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»Hallo auch. Wir sind gekommen, um mit Mutter Beatrice zu sprechen. Ich bin Tobias Shreck, und das hier ist mein Kameramann. Man erwartet uns.«

Die Schwester trat einen Schritt vor, zog Tobys Felle auseinander und filzte ihn mit geschäftlicher Effizienz. Als sie fertig war, machte sie bei Flynn weiter, und Toby betete im stillen, daß Flynn nicht kichern würde. Nachdem die Schwester sich davon überzeugt hatte, daß die beiden nächtlichen Besucher unbewaffnet gekommen waren, trat sie wieder zurück und musterte sie mit unnachgiebigem, versteinertem Gesicht. »Sie sagte, man solle Euch beide zu ihr lassen, aber Ihr werdet sie nicht ermüden. Das ist ihre Schlafperiode. Sie arbeitet all die Stunden, die Gott uns sendet, ohne Unterlaß, und dann nimmt sie sich noch die Zeit, um mit Euresgleichen zu reden. Ich will nicht, daß Ihr sie müde macht. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«

»Selbstverständlich, Schwester«, erwiderte Toby. »Wir werden wieder weg sein, bevor Ihr zwinkern könnt.«

Die Schwester rümpfte zweifelnd die Nase, dann wandte sie sich um und führte die beiden Reporter durch den schmalen Mittelgang der Station, die den größten Teil des Zeltes vereinnahmte. Toby und Flynn folgten ihr in respektvollem Abstand.

Auf beiden Seiten standen Betten in dichtgedrängten Reihen, ohne auch nur für den Luxus eines Besucherstuhles Platz zu lassen. Es waren nicht die Standardbetten aus den Krankenhäusern zivilisierter Welten mit ihren eingebauten Sensoren und der diagnostischen Ausrüstung. Es waren flache, harte Pritschen mit rauhen Decken und hin und wieder einem Kissen.

Der Gestank von Blut und anderen, schlimmeren Dingen war so stark, daß er sogar den penetranten Geruch des Desinfektionsmittels zu verdrängen drohte. Die Patienten lagen meist ruhig, unter Schmerzmitteln, wie Toby hoffte, doch einige stöhnten leise oder wälzten sich unruhig hin und her. Ein Mann ohne Beine weinte leise und hoffnungslos vor sich hin. Flynns Kamera filmte alles. Vielen der Patienten fehlten Gliedmaßen oder Teile des Gesichts. Toby wurde übel. Man erwartete einfach keine derartigen Verletzungen mehr, es sei denn auf den primitivsten Welten. Er wandte den Blick ab. Man hatte ihn hergeschickt, um Dinge wie diese zu vertuschen.

»Versorgen Euch die Wolfs nicht mit besserer Ausrüstung als dieser hier?« erkundigte er sich schließlich, bemüht, die Wut aus seiner Stimme herauszuhalten, um die Patienten nicht zu beunruhigen.

Die Schwester schniefte laut, ohne sich umzuwenden oder ihren Schritt zu verlangsamen. »Wir sind hier ganz auf uns allein gestellt. Offiziell gewinnen die Wolfs diesen kleinen häßlichen Krieg, also darf niemand sehen, wie sie größere Krankenhausanlagen und Versorgungseinrichtungen nach Technos III schaffen. Gerüchte über die wahre Zahl von Toten und Verletzten und darüber, wie schlecht es in diesem Krieg steht, könnten nach draußen dringen. Also versorgen sie uns nur mit dem, was absolut erforderlich ist, um die wenigen Verwundeten zu behandeln, die es nach offizieller Darstellung gibt. Es ist wichtig für die Wolfs, den Eindruck zu erwecken, daß auf Technos III alles genau nach Plan läuft, und sie kontrollieren die Lage.

Diese Bastarde! Ich würde sie ersäufen, wenn ich könnte.

Wenn Ihr wollt, könnt Ihr das in Euren Bericht aufnehmen.«

»Mich interessieren die Ansichten aller Seiten«, entgegnete Toby diplomatisch. »Ich möchte den Menschen die Wahrheit über das berichten, was hier vor sich geht.«

»Wenn Ihr das wirklich wollt, dann seid Ihr der erste. Nicht, daß es einen Unterschied machen würde. Die Wolfs werden alles zensieren, was sie in Verlegenheit bringen könnte, bevor sie Euch erlauben, Euren Bericht zu senden.«

Toby schwieg noch diplomatischer. Er rechnete mit einer Zensur. Das hatten sein Beruf und das Einsatzgebiet so an sich.

Der Trick an der Sache war, Informationen an der Zensur vorbeizuschleusen.

Auf halbem Weg das langgestreckte Zelt hinunter war ein kleiner Raum durch Wandschirme abgetrennt worden. Toby dachte im ersten Augenblick an eine Toilette und war nicht wenig überrascht, als die Schwester respektvoll, beinahe schüchtern an einen der Schirme klopfte.

»Es sind die Presseleute«, sagte sie zaghaft. »Wünscht Ihr immer noch, mit ihnen zu sprechen, oder soll ich sie hinauswerfen?«

Eine leise gemurmelte Antwort kam aus dem Innern, und die Schwester schnitt eine mürrische Grimasse, als sie sich zu Toby und Flynn umwandte. »Dreißig Minuten und keine einzige Sekunde mehr. Und wenn Ihr sie müde macht, packe ich Euch bei den Eiern.«

Die Schwester schob einen der Wandschirme zur Seite und schuf so einen Durchgang. Toby und Flynn nickten ihr respektvoll zu und drängten sich nacheinander an ihr vorbei wie an einem bissigen Wachhund. Als die beiden Reporter durch die Lücke getreten waren, schob die Schwester den Schirm hinter ihnen wieder an seinen Platz. Die abgegrenzte Fläche dahinter war gerade groß genug, um einem Feldbett, einer Waschschüssel auf einem Gestell und einem Schreibtisch Platz zu bieten. Am Schreibtisch saß die Mutter Oberin Beatrice in einem langen seidenen Hausmantel mit durchgescheuerten Säumen und ausgebeulten Ellbogen. Sie wirkte blaß und erschöpft, das hellrote Haar brutal abrasiert, doch ihre Augen blickten warm, und ihr Willkommenslächeln schien ehrlich gemeint. Hinter ihr hing an einem Hutständer die offizielle schwarze Robe mit der gestärkten Haube, beinahe, als befände sich noch eine vierte Person in dem beengten Raum. Beatrice stand nicht von ihrem Stuhl auf, doch sie reichte Toby zum Gruß die Hand. Ihr Händedruck war kurz, aber fest. Sie wandte sich zu Flynn, der sich über ihre Hand beugte und sie küßte.

Beatrice’ Lächeln wurde breiter.

»Wenn Ihr wüßtet, was ich vor weniger als einer halben Stunde mit genau dieser Hand getan habe, würdet Ihr jetzt zur Toilette rennen und mit Schwefelsäure gurgeln.« Sie wandte sich wieder Toby zu. »Ich freue mich, Euch beide zu sehen. Ich war nicht sicher, ob Ihr kommen würdet. Alle anderen, die ich gefragt habe, verspürten keine Lust, sich die Finger zu verbrennen.«

»Ich bin mir da auch nicht so sie her«, antwortete Toby. »Es kommt ganz darauf an, was Ihr mir zu sagen habt. Macht es Euch etwas aus, wenn mein Kameramann unsere Unterhaltung mitschneidet?«

»Natürlich nicht. Genau aus diesem Grund habe ich Euch beide gebeten zu kommen. Nehmt auf dem Bett Platz. Wir haben leider nicht mehr genügend Stühle, und wenn Ihr steht, seid Ihr zu sehr im Weg.«

Beatrice lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, und Toby ließ sich vorsichtig auf der Pritsche nieder. Sie fühlte sich hart und unbequem an. Flynn blieb stehen und bewegte sich leise hierhin und dorthin, um gute Aufnahmewinkel für seine Kamera zu finden. Toby ignorierte ihn. Flynn würde sich um alle technischen Einzelheiten kümmern. Toby war der Reporter, und seine Aufgabe war das Interview und alles, was er an Informationen aus ihm herausziehen konnte. Mutter Beatrice war berüchtigt für ihre Freimütigkeit, aber das war stets im Schutz des Hofes gewesen, weit weg vom Blut und dem Sterben an den Frontlinien. Man sagte, sie habe sich nach ihren ersten Erlebnissen in einem Feldlazarett sehr verändert, doch die meisten dieser Geschichten stammten aus zweiter Hand. Außerdem war Toby nicht sicher, ob er noch an Heilige glauben sollte. Er beschloß, mit einem einfachen, unverfänglichen Thema zu beginnen.