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»Was führt dich her, Lily?« sagte er schließlich und gab sich alle Mühe, gelassen zu klingen, obwohl sein Puls bereits raste.

»Ich hätte geschworen, daß du nicht einmal von der Existenz dieses Raumes weißt. Und ich habe dir schon einmal gesagt: Nenn mich nicht in der Öffentlichkeit Liebster. Es ist viel zu unsicher.«

Lily zuckte die Schultern. »Ich bin nur an einer einzigen Art von Leibesübungen interessiert. Alles andere ist nur eine Verschwendung von gutem Schweiß. Und ich hatte auch noch nie übermäßiges Interesse daran, sicher zu sein. Kommst du jetzt her und gibst mir einen Kuß, oder muß ich dich erst holen?«

Michael warf das Handtuch über die Schulter und ging lässig zu seiner Geliebten. Es war wichtig für ihn, wenigstens ein bißchen Kontrolle zu behalten, selbst wenn er wußte, daß er sie im gleichen Augenblick verlieren würde, wo er Lily in die Arme schloß. Michael mußte den Kopf in den Nacken legen, um sie zu küssen. Sie war beinahe fünfzehn Zentimeter größer als er, doch das hatte ihn nie gestört. Es bedeutete lediglich, daß mehr an ihr war, das er lieben konnte. Und als er sie in die Arme schloß wie eine kostbare Blume und ihr Parfüm in seine Nase stieg wie eine berauschende Droge, dann war ihm alles egal außer Lily.

Lily sagte immer, sie wären füreinander geschaffen. Sein dunkler Teint bildete einen wunderbaren Kontrast zu ihrer bleichen Gesichtsfarbe, wie zwei Seiten ein und derselben Münze.

Sie waren Seelenverwandte, die sich gesucht und gefunden hatten, und nichts auf der Welt konnte sie trennen. Lily sagte eine Menge solcher oder ähnlicher Dinge, aber in der Regel hörte er gar nicht zu. Es reichte vollkommen, daß sie bei ihm war. Michael gehörte ihr mit Leib und Seele, auch wenn er wußte, daß er am Ende wahrscheinlich für sie sterben würde – falls jemals irgend jemand etwas über sie herausfände.

Schließlich schob Michael seine Geliebte von sich, ohne sie ganz loszulassen. »Dieser Komplex ist vielleicht nicht ganz so offensichtlich verwanzt, wie wir es gewöhnt sind, aber das bedeutet noch lange nicht, daß uns nicht irgend jemand beobachtet«, sagte er schwer atmend. »Dein kleiner Störsender hat seine Grenzen. Daniel und Stephanie mögen vielleicht so damit beschäftigt sein, diese Fabrik ans Laufen zu bekommen, daß sie unsere Leinen ein wenig lockerer lassen als üblich, aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein. Wenn sie jemals irgendwelche Beweise für unsere Liebe vorgesetzt bekommen, dann lassen sie uns womöglich exekutieren. Auf jeden Fall werden wir zum Gespött der Leute. Und was noch schlimmer ist – sie könnten uns aus der Familie verstoßen. Ich liebe dich, Lily, aber selbst für dich wollte ich nie wieder arm sein.«

»Du machst dir viel zu viele Gedanken«, erwiderte Lily und lächelte ihn unter schweren Augenlidern hervor an.

»Und du zu wenig«, sagte Michael und hielt Lilys Blick entschlossen stand. »Wir sind nur aus einem einen einzigen Grund auf diesem Hinterweltplaneten am Rande des Nichts. Unsere beiden Ehepartner trauen uns nicht über den Weg. Sie haben ihre Verdachtsmomente. Aber sie werden nur harte Beweise akzeptieren, also sollten wir nicht unvorsichtig sein und ihnen diese Beweise liefern. Wir müssen vorsichtig sein, Lily. Wir haben verdammt viel zu verlieren.«

»Du bist so langweilig mit deiner ewigen Vorsicht«, murrte Lily und zog einen Schmollmund wie ein Kind. Sie befreite sich aus Michaels Armen. »Du solltest lieber auf deine Instinkte hören und auf die wilde Stimme deiner Leidenschaft. Zivilisiertes Verhalten ist nur ein Deckmantel, unter den wir geschlüpft sind. Wir können ihn jederzeit ablegen, wenn uns danach ist. Trotzdem stimme ich dir zu. Ich bin hergekommen, weil wir reden müssen.«

Michael verschränkte die Arme vor der Brust. »Also schön, rede. Ich höre dir zu, Liebste.«

Lily schenkte Michael ein strahlendes Lächeln, und plötzlich sah sie gar nicht mehr kindlich aus. »Daniel und Stephanie haben eine ganze Menge investiert, um diese Fabrik erfolgreich zu machen. Wenn sie versagen oder wenn irgend etwas schiefläuft, bleibt ihnen noch weniger Zeit, um uns im Auge zu behalten. Also könnte man sagen, wir haben ein persönliches Interesse an einem Fehlschlag. Ja, ich dachte mir schon, daß dir dieser Gedanke gefällt. Warte, wir wollen die Idee ruhig noch einen Schritt weiterspinnen. Falls Stephanie und Daniel auf Technos III sterben sollten, würden du und ich all ihre weltlichen Güter erben, einschließlich ihrer Position in der Familie.

Und wenn man bedenkt, daß die liebe Konstanze einen Dreck auf die Familie gibt und der liebe Valentin ein kompletter Idiot ist, dessen gewaltiger Drogenkonsum den Gedanken nahelegt, daß er sowieso nicht mehr lange unter den Lebenden weilt…, wenn wir unsere Trümpfe vorsichtig ausspielen, dann könnten wir am Ende den gesamten Clan beerben.«

»Oder bei dem Versuch sterben«, fügte Michael hinzu. »Bist du eigentlich verrückt? Wir sollen Stephanie und Daniel töten?

Du hast wieder einmal nachgedacht, was? Ich hasse es, wenn du nachdenkst. Unsere Position ist sowieso schon verdammt unsicher. Einen plausiblen Zwischenfall in der Fabrik zu arrangieren ist eine Sache, aber wenn Daniel oder Stephanie sterben sollten, ganz egal, aus welchem Grund, dann wären du und ich die ersten Leute, die man verhaften würde. Und zwar genau aus dem Grund, daß wir so viel dadurch gewinnen. Einen Esper kannst du nicht belügen.«

»Außer, wir legen die Toten jemand anderem vor die Tür«, erwiderte Lily gelassen. »Irgend jemandem, der sie noch mehr haßt als wir beide. Zum Beispiel die lokalen Rebellen.«

»Also schön«, sagte Michael. »Ich weiß, daß ich diese Unterhaltung bereuen werde, aber erzähl mir mehr.«

Lily wandte sich halb von Michael ab, und ihr Blick schweifte in die Ferne. »Du hast nie an meine Hexenkräfte geglaubt, Michael, aber sie sind stärker als je zuvor, seit wir hergekommen sind. Ich… ich habe Dinge gesehen und gefühlt, und ich bin auf stürmischen Winden geritten. Das ist ein eigenartiger Planet, und eigenartige Dinge geschehen hier. Sie rufen nach mir. Ich fühle mich stärker, konzentrierter und… wagemutiger. Du wärst überrascht, wenn du wüßtest, wie wagemutig, Liebster.«

Michael nickte, ohne etwas darauf zu erwidern. Er hatte schon immer vermutet, daß Lily einen Hauch von ESP besaß, aber so etwas erwähnte man nicht in der aristokratischen Gesellschaft. Esper waren Besitz. Immer. Ganz offensichtlich hatten ihr erzwungenes Zölibat und die daraus resultierende Langeweile zusammen mit der ungezähmten Natur von Technos III ihre Fähigkeiten stimuliert. Ganz sicher wirkte Lily seit einiger Zeit ruheloser und irgendwie extremer in ihren Emotionen.

»Also schön«, sagte Michael sanft. »Also hast du eine glänzende Zukunft als Wetterprophetin vor dir. Na und? Wie soll uns das nützlich sein?«

»Die Wildheit dieses Planeten liegt nicht in seinem Klima begründet, sondern in seinen Bewohnern«, antwortete Lily.

»Ich kann sie fühlen, dort draußen. Im Untergrund. Sie haben etwas vor. Etwas Größeres. Etwas, aus dem wir vielleicht unseren Nutzen ziehen können. Weißt du, ich habe Freunde hier, liebster Michael. Gute Freunde. Verdammt mächtige Freunde.«