Выбрать главу

In diesem Fall hatte Kassar zumindest teilweise Erfolg. Das große Kreuzrelief auf der Brust gab sich alle Mühe, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zu ziehen – doch das schwer gezeichnete Gesicht des Trägers konnte man einfach nicht ignorieren. Halb zerfressen von Säure, sah die vernarbte Hälfte von Kassars Gesichts mehr nach einem Totenschädel als irgend etwas anderem aus; Risse in seinen Wangen gaben sogar den Blick auf die weißen Zähne frei. Mühevoll setzte Stephanie ein höfliches Lächeln auf, aber sie kam ihm keinen Schritt entgegen. Auch Daniel machte keine Anstalten, auf den Besucher zuzugehen. Sollte Kassar doch zu ihnen kommen.

Der Kardinal hatte sich verspätet, aber das hatte Stephanie erwartet. Kassar gehörte zu der Sorte Mensch, die andere grundsätzlich warten ließ, schon allein um zu zeigen, wie bedeutend er war. Er brauchte diese kleinen Siege. Sie hielten ihn aufrecht, erst recht, seit er nach Technos III befohlen worden war. Offiziell war es eine Chance zum Aufstieg. Die Kirche hatte ihn zusammen mit einer kleinen Armee von Gläubigen und einem halben Dutzend Elitekommandos der Jesuiten hierher gesandt, um den Wolfs bei der Vernichtung und Zerschlagung der rebellischen Terroristen zu helfen. Die Kirche von Christus dem Krieger biederte sich normalerweise nicht bei der Aristokratie an, und ganz sicher nicht ausgerechnet bei den Wolfs, aber die Zukunft der Kirche hing wie die eines jeden anderen auch davon ab, ob man Zugang zu den neuen Hyperraumantrieben erhielt. Und wer zuerst da war, der würde einen zwar vorübergehenden, aber nichtsdestotrotz sehr realen Vorteil über all diejenigen erlangen, die den Antrieb noch nicht besaßen. Die Kirche war nicht zu dem geworden, was sie war, indem sie mögliche Vorteile ignoriert hatte. Die Tatsache, daß die Kirche die Wolfs im allgemeinen und Valentin im besonderen zutiefst verachtete, durfte auf keinen Fall im Weg stehen, wenn es darum ging, den anderen politisch um eine Nasenlänge voraus zu sein. Was sein mußte, mußte sein.

Kassar persönlich hegte eine ganz besonders starke Abneigung gegen die Wolfs – trotzdem hatte er sich beinahe um den Auftrag gerissen. Der Krieg auf Technos III war eine willkommene Gelegenheit, seine Talente als Feldherr zu demonstrieren, und das war noch immer die Überholspur für jede Karriere in der Kirche gewesen. Frömmigkeit war gut und schön, aber der Sieg mit den Waffen brachte einem die Beförderung ein. Und obwohl Kassar es kaum vor sich selbst eingestand, mußte er seinen Mut beweisen. Er hatte das unbestimmte Gefühl, sich bei Hofe nicht gerade mit Ruhm und Ehre bekleckert zu haben, als die Furie und der Geistkrieger von Shub aufgetaucht waren. Er hätte etwas unternehmen können, etwas Tapferes, Heroisches, um den Tag zu retten, doch statt dessen hatte er mit offenem Mund herumgestanden wie all die anderen Schwächlinge auch. Die Menschen hatten es gesehen. Sie mußten seine Untätigkeit bemerkt haben, wenn auch niemand den Mut aufbrachte, ihm das ins Gesicht zu sagen. Also war er nach Technos III gekommen, um einen großen Sieg zu erringen, ganz egal, was es kosten würde. Danach würde niemand mehr Zweifel an Kassars Tapferkeit hegen. Nicht einmal er selbst.

Die drei standen sich gegenüber und musterten sich schweigend. Eine ungemütliche Pause entstand, während jeder seinen eigenen Gedanken nachhing und keiner bereit war, den ersten Schritt zu tun. Schließlich trat Stephanie vor und streckte Kassar die Hand entgegen. Der Kardinal trat ebenfalls einen Schritt vor, ergriff die dargebotene Hand und verbeugte sich knapp.

Sein Händedruck war fest, aber kurz. Daniel blieb stehen, wo er war, und nickte nur. Kassar nickte zurück.

»Willkommen auf Technos III, Kardinal«, sagte Stephanie mit freundlicher, aber zurückhaltender Höflichkeit. »Bitte entschuldigt das Wetter, doch wenn Ihr es nicht mögt, dann wartet ein paar Tage, und es wird sich ändern. Das Wetter hier wechselt so oft seine Meinung wie ein Dorfpfarrer zwischen zwei Sünden. Ich vermute, Eure Leute sind ausreichend versorgt?«

»Meine Männer bereiten den ersten Angriff auf die Stellungen der Rebellen vor«, erwiderte Kassar. »Alles andere kann warten. Ihr habt den Terroristen viel zuviel durchgehen lassen, aber ich kann nicht sagen, daß mich das überrascht, wenn man die geringe Stärke Eurer Sicherheitstruppen bedenkt. Warum habt Ihr nicht eine Anzahl Fabrikarbeiter dienstverpflichtet?

Ich kann Euch Waffen und Rüstungen verschaffen, soviel Ihr wollt.«

»Ich denke nicht, Kardinal. Die Arbeiter hier sind allesamt Klone, gezüchtet und entwickelt für Fabrikarbeit und sonst gar nichts. Und einem Klon gibt man doch keine Waffen?«

Kassar zuckte lässig die Schultern, um seinen Fehler zu kaschieren. »Wie Ihr wünscht. Meine Truppen sind mehr als ausreichend, um die Arbeit zu erledigen. Was meint Ihr zu meinem Angebot, Daniel? Soll ich Euch einen Platz bei meinen Truppen verschaffen?«

»Ein Wolf kämpft nicht für andere«, erwiderte Daniel tonlos.

»Wir kämpfen nur für uns selbst. Ohne Ausnahme.«

Erneut entstand eine ungemütlich lange Pause. Jeder der Anwesenden wollte verdammt sein, wenn er derjenige war, der als erster etwas sagte. Die entstandene Spannung brach erst, als Toby der Troubadour und sein Kameramann Flynn durch die offenstehende Tür hereinplatzten. Toby nickte den Anwesenden rasch zu und bedeutete Flynn mit einer Handbewegung, eine Position einzunehmen, von der aus er alle mit der Kamera filmen konnte.

»Guten Morgen, alle zusammen«, sagte er fröhlich. »Ist das nicht ein wunderbar schrecklicher Tag? Ich hoffe, ich störe nicht bei einer wichtigen Besprechung, aber ich benötige wirklich ein paar Meter von Kardinal Kassar, der von seinen Gastgebern begrüßt wird. Das kommt bei den Zuschauern immer gut an, und es liefert eine gute Einführung zu der bevorstehenden Auseinandersetzung mit den Rebellen. Macht Euch keine Gedanken. Ich werde mich kurz fassen und gleich auf den Punkt kommen. Ich bin sicher, jeder der anwesenden Herrschaften hat wichtigere Dinge zu erledigen.«

Daniel musterte Toby mit einem feindseligen Blick. »Ist das wirklich notwendig?«

»Ich fürchte ja«, sagte Stephanie rasch. »Öffentlichkeitsarbeit kann langweilig und entnervend sein, aber ohne geht es nicht.

Die öffentliche Meinung ermöglicht, Dinge durchzusetzen, die man sonst nicht durchsetzen könnte. Die Feierlichkeiten zum Produktionsbeginn des Hyperraumantriebs bedeuten ein wichtiges Ereignis, und ich will eine ausführliche Berichterstattung.

Schließlich wird jeder im Imperium zusehen. Beiß die Zähne zusammen und steh es durch, Daniel. Es dauert ja nicht ewig.«

»Das ist die richtige Einstellung!« lobte Toby. »Kardinal, wenn es Euch nichts ausmacht, könntet Ihr Euch zwischen die beiden Wolfs stellen? Das würde eine schöne Gruppenaufnahme ergeben…«

Kassar funkelte Toby an; dennoch gehorchte er und stellte sich zwischen Stephanie und Daniel. Keiner der drei berührte den anderen auch nur mit dem Ellbogen, obwohl sie hautnah beieinander standen. Toby wieselte geschäftig um die drei herum, rückte hier eine Schulter gerade und hob dort einen Arm in Positur.

»Also schön, Leute«, sagte er schließlich. »Bleibt so, während Flynn die Beleuchtung einstellt, und dann werden wir ein kurzes Interview führen. Nichts Kompliziertes. Ich will lediglich zeigen, wie froh alle über das Eintreffen des Kardinals sind. Wenn es gar nicht anders geht, dann tut wenigstens so, als würdet Ihr lächeln.«

»Ihr wißt sicher, Tobias Shreck«, sagte Kassar kühl, »daß die Kirche zur Zeit eine Inquisition gegen Euren Onkel abhält? Er wird der Anstiftung zum Ungehorsam und der Korruption in zahlreichen Fällen verdächtigt.«