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Daniel stapfte auf den dicken Teppichfliesen hin und her wie ein gefangenes Raubtier. Seine Schwester wünschte, er würde damit aufhören. Es ging ihr auf die Nerven.

Das Zimmer war nach den Maßstäben von Technos III komfortabel und groß – was bedeutete, daß man zehn Menschen hineinpressen konnte, aber nur dann, wenn man einen Viehstock zur Hand hatte. Das Mobiliar war einfach bis geschmacklos, und die grelle Beleuchtung verursachte Stephanie Kopfschmerzen. Daniel blieb endlich stehen und schaltete die externen Sensoren der Fabrikanlage auf den Monitor. Eine Seite des Raums verschwand völlig und gab den Blick auf das Wetter draußen frei. Größtenteils sah es nach Schnee aus, der waagerecht von Stürmen von rechts nach links und im nächsten Augenblick schon wieder von links nach rechts über die Ebene getragen wurde; immer ein klein wenig zu schnell für die Reaktionsgeschwindigkeit des menschlichen Auges und deshalb sehr irritierend anzusehen. Stephanie drehte ihren Sessel, um es nicht sehen zu müssen, und konzentrierte sich auf ihren Plan.

Angeblich hatte Valentin sie und ihren Bruder hierher geschickt, damit sie nach dem Rechten sahen, bis die Produktion des neuen Antriebs offiziell anlief. Er hatte eine Feier für den großen Tag arrangiert, die im gesamten Imperium zur besten Sendezeit live übertragen werden sollte, um jedermann und ganz besonders diejenigen bei Hofe daran zu erinnern, woher das Geld und die Macht des Wolf-Clans stammten. In Wirklichkeit hatte Stephanie alles in die Wege geleitet. Sie hatte ihrem Bruder die Idee zu der Feier geliefert und anschließend still und leise, aber zielstrebig hinter der Bühne intrigiert, um sicherzustellen, daß sie und Daniel an Valentins Stelle den Clan bei der Feier vertraten. Eine Liveübertragung wäre die beste Gelegenheit, um unauffällig ein wenig Sand ins Getriebe der gewaltigen Produktionsanlage zu streuen und die Produktion zu verlangsamen, wenn nicht gar zum Stillstand zu bringen… und Valentin ganz allgemein als inkompetent dastehen zu lassen. Ein so offensichtlicher und schwerer Fehler war aller Wahrscheinlichkeit nach genau der Hebel, den Stephanie und Daniel benötigten, um die Kontrolle über die Fabrik aus Valentins Händen zu reißen…, und dann würde Valentin schon sehen, wer den Wolf-Clan wirklich führte.

Die ansässigen Rebellen waren noch immer ein Ärgernis, und man würde mit aller Härte gegen sie vorgehen müssen, bevor die Feierlichkeiten begannen. Aber das sollte kein allzugroßes Problem darstellen. Kassar führte eine recht große Armee von Gläubigen mit sich, die den Söldnern der Wolfs den Rücken stärken sollten. Den Terroristen würde nicht genügend Zeit bleiben, um zu merken, was sie da traf.

Andererseits würde natürlich die Anwesenheit so starker Truppenverbände bedeuten, daß Stephanies sorgfältig geplante Sabotage mit allergrößter Vorsicht durchgeführt werden mußte.

Wenn man sie – oder, was wahrscheinlicher war, Daniel – auf frischer Tat ertappte, dann würden alle Worte der Welt nicht ausreichen, um sich herauszuwinden. Valentin würde die Gelegenheit nutzen, um sie und Daniel zu diskreditieren, und sie mit ziemlicher Sicherheit aus dem Clan verstoßen. Jedenfalls würde Stephanie an seiner Stelle so handeln. Sie blickte auf, und dort stand Daniel und starrte noch immer aus dem falschen Fenster auf das Unwetter draußen. Sie wußte, daß er den Sturm gar nicht sah.

»Komm schon, Daniel. Unser Vater ist tot, und weder du noch ich können daran etwas ändern.«

»Nein! Er ist nicht tot!« brauste Daniel auf, ohne den Blick vom Sturm abzuwenden. »Du hast ihn am Hof gesehen. Sein Körper ist tot, aber die Bastarde von KIs haben ihn repariert.

Vater lebt noch, hilflos gefangen in einem verwesenden Körper. Er hat mich erkannt! Er hat zu mir gesprochen. Wir müssen ihn retten und wieder nach Hause bringen.«

»Was du gesehen hast, war ein Geistkrieger und sonst nichts«, erklärte Stephanie in sorgfältig berechnetem Tonfall.

»Ein toter Körper, der von Servomechanismen zusammengehalten und von Lektronenimplantaten gesteuert wird. Das war nur eine Maschine, die unseren Vater imitiert hat. Ein zusammengesetztes Programm, das Shub wahrscheinlich aus Vaters öffentlichen Auftritten in den Holonachrichten kopiert hat.

Der Mann, den wir kannten, ist tot. Er braucht uns nicht mehr.

Vergiß ihn.«

»Ich kann nicht.« Daniel wandte sich um und blickte Stephanie an, und in seinem Gesicht stand ein Ausdruck, der sie innehalten ließ. Sein normalerweise eher schmollender Mund war zu einem schmalen Strich geworden, und sein Blick war fest und entschlossen. »Du kannst mir nichts ausreden, von dem ich weiß, daß es stimmt. Wenn es auch nur eine winzige Chance gibt, daß Vater noch lebt, muß ich ihn retten. Ich muß es einfach. Ich habe ihn so oft im Stich gelassen, als er noch lebte; und jetzt, wo er tot ist, darf ich ihn nicht noch einmal enttäuschen. Du brauchst mich doch gar nicht hier. Die Sabotage ist dein Plan. Kassar wird sich für dich um das Rebellenproblem kümmern. Er hat Erfahrung in derartigen Dingen. Ich will nicht länger über so etwas nachdenken. Die Rebellen sind mir egal.

Die Fabrik ist mir egal. Zuerst kommen die Wolfs. Immer.«

Stephanie erhob sich aus ihrem Sessel und trat rasch zum Fenster neben ihren jüngeren Bruder. »Ich brauche dich hier, Daniel. Du gibst mir Kraft. Bleib bei mir. Wenigstens bis nach den Feierlichkeiten. Wir können Agenten ausschicken, die unseren Vater suchen und herausfinden, wie es um ihn steht. Leute, die in solchen Dingen Erfahrung besitzen. Auf diese Weise bleibt es wenigstens geheim. Schließlich gibt es eine Menge Leute mit starkem Interesse daran, daß unser Vater da bleibt, wo er ist, und nicht wieder Oberhaupt der Familie wird.«

Stephanie sah bereits die Entscheidung in Daniels Augen, bevor er zögernd nickte. Sie seufzte innerlich vor Erleichterung. Daniel war viel zu wild und unbeherrscht, um alleine loszuziehen. Stephanie brauchte ihn an ihrer Seite, wo sie ihn kontrollieren konnte. Daniel meinte es gut, aber ihm fehlte Stephanies Phantasie und Scharfsinnigkeit. Sie wußte, was für die Familie am besten war, und dazu gehörte nicht, blindlings durch das gesamte Imperium hinter einem Hirngespinst herzujagen. Der liebe Vater war tot, und das war für alle besser so.

Wahrscheinlich hätte sie ihn eines Tages selbst umgebracht. Er hatte ihr im Weg gestanden.

»Wenn ich hierbleiben soll, dann gib mir wenigstens etwas zu tun«, sagte Daniel. »Ich fühle mich sonst überflüssig.«

»Vielleicht habt Ihr Lust, mit meinen Truppen zu arbeiten?« fragte Kardinal Kassar. »Die Kirche hat immer Platz für einen zusätzlichen mutigen Kämpfer.«

Die beiden Geschwister fuhren herum. Daniels Hände verkrampften sich zu Fäusten, weil er und seine Schwester sich hatten überraschen lassen. Stephanie begrüßte den Kardinal mit einem kühlen, gelassenen Nicken. Sie würde ihm auf gar keinen Fall die Befriedigung gönnen, sie zum Erröten zu bringen.

Auch wenn sie nicht sicher war, wieviel er von ihrem Gespräch mitbekommen hatte.

Der Kardinal stand hoch aufgerichtet und mit vorgestrecktem Kinn in der offenen Tür. Er steckte in voller Kampfmontur, selbst hier, in den als sicher geltenden Privatunterkünften der Fabrik. Vielleicht lag es an der allgemeinen Paranoia der Kirche, vielleicht bedeutete es aber auch eine verschleierte Beleidigung der Wolfs, daß er ihnen nicht zutraute, seine Sicherheit zu garantieren. Oder vielleicht, dachte Stephanie, trug er den Kampfanzug auch nur deswegen, weil er darin so stark und soldatisch aussah.