»Ich bin fast enttäuscht«, sagte Frost leise. »So viel Aufregung, und alles nur wegen ein paar nächtlicher Alpträume. Das nächste Mal wollen sie, daß man sie an der Hand nimmt, wenn sie eine Straße überqueren müssen.«
»Wir sind nicht alle mit Euren eisernen Nerven ausgestattet, Investigator«, sagte Schwejksam. »Und es gehört zu meiner Arbeit, daß ich mich mit den Problemen der Mannschaft auseinandersetze, ob sie nun echt sind oder eingebildet. Allerdings finde ich es interessant, daß weder Ihr noch ich diese Stimmen gehört haben.«
»Unser Bewußtsein ist viel… disziplinierter als früher«, erwiderte Frost. »Vielleicht sind wir nicht so leicht an der Nase herumzuführen.«
»Vielleicht. Trotzdem, ich werde Creutz sagen, daß er noch ein paar Minuten mit den Sensoren weitermachen soll. Und dann…«
»Unbekanntes Schiff voraus, Kapitän!« rief Creutz plötzlich.
»Es befindet sich an der Grenze unserer Ortungsreichweite, aber es kommt direkt auf uns zu, Sir. Und es ist unglaublich schnell!«
»Alarmstufe Gelb!« befahl Schwejksam. »Aufgepaßt, Leute.
Creutz, legt das Bild auf den Hauptschirm.«
»Es befindet sich noch in der Dunkelwüste, Sir«, erwiderte Creutz. »Wir können es noch eine ganze Weile nicht sehen.«
»Kann es ein Schiff der Fremden sein?« fragte Frost.
»Unbekannt, Investigator«, antwortete Creutz. »Aber nach seiner Geschwindigkeit zu urteilen, wird es ziemlich bald hier sein.«
Schwejksam musterte die Finsternis auf dem Bildschirm und achtete darauf, daß er nach außen weiterhin ruhig und gelassen wirkte. Ringsum herrschte aufgeregtes Gemurmel, als die Mannschaft Waffen und Schilde einsatzbereit machte. Überall an Bord gingen Männer und Frauen auf ihre Gefechtsstationen und meldeten Bereitschaft. Schwejksam lächelte schwach. Die finstere Stimmung in der Zentrale war schlagartig verschwunden. Das unbekannte Schiff mochte eine Bedrohung darstellen, aber es war immerhin eine Bedrohung, die jeder verstand.
»Das Schiff verlangsamt seine Fahrt, Sir«, meldete Creutz.
»Ich denke, es weiß, wo wir uns befinden. Inzwischen hat es fast den Rand der Dunkelwüste erreicht. Wir sollten jeden Augenblick ein visuelles Signal erhalten…«
Creutz brach ab, als das Schiff auf dem Schirm auftauchte und direkt hinter dem Rand stoppte. Es war eine einfache Kugel, gespickt mit glitzernden, bedrohlich wirkenden Aufbauten.
Es war auch ein sehr vertrauter Anblick. Ganz definitiv ein Schiff des Imperiums.
»Einzelheiten kommen herein, Sir«, meldete Creutz. »Es handelt sich um einen Imperialen Sternenkreuzer der G Klasse.« Überrascht warf der Kommunikationsoffizier Schwejksam einen Blick zu, bevor er seine Instrumente ein weiteres Mal überprüfte. »Kein Zweifel möglich, Sir. Aber… die Flotte besitzt schon seit Anfang des Jahrhunderts keinen Kreuzer der CKlasse mehr. Seine Schilde sind unten, doch er macht keinerlei Anstalten, Kontakt mit uns aufzunehmen. Ich sende auf den Standardfrequenzen, aber niemand antwortet… Das Schiff sieht aus, als wäre es in gutem Zustand. Keine Anzeichen äußerer Beschädigung.«
»Könnte es ein Piratenschiff sein?« fragte Stelmach.
»Kaum«, antwortete Frost für Schwejksam. »Sie würden sich bestimmt nicht mit einem Schiff abgeben, das so langsam ist wie ein Kreuzer der C-Klasse. Piraten verlassen sich im allgemeinen darauf, daß sie schneller sind als ihre Verfolger. Wenn das da ein Imperiales Schiff ist – was, zur Hölle, macht ein alter Kahn wie dieser hier draußen am Abgrund?«
»Vielleicht ist es ein Geisterschiff?« warf Schwejksam ein und bereute im gleichen Augenblick seine Worte. Er mußte sich nicht umsehen, um zu spüren, wie die Spannung in der Zentrale anstieg. »Creutz, das Schiff sollte eine Kennung auf der Hülle tragen. Sucht danach, und seht in den Datenbänken nach, ob Ihr einen dazugehörigen Namen finden könnt.«
»Das habe ich bereits getan, Sir«, antwortete Creutz. Seine Stimme klang hoch und schrill. »Es ist die Verfechter, Sir! Das Schiff, auf dem mein Großvater gedient hat. Den Berichten zufolge ist sie vor einhundertsieben Jahren zusammen mit der Besatzung spurlos verschwunden.«
»Das ist unmöglich!« flüsterte Schwejksam wie betäubt. »Ich erinnere mich an diese Geschichte. Was auch immer mit der Verfechter geschehen ist, es ist eines der großen, ungelösten Rätsel der Flotte. Aber seine letzte berichtete Position liegt auf der entgegengesetzten Seite des Imperiums! Wie, zur Hölle, kommt die Verfechter in die Dunkelwüste?«
»Eine gute Frage, Kapitän«, sagte Frost. »Ich weiß noch eine: Wer steuert das Schiff jetzt? Es ist aus eigener Kraft durch die Dunkelwüste gekommen, und irgend jemand muß es zum Halten gebracht haben, hier, direkt vor unserer Nase. Und weiter: Da sie oder es oder was auch immer wissen muß, daß wir wissen, daß jemand an Bord ist – wieso antwortet niemand auf unsere Signale?«
»Es ist bestimmt eine Falle«, sagte Stelmach. »Könnte es ein getarntes Schiff der Fremden sein?«
»Wenn Ihr ein Holo meint – nein, das ist es nicht«, sagte Creutz. »Die äußere Hülle ist fest.«
»Fremde oder nicht«, meinte Schwejksam, »ich würde sagen, die Chancen stehen äußerst gut, daß wir hier den Grund für die beunruhigenden Phänomene der letzten Zeit vor uns sehen. Das Aussehen des Schiffs könnte ebenfalls dazugehören. Psychologische Kriegführung. Creutz, gebt Alarmstufe Rot. Alle Schilde hoch! Wenn es sich um ein getarntes Schiff der Fremden handelt, werden wir ihm nicht die Chance geben, uns mit heruntergelassener Hose zu erwischen wie sein Schwesterschiff über Golgatha. Alle Waffen aufs Ziel richten, aber niemand feuert ohne meinen ausdrücklichen Befehl.«
Hektische Aktivität erfüllte die Brücke, als die Mannschaft sich beeilte, Schwejksams Befehlen nachzukommen. Keiner hatte vergessen, wie das andere Schiff im Orbit über Golgatha versucht hatte, sie abzuschießen. Jetzt war die Zeit gekommen, es den anderen heimzuzahlen. Frost beugte sich zu Schwejksam herab.
»Ich muß sagen, Kapitän, daß die Möglichkeit, es könnte sich um ein feindliches Schiff handeln, äußerst gering ist. Unsere Ortungsergebnisse weisen eindeutig darauf hin, daß wir die lang vermißte Verfechter vor uns haben.«
»Ich will keine Panik auf meiner Brücke«, entgegnete Schwejksam leise. »Ich persönlich bin der Meinung, daß beide Möglichkeiten ziemlich unwahrscheinlich sind. Ich denke eher, es handelt sich um eine Falle. Vielleicht sogar ein erster Schuß der neuen Rebellion. Aber ganz egal, was es ist – ich will, daß meine Leute bereit sind, das Ding aus dem All zu blasen, wenn es auch nur eine einzige falsche Bewegung macht. Mister Creutz, was sagen Eure Instrumente jetzt?«
»Das ist alles sehr verwirrend, Kapitän«, antwortete Creutz und betrachtete mit verkniffenem Gesicht die Schirme in seiner Konsole. »Die meisten Systeme der Verfechter scheinen heruntergefahren zu sein. Keine Schutzschilde, keine aktivierten Waffen… und keine Lebenserhaltungssysteme. Keine Atmosphäre an Bord und kalt wie weiß Gott was. Es hängt einfach da wie tot. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie es hierhin gekommen ist. Alle meine Anzeigen sagen übereinstimmend, daß der Antrieb der Verfechter kalt ist. Keine Spur von Benutzung… seit verdammt langer Zeit nicht mehr.«
»Irgendwelche Hinweise auf Lebensformen?«
»Nichts, Kapitän. Weder menschliche noch andere. Natürlich besteht die Möglichkeit, daß es ein altes Pestschiff ist.«