basis. Unverzüglich.
Verstanden?«
»‘ebellen. Ve’meiden. Best’afung. Chemikalien. Ve’hö’.
Antwo’t.«
Schwejksam wäre erschauert, wenn er nicht in seinem eigenen Schweiß gekocht hätte. Es war etwas an der Art und Weise, wie jedes Wort aus einem anderen Teil der humanoiden Gestalt ertönte, das ihn äußerst nervös machte. Er riß sich zusammen und konzentrierte sich auf seine Aufgabe.
»Ja, wir haben Eure Chemikalien«, antwortete er knapp. »Sie werden am üblichen Platz abgeladen. Das Versorgungsschiff wird die Substanzen aufnehmen, die Ihr produziert habt.« Eine Frage drängte sich in seine Gedanken, und er beschloß, sie zu stellen, bevor er sich die Sache zweimal überlegen konnte.
»Wir haben eine Verwendung für Eure Substanzen, aber was gewinnt Ihr bei diesem Handel?«
Eine lange Pause entstand, und nach einer Weile nahm Schwejksam an, daß der Homunkulus ihm nicht antworten würde. Doch dann ertönten zwei Worte, und die Gestalt fiel vor seinen Augen aneinander, bevor er noch reagieren konnte. Die humanoide Form des Insektenvertreters löste sich von oben nach unten auf und zerfiel in Hunderte von Einzelteilen, die zu Boden stürzten und in alle Richtungen auseinanderstrebten.
Nach wenigen Augenblicken waren sie nicht mehr von den Insekten zu unterscheiden, die bereits vorher dagewesen waren.
Schwejksam spürte keinerlei Bedauern, daß die Unterhaltung zu Ende war und die Wesen ihm den Rücken zuwandten. Ganz besonders nicht nach den beiden Worten, mit denen die Gestalt seine Fragen beantwortet hatte. Chemikalien. Süchtig. Er blickte zu Frost, die noch immer nachdenklich auf die herumkrabbelnden Insekten starrte, die emsig ihren unergründlichen, unverständlichen Aufgaben nachgingen.
»Glaubt Ihr, daß sie sich überhaupt als Individuen begreifen?« fragte er. »Oder werden sie erst bewußt, wenn sie sich zusammenschließen?«
»Niemand weiß das mit Sicherheit«, erwiderte Frost. »Man vermutet, daß ihre gesamte Rasse ein einziges Kollektivbewußtsein bildet, doch bisher hat noch niemand irgend etwas wissenschaftlich beweisen können. Unsere Instrumente entdecken nichts, und Esper bekommen gewaltige Kopfschmerzen, wenn sie zu lauschen versuchen. Diese Gestalten bilden unsere einzige Möglichkeit, mit den Insekten in Verbindung zu treten, und sie verraten uns so wenig wie möglich, ohne uns richtig zornig zu machen.«
»Was ist mit den Wissenschaftlern in der Basis?«
»Sie verbringen die meiste Zeit mit dem Schreiben von Versetzungsgesuchen zu einer anderen Station, und ich mache ihnen daraus nicht den geringsten Vorwurf. Dieser Planet hier zehrt an meinen Nerven.«
Schwejksam hielt seine Gesichtszüge unter Kontrolle, aber nur mit großer Mühe. Die Überraschung hätte nicht größer sein können, wenn Frost ihm gestanden hätte, daß sie pazifistische Neigungen besäße. Der Planet mußte ihr wirklich schwer zu schaffen machen, wenn sie ihm gestand, daß sie sich unbehaglich fühlte. Und das sah Frost überhaupt nicht ähnlich. Er beschloß, ihr und sich selbst einen Gefallen zu tun und das Thema zu wechseln.
»Wußtet Ihr, daß die Chemikalien, die wir diesen Insekten liefern, süchtig machen?«
»Nein«, antwortete Frost. »Aber es ergibt einen Sinn. Wenn die Insekten ein einziges Kollektivbewußtsein besitzen, dann sind sie viel zu weit verteilt, als daß wir sie bedrohen oder ihnen weh tun, geschweige denn sie kontrollieren könnten. Aber das Zurückhalten von Chemikalien, nach denen sie süchtig sind, erfüllt auf sehr elegante Weise den gleichen Zweck. Ein Drogensüchtiger tut alles für seinen nächsten Schuß.«
»Sehr effektiv«, erklärte Schwejksam. »Das Imperium hat schon immer auf Effizienz geschworen. Und wenn man ein wenig Grausamkeit in einen Handel einbringen kann, dann um so besser.« Er blickte auf die Tausenden kleiner Insekten, die ringsum geschäftig wuselten, blindlings trotz der großen Hitze ihren Befehlen gehorchend, um die Bedürfnisse des Imperiums zu befriedigen, und wenn er die Gemeinsamkeit zwischen ihnen und sich auch erkannte, so behielt er es für sich.
Chroma XIII war ein einzigartiger Planet, und das in mehrfacher Hinsicht. Das Prospektorenschiff, das dieses System ursprünglich kartographiert hatte, hätte es beinahe übersehen – rein technisch betrachtet war es vollkommen unmöglich, daß auf einem Planeten in so großer Entfernung von seiner ausgebrannten, sterbenden Sonne Leben existieren konnte. Aber irgend etwas an Chroma XIII erregte die Aufmerksamkeit des Kapitäns, und so sandte er Drohnen auf die Oberfläche hinunter, um Informationen zu sammeln. Und die Ergebnisse, die sie zurückbrachten, reichten vollkommen aus, um auch dem erfahrensten Überwachungsoffizier den Mund offenstehen zu lassen.
Innerhalb des gewaltigen Gasballs von Chroma XIII gab es Leben. Leben ohne Form oder Substanz, aber eindeutig Leben.
Intelligenz, die sich von der physikalischen Existenz losgelöst hatte. Ein Planet voller Widersprüche, dessen bloße Existenz theoretisch unmöglich war.
Schwejksam ließ die Unerschrocken in einen Orbit einschwenken, der so weit von Chroma XIII entfernt war wie nur irgend möglich, und gemeinsam mit Frost beobachtete er auf dem Hauptschirm, wie die Drohnen des Schiffs der Oberfläche des unmöglichen Planeten entgegenfielen. Fremdartige Bilder kamen und gingen auf dem Schirm, als die Übertragung der Kameras von einer Drohne zur nächsten wechselte. Die ganze Zeit über drohten die Komm-Kanäle zusammenzubrechen von der schieren Intensität dessen, was sie weitergaben.