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Die kleine Gruppe scharte sich um Creutz und starrte auf eine Reihe von drei Monitoren, die zu seiner Station gehörten. Sie wurden nach kurzer Zeit hell, als hätte man sie gerade erst abgeschaltet. Creutz schaltete rasch von einer Kamera zur nächsten, quer durch das gesamte Schiff, und ein Bild nach dem anderen erschien auf den Schirmen, knapp lang genug, um ein Gefühl für die bedrückende Leere überall an Bord zu vermitteln. Über die Korridore zum Maschinenraum, von der Krankenstation zu den Mannschaftsquartieren, überall herrschte Stille. Nichts rührte sich. Schwejksam erschauerte ein über das andere Mal vom Anblick dieses leeren, verlassenen Schiffes.

Der Kapitän versuchte, sich Einzelheiten über die Geschichte der Verfechter ins Gedächtnis zurückzurufen, die über die reine Legende hinausgingen. Der Kapitän, Thomas Pearce, war ein in jeder Hinsicht harter Offizier gewesen. Immer genau nach Vorschrift und so hart gegen sich selbst wie gegen andere. Alle hatten darin übereingestimmt, daß er sein Schiff perfekt unter Kontrolle gehabt hatte… bis zu dem Tag, als es verschwunden war. Er wäre niemals einfach so von Bord gegangen, ganz gleich, was seine Mannschaft tat. Pearce hätte zuerst den Selbstzerstörungsmechanismus in Gang gesetzt. Schwejksam fragte sich, was Pearce wohl jetzt an seiner Stelle denken würde, wenn er so viele verlassene, unbesetzte Stationen sehen könnte. Nein, er wäre nicht einfach so von Bord gegangen.

Irgend jemand oder irgend etwas mußte ihn mit Gewalt von Bord geschleift haben.

»Hallo«, sagte Creutz plötzlich. »Was haben wir denn da?«

Er hantierte an den Kontrollen, murmelte leise vor sich hin und tippte unbeholfen mit dem dicken Handschuh auf der Tastatur herum. Hartanzüge waren nicht für feinmotorische Arbeiten geschaffen. »Ich schätze, wir haben etwas gefunden, Kapitän.

Die Kameras im Frachthangar sind außer Betrieb, doch ich erhalte einige Informationen über die internen Schiffssensoren.

Im Frachtraum ist etwas. Eine ganze Menge sogar, Sir.«

»Das ist wohl kaum ungewöhnlich für einen Frachtraum, meint Ihr nicht?« sagte Frost.

»Ich denke schon, Investigator. Jedenfalls, wenn das Schiffsmanifest davon überzeugt ist, daß die Verfechter auf dieser Mission keinerlei Fracht an Bord hatte. Und was noch interessanter ist – all diese Dinger besitzen annähernd menschliche Formen.«

»Lebenszeichen?« erkundigte sich Schwejksam.

»Bisher nicht, Sir. Aber was auch immer es sein mag, es sind Hunderte.«

»Dann würde ich sagen, wir gehen mal nachsehen«, sagte Schwejksam. »Wir haben sowieso nichts Besseres zu tun.«

Schwejksam ließ vier der Sicherheitsleute auf der Brücke zurück, um die Monitore im Auge zu behalten und die Instrumente weiter zu überprüfen, und führte den Rest seiner Mannschaft zurück zum Aufzug. Der Weg hinunter in den Frachthangar zog sich endlos dahin, aber wenigstens hielt der Aufzug diesmal nicht auf jedem Deck. Schwejksam beschloß, das als gutes Omen zu betrachten.

Endlich öffneten sich die Türen zum Frachthangar, und Frost ließ die anderen im Lift warten, während sie zuerst die Lage überprüfte. Schwejksam und die Sicherheitsleute mußten ungemütlich lange warten, bis Frost ihnen winkte herauszukommen. Der Hangar war leer, doch die Beleuchtung brannte bereits, als sie in den weiten Raum traten – beinahe, als hätte jemand sie erwartet.

Der Hangar war gewaltig. Komplizierte Markierungen zierten die stählernen Wände. Die drei Männer waren auf der untersten Ebene hervorgekommen, wie Mäuse, die aus ihren Löchern krochen. Frost winkte der Gruppe, dicht beisammen zu bleiben, während sie die Aufzugstüren offen verkeilte für den Fall, daß sie es plötzlich eilig haben sollten. Was Schwejksam anging, so hätte sie sich den Wink ersparen können. Ihm war in seinem ganzen Leben nie weniger danach gewesen, auf eigene Faust etwas zu unternehmen. Aber als Kapitän erwartete man von ihm, daß er mit gutem Beispiel voranging, also trat er selbstbewußt vor, sobald Frost ihnen das Zeichen gab.

Die schiere Größe des Hangars wirkte überwältigend.

Schwejksams Aufmerksamkeit wurde unverzüglich von der einzigen Fracht des Hangars angezogen: Hunderte langer, verspiegelter Zylinder, jeder von der ungefähren Größe und Form eines Sarges. Irgend jemand hatte sie in Reihen dicht an dicht abgelegt, und sie formten ein vollkommenes Quadrat.

Schwejksam überprüfte die Särge aus sicherer Entfernung mit den schwachen Sensoren seines Anzugs, doch die Zylinder gaben keine Informationen über ihren Inhalt preis. Der Kapitän konnte nicht einmal sagen, aus welchem Material sie bestanden oder was sich in ihnen befand.

»Das ist die Besatzung, nicht wahr?« fragte Creutz leise.

»Könnte sein«, antwortete Schwejksam. »Die Zahl stimmt jedenfalls ungefähr. Es gibt nur einen Weg, um es mit Sicherheit zu erfahren. Investigator…«

»Ich bin schon unterwegs, Kapitän«, sagte Frost und trat kampflustig vor.

Schwejksam bedeutete den beiden Sicherheitsleuten und Creutz, bei ihm zu bleiben. »Laßt Euch nur Zeit, Investigator.

Vergeßt nicht, daß die Zylinder mit Fallen versehen sein könnten.«

»Ich werd’s versuchen«, erwiderte Frost. »Und jetzt seid bitte still. Ich muß mich konzentrieren.«

Frost blieb dicht vor der ersten Reihe von Särgen stehen und schniefte angewidert, als ihre Sensoren selbst auf diese geringe Entfernung noch immer keine nützlichen Informationen liefern wollten. Jeder der Zylinder war etwa zwei Meter lang und besaß die richtigen Proportionen für einen Sarg. Reichlich Platz für einen Körper im Innern – oder für eine Reihe unangenehmer Überraschungen. Frost kniete neben dem nächstliegenden Zylinder nieder und erlebte die erste Überraschung, als sie feststellte, daß die verspiegelte Oberfläche keine Reflexion von ihr zeigte. Sie untersuchte die Kanten des Zylinders sorgfältig und erlebte die zweite Überraschung. Es gab keinerlei Zeichen von Nähten oder Öffnungen. Der gesamte Zylinder schien aus einem einzigen Stück zu bestehen. Vielleicht… im etwas herum geformt. Der Begriff Kokon drängte sich ihr unwillkürlich auf und echote mit einer Schwere durch ihre Gedanken, der sie sich nicht entziehen konnte. Frost richtete sich wieder auf und blickte auf die Reihen von Zylindern, die sich vor ihr erstreckten. Sie hatte ursprünglich vorgehabt, einen davon mit Gewalt zu öffnen, nötigenfalls sogar mit dem Disruptor, und darauf zu vertrauen, daß der Hartanzug sie schützen würde, aber allmählich beschlich sie das dumme Gefühl, daß genau das von ihr erwartet wurde. Mehr und mehr sah der gesamte Hangar wie eine einzige große Falle aus. Die Zylinder waren zu verlokkend, das Licht brannte zu hell…, als wäre der gesamte Hangar eine Bühne, die darauf wartete, daß das Schauspiel begann.

Frost streckte vorsichtig die gepanzerte Hand aus, um auf den Deckel des Zylinders zu klopfen und ihre Hand versank in dem glänzenden Material, als wäre es flüssiges Quecksilber. Und dann packte irgend etwas im Innern des Sarges ihre Hand und drückte fest zu. Frost stolperte überrascht und kämpfte um ihr Gleichgewicht, als ihr Arm tiefer in den Sarg hineingezogen wurde. Rasch stemmte sie sich gegen den Boden und zog zurück, aber wer oder was auch immer sie gepackt hatte, es ließ nicht los. Frost konnte den Druck um ihre Hand selbst durch den gepanzerten Anzug hindurch spüren. Sie biß die Zähne zusammen und knurrte vor Anstrengung, als sie sich mit aller Kraft dagegen stemmte. Die Servomotoren des Anzugs heulten auf, und dann kam ihr Arm langsam wieder zum Vorschein und schließlich die Hand – die von einer weißen menschlichen Totenhand umklammert wurde.

Der Zug an ihrem Arm ließ plötzlich nach, und ein weißes Gesicht erschien durch den verspiegelten Deckel hindurch wie ein Ertrunkener, dessen Leiche die Wasseroberfläche durchbricht. Dann war der gesamte Körper des Toten aus dem Sarg heraus und stand grinsend vor Frost, noch immer ihre Hand mit der seinen umklammernd. Zuerst dachte sie, es wäre eine Furie, eine dieser Mordmaschinen Shubs, die sich mit einer menschlichen Haut tarnten, doch dann erblickte sie die Narben schwerer chirurgischer Eingriffe, die deutlich auf dem rasierten Schädel zu erkennen waren, und mit einemmal wußte Investigator Frost, was der Besatzung der Verfechter zugestoßen war. Der Mann war ein Geistkrieger.