Schwejksam rannte den Korridor hinab, so schnell der Anzug es erlaubte. Die ganze Zeit über dachte er an nichts anderes, als die Geistkrieger für Frosts Tod bezahlen zu lassen. Er würde einen Berg von Köpfen abschlagen, ihr zu Ehren. Es würde ihr gefallen. Aber es wäre nicht genug. Nichts wäre jemals genug.
Schwejksam nahm den Aufzug nach unten, während er die Hände immer wieder ungeduldig zu Fäusten ballte. Die Türen öffneten sich, und das Geräusch von Energiestrahlen und Schreien und Rufen drang an seine Ohren. Er rannte los. Der Kampf fand nicht allzuweit von der Außenhülle entfernt statt, und ein einziger schlecht gezielter Schuß würde vollkommen ausreichen, die Hülle zu perforieren. Die anschließende explosive Dekompression würde den Geistkriegern wahrscheinlich nicht viel ausmachen, aber Schwejksams Leuten würde sie ziemlich übel mitspielen. Plötzlich war er verdammt froh, daß er noch immer seinen Anzug anhatte.
Schwejksam umrundete eine Ecke und erblickte eine schwankende Gruppe menschlicher Verteidiger, die sich verzweifelt gegen eine große Übermacht von Geistkriegern zur Wehr setzte. Überall lagen reglose Körper und Verwundete.
Mitten unter den untoten Kriegern stand eine trotzige Gestalt in einem mitgenommenen Hartanzug und hielt mit einer langen, silbern schimmernden Klinge furchtbare Ernte unter ihnen.
Schwejksam grinste so breit, daß es beinahe weh tat. Er mußte die Abzeichen auf dem Anzug nicht erst sehen, um zu wissen, wer hinter dem glatten Helm steckte. Kein Wunder, daß er noch immer ihre Gegenwart über die mentale Verbindung hatte spüren können. Als die Geistkrieger von der Verfechter teleportiert waren, hatten sie Frost einfach mitgenommen! Wahrscheinlich, weil sie eine so wertvolle Beute nicht aufgeben wollten. Schwejksam stieß den Schlachtruf seines Clans aus und warf sich mitten ins Getümmel, während er mit wilden Hieben nach rechts und links einen Weg durch die Untoten schnitt. Er lachte laut, als er schließlich Rücken an Rücken mit der gepanzerten Gestalt zu stehen kam, und gemeinsam fochten sie so wild und entschlossen, daß die Geistkrieger noch nicht einmal mehr in ihre Nähe kamen.
»Hallo«, erklang Frosts Stimme in Schwejksams Ohr. »Habt Ihr mich vermißt?«
»Keine Sekunde«, log Schwejksam. »Ich wußte, daß Ihr viel zu beschäftigt wart, um zu sterben.«
»Das war es, worum es die ganze Zeit ging«, sagte Frost zwischen den Hieben. »Sie benutzten die Verfechter lediglich als Lockvogel. Die eigenartigen Stimmen… Das alles war ein Täuschungsmanöver, um die Unerschrocken zu übernehmen.
Wir beide sollten zu Geistkriegern gemacht werden, sorgfältig konserviert und maskiert. Damit hätte Shub eine Möglichkeit gehabt, jemanden in unmittelbare Nähe der Imperatorin selbst zu bringen. Aus diesem Grund haben sie mich gerettet, als die Verfechter in die Luft flog. Hinterlistige Bastarde, das. Ich muß sagen, ich bin ziemlich beeindruckt.«
Schwejksam war zu beschäftigt, um etwas zu erwidern. Kapitän Pearce war wieder einmal aufgetaucht. Sein Kopf hing noch immer schief, aber er schien genauso entschlossen wie zuvor. In der Hand hielt er einen altmodischen Disruptor, den Schwejksam ihm jedoch mit einer schnellen, beinahe lässigen Bewegung aus der Hand schlug. Die beiden Kapitäne, der lebende und der untote, bekämpften sich wütend, und ihre Schwerter krachten immer und immer wieder mit beinahe unmenschlicher Geschwindigkeit aufeinander. Pearce besaß weitaus mehr Kraft und Geschick, als ein normaler menschlicher Gegner je hätte aufbringen können, doch Schwejksam hatte sich im Labyrinth des Wahnsinns verändert, und er war mehr als nur ein normaler Mensch. Die Servomechanismen seines Anzugs ächzten, während der Kapitän der Unerschrocken die Angriffe des Geistkriegers parierte und ihn schließlich in die Verteidigung zwang. Und dann hob Schwejksam das Schwert in einer einzigen blitzartigen Bewegung und ließ es mit voller Wucht auf Pearce’ Schädel hinunterfahren, und die schwere Klinge hämmerte tief in den Knochen und kam erst in Höhe der Augenhöhlen zum Stillstand. Pearce zuckte konvulsivisch, als sein Lektronenimplantat einen Kurzschluß erlitt und versagte. Schwejksam riß das Schwert wieder heraus, und Pearce sank zuckend zu Boden. Diesmal würde er nicht wieder aufstehen.
Doch noch immer stürmten weitere Geistkrieger an.
Schwejksam kämpfte weiter, Rücken an Rücken mit Frost, kühl, und ruhig und beinahe gefaßt. Kraft und Schnelligkeit brannten in ihm, und er fühlte sich, als könne er für immer so weiterkämpfen. Einmal mehr war er mit Frost verbunden, auf jeder nur denkbaren physischen und psychischen Ebene, und gemeinsam kämpften sie in einem Zustand, bei dem die Summe der Teile weit mehr war als jeder einzelne von ihnen.
Plötzlich war niemand mehr da, gegen den sie kämpfen konnten. Überall lagen enthauptete Geistkrieger zerbrochen und reglos herum, und die überlebenden Besatzungsmitglieder jubelten ihrem Kapitän und Frost frenetisch zu. Ein Gefühl, das zumindest für Frost neu war, dachte Schwejksam, als er sich überrascht umblickte. Üblicherweise waren de Leute nur froh, wenn ein Investigator den Raum verließ. Er sah Frost an, die sich im gleichen Augenblick zu ihm umgedreht hatte, und beide zogen ihre Helme ab. Ihre Augen trafen sich mit einem Ausdruck des Verstehens und der gegenseitigen Zuneigung, den keiner von beiden jemals vergessen würde.
»Wir sind nicht einmal sonderlich außer Atem«, flüsterte Schwejksam ihr zu. »Was geschieht nur mit uns?«
»Wir werden besser«, erwiderte Frost.
»Vielleicht unmenschlich.«
Frost zuckte die Schultern, so gut es mit dem schweren Anzug ging. »Menschlich zu sein wird manchmal überbewertet, schätze ich.«
Schwejksam dachte noch immer über eine Antwort nach, als Stelmachs Stimme erneut in seinem Komm-Implantat ertönte.
»Kapitän, überall sind Geistkrieger aufgetaucht! Das Schiff wimmelt nur so von ihnen! Hunderte!«
»Sagt mir etwas, das ich nicht schon längst weiß«, knurrte Stelmach. »Können wir uns gegen sie halten?«
»Kaum, Sir. Unsere Leute trauen sich nicht, die Disruptoren einzusetzen, wogegen die andere Seite rücksichtslos von ihren Energiewaffen Gebrauch macht. Die größte Gruppe von Eindringlingen ist auf dem Weg zur Brücke, trotz unserer verzweifelten Bemühungen, sie aufzuhalten. Uns bleibt nur eine einzige Chance, Sir. Aus meiner Forschung an den Schläfern und ihrer Kontrolle durch das Joch weiß ich mit ziemlicher Sicherheit, daß die Lektronen von Shubs Soldaten einen zentralen Steuerungsmechanismus besitzen, müssen, der sich nicht in dem Körper befindet, den sie antreiben. Irgendein Apparat oder so etwas, den sie mit an Bord gebracht haben, als sie von der Verfechter herteleportierten. Ein einziges kybernetisches Bewußtsein, das seine Marionetten aus totem Fleisch steuert. Ich habe die Komm-Abteilung veranlaßt, die Kanäle auf unautorisierten Gebrauch zu überprüfen, und wir fanden ein verflucht starkes Signal, das aus dem Hangar in Sektion Epsilon zu stammen scheint. Das muß es sein, Sir!«
»Gute Arbeit, Stelmach«, lobte Schwejksam. »Investigator Frost und ich sind auf dem Weg. Schickt uns so viele Männer zur Verstärkung, wie Ihr entbehren könnt. Falls wir versagen, verteidigt Ihr die Brücke so lange, bis offensichtlich wird, daß keine Hoffnung mehr besteht. Dann löst Ihr die Selbstzerstörung aus. Was auch geschieht – dieses Schiff und seine Besatzung dürfen Shub unter gar keinen Umständen in die Hände fallen.«
»Verstanden, Kapitän. Viel Glück, Sir!«
Der Kapitän unterbrach die Verbindung, und zusammen mit Frost machte Schwejksam sich auf den Weg zu den Aufzügen.
»Wenn ich es nicht besser wüßte«, meinte Frost, »könnte ich schwören, daß Stelmach langsam menschliche Züge annimmt.«