Schwejksam und Creutz waren inzwischen bei der Aufzugtür angekommen und setzten die ganze Kraft der Servomotoren ein, um die Tür aufzustemmen. Die beiden Sicherheitsleute stürzten in die Kabine, rissen den Kontrollmechanismus aus seiner Verankerung und machten sich an der Steuerung zu schaffen. Schwejksam hätte sich gerne umgedreht und nach Frost gesehen, aber er benötigte all seine Kraft, um die Tür geöffnet zu halten. Die Türflügel drückten mit einer fast böswilligen Energie gegen seine Handflächen, und Schwejksam konnte deutlich das leise Wimmern der überanstrengten Servomotoren hören. Sein Anzug war wie die der anderen nur ein relativ leichtes Erkundungsmodell, dazu geschaffen, seinen Träger vor Umwelteinflüssen zu schützen, und nicht das schwere, besser ausgerüstete Kampfmodell. Er würde nicht mehr lange durchhalten.
Plötzlich schrie einer der Sicherheitsleute befriedigt auf, und unvermittelt verschwand der Druck der Tür. Schwejksam und Creutz ließen los und beeilten sich, in die Kabine zu treten. Sie drehten sich um und eröffneten wie ein Mann das Feuer aus den Disruptoren. Energiestrahlen zerfetzten die Geistkrieger, die Frost zu nahe gekommen waren.
»Schwingt Euren Hintern herum und kommt!« rief Schwejksam. »Wir verschwinden von hier.«
Frost wandte sich um und rannte, ohne zu zögern, los. Es war nicht unehrenhaft oder feige, vor einer solchen Übermacht von Geistkriegern davonzulaufen. Sie würden so lange weiter anstürmen, wie ihre Lektronenimplantate intakt blieben, ohne Rücksicht auf den Zustand des Körpers, den sie steuerten. Die einzige Antwort auf eine derartige Menge von Geistkriegern war massives Feuer aus Disruptorkanonen. Frost warf sich in die Kabine des Aufzugs, und die Türen glitten hinter ihr zu.
Fäuste schlugen von außen dagegen, und das Metall verbeulte sich, doch Schwejksam hatte bereits den Knopf gedrückt. Er hämmerte sicherheitshalber noch ein paarmal auf den Knopf, und alle atmeten tief durch, als der Aufzug sich endlich nach oben in Bewegung setzte.
» Unerschrocken, hier spricht Schwejksam. Könnt Ihr mich hören?«
»Laut und deutlich, Kapitän.«
»Überprüft die Brücke der Verfechter. Befinden sich Menschen dort?«
»Negativ, Kapitän.«
»Verdammt. Also schön, wir ziehen uns auf die Pinasse zurück. Die Verfechter wimmelt nur so von Geistkriegern Shubs.
Ihr werdet weder der Pinasse noch irgendeinem Beiboot der Verfechter erlauben, an der Unerschrocken anzudocken, bevor Eure Sensoren nicht eindeutig festgestellt haben, daß nur lebende Menschen an Bord sind. Sobald wir angedockt haben, werdet Ihr das Feuer auf die Verfechter eröffnen, bis nichts mehr außer ein paar glühenden Atomen von ihr übrig ist. Falls wir es nicht schaffen sollten, rechtzeitig zurückzukehren, und falls die Unerschrocken in Gefahr gerät, dann vergeßt uns und eröffnet einfach so das Feuer. Wir sind entbehrlich. Habt Ihr das verstanden, Unerschrocken?«
»Verstanden, Kapitän«, antwortete die Stimme des ersten Offiziers. »Wir geben Euch so viel Zeit wie nur irgend möglich, aber Ihr müßt angedockt sein, bevor wir das Feuer eröffnen, sonst werdet Ihr geröstet.«
»Das weiß ich selbst. Die Sicherheit der Unerschrocken steht an erster Stelle. Bestätigt den Befehl.«
»Bestätigt, Kapitän. Viel Glück, Sir.«
Der Aufzug wurde plötzlich langsamer, und beinahe hätten seine Insassen das Gleichgewicht verloren. Der Mann an den Kontrollen fluchte leidenschaftlich. »Irgend etwas versucht, mir die Kontrolle wieder zu entreißen. Ich weiß nicht, wie lange der Lift noch meinen Kommandos gehorchen wird, Kapitän.«
»Haltet auf dem nächsten Deck«, befahl Schwejksam. »Wir steigen aus. Wir dürfen nicht riskieren, wieder nach unten befördert zu werden.«
Der Mann nickte zustimmend, und die Kabine hielt ruckend an. Die Türen glitten zur Seite, und Schwejksam und seine Leute betraten mit gezückten Schwertern einen leeren Korridor. Schwejksam projizierte die Karte der Verfechter einmal mehr auf die Innenseite seines Helms und überprüfte ihre Position. Sie befanden sich sieben Decks unterhalb der Schleuse.
Es war ein ziemlich weites Stück Weg bis zurück zur Pinasse.
Sie würden die Laufstege benutzen müssen und hoffen, daß die Geistkrieger keinen Weg finden würden, um sie aufzuhalten.
Er schaltete die Projektion der Karte wieder ab und blickte seine beiden Sicherheitsleute an. Ihre glatten Helme verrieten keinerlei Gefühle, während sie dastanden und auf seine Befehle warteten.
»Es ist sinnlos, noch einmal zurück zur Brücke zu gehen«, sagte er tonlos. »Eure Kameraden sind tot. Ich kannte nicht einmal ihre Namen. Nennt mir Eure.«
Einer der Männer deutete auf sich und dann auf seinen Gefährten. »Korporal Abrams und Korporal Fein, Sir. Stört Euch nicht an Fein. Er redet nicht viel.«
»Erfreut, Euch kennenzulernen, Korporale. Falls wir lebend zur Unerschrocken zurückkehren, seid Ihr beide Sergeanten.
Und jetzt los. Frost, Ihr übernehmt die Führung. Creutz, Ihr sichert nach hinten.«
Sie rannten los. Zurück durch die verlassenen Korridore eines toten Schiffs, das Hämmern ihrer schweren Panzerstiefel auf dem metallenen Decksboden ein konstantes Donnergrollen wie die Prophezeiung eines herannahenden Sturms. Schwejksam warf erneut einen Blick auf die Kartenprojektion auf der Innenseite seines Helms und zählte die Decks ab, während sie sich der Schleuse näherten, wo die Pinasse wartete. Sein Herz hämmerte, und die Lungen schmerzten. Selbst mit den Servomotoren war der Anzug noch plump und schwer, ganz und gar nicht zum Laufen geeignet. Schwejksam knurrte wütend in seinem Helm und gab sich vergeblich Mühe, den Schritt weiter zu beschleunigen. Es dauerte einfach zu lang. Die Geistkrieger konnten direkt hinter ihnen sein. Er überprüfte die Sensoren seines Anzugs, doch inner – halb seiner beschränkten Reichweite gab es keine Spur von Bewegung. Was mit großer Wahrscheinlichkeit bedeutete, daß die toten Krieger eine Abkürzung kannten. Schwejksam warf einen weiteren Blick auf die Karte, doch er konnte keine schnellere Route entdecken als die, welche Frost bereits ausgewählt hatte. Sie würden als erste bei der Pinasse ankommen. Sie mußten einfach.
Schließlich lag nur noch ein Korridor zwischen den Menschen und der Sicherheit. Die ganze Gruppe schien von neuer Energie erfüllt, die sie um die letzte Ecke trieb – wo sie bestürzt anhielten. Schwejksam stand wie betäubt da, ein Dutzend Meter von der Luftschleuse entfernt, im Kopf das Dröhnen seines eigenen rauhen Atems, im Herzen schiere Verzweiflung.
Zwischen seiner kleinen Streitmacht und der Schleuse warteten sie. Mindestens hundert Geistkrieger, vollkommen ungeschützt gegen die Kälte und das Vakuum, und der tote Kapitän Pearce an der Spitze.
Nein! dachte Schwejksam dumpf, das ist vollkommen unmöglich. Es gibt keinen Weg, wie sie schneller herkommen konnten.
Aber dort standen die toten Männer, und vielleicht kannten sie Wege, die lebende Wesen nicht benutzen konnten.
Schwejksams Gedanken rasten, als er wie verrückt über einen Ausweg nachdachte, über irgend etwas, wie er den Klauen der sicheren Niederlage vielleicht doch noch einen Sieg entreißen konnte. Pearce grinste Frost und Schwejksam mit haltlos auf der Schulter liegendem Kopf an.
»Es ist vorbei«, sagte er. »Ihr müßt mit uns kommen. Die Laboratorien warten.«
»Zur Hölle mit Euch«, entgegnete Frost gelassen. Sie zog eine Splittergranate aus dem Gürtel, riß den Sicherungsbolzen heraus und warf sie mitten unter die dicht gedrängten Geistkrieger. Die Toten hatten kaum Zeit zu reagieren, bevor die Granate explodierte und alles zerfetzte, was sich in unmittelbarer Umgebung befand. Leichenteile wurden von der Wucht der Explosion durch die Gegend geschleudert, während Frost und der Rest der Gruppe kaum etwas spürten. Die schweren Anzüge schützten sie vollkommen.